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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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der Warheit nachzudencken.
gen als zwey gleiche Winckel/ daß man sein
Versprechen halten müsse/ daß derjenige/ der
den andern Schaden zufüget/ denselben durch
gehörige Satisfaction wieder zu erstatten
schuldig sey/ und nichts destoweniger hat der
Mensch eines ziemlich dauerhafften Zweiffels
und raisonirung vonnöthen/ ehe er bey sich die
Erkentniß erwecket/ daß diese Sätze unter die
unstreitigen Warheiten gehören.

80. Was endlich den Vorwurff der A-
theisterey
betrifft/ will ich itzo nicht urgiren/
das zwar zu wündschen wäre/ daß kein Mensch
iemahlen auch nur auff einen Augenblick A-
theisti
sche Gedancken hegete/ aber doch gleich-
wohl unsere armselige Natur leider mit die-
sen Unfall behafftet sey/ daß nicht zu ver-
wundern/ wenn rohe Weltkinder dieselbigen
zum öfftern fühlen/ weil auch die aller frömm-
sten Leute öffentlich darüber geklaget/ daß sie
zuweilen mit dergleichen Atheistischen Ge-
dancken
geplaget und versuchet werden. Son-
dern ich will nur dieses erinnern/ daß unsere
Philosophie mit nichten erfordere/ daß ein
Mensch auch nur einen Augenblick ein A-
theiste
seyn solle.

81. Es ist nicht zu läugnen/ daß sehr viel un-

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der Warheit nachzudencken.
gen als zwey gleiche Winckel/ daß man ſein
Verſprechen halten muͤſſe/ daß derjenige/ der
den andern Schaden zufuͤget/ denſelben durch
gehoͤrige Satisfaction wieder zu erſtatten
ſchuldig ſey/ und nichts deſtoweniger hat der
Menſch eines ziemlich dauerhafften Zweiffels
und raiſonirung vonnoͤthen/ ehe er bey ſich die
Erkentniß erwecket/ daß dieſe Saͤtze unter die
unſtreitigen Warheiten gehoͤren.

80. Was endlich den Vorwurff der A-
theiſterey
betrifft/ will ich itzo nicht urgiren/
das zwar zu wuͤndſchen waͤre/ daß kein Menſch
iemahlen auch nur auff einen Augenblick A-
theiſti
ſche Gedancken hegete/ aber doch gleich-
wohl unſere armſelige Natur leider mit die-
ſen Unfall behafftet ſey/ daß nicht zu ver-
wundern/ wenn rohe Weltkinder dieſelbigen
zum oͤfftern fuͤhlen/ weil auch die aller froͤm̃-
ſten Leute oͤffentlich daruͤber geklaget/ daß ſie
zuweilen mit dergleichen Atheiſtiſchen Ge-
dancken
geplaget und verſuchet werden. Son-
dern ich will nur dieſes erinnern/ daß unſere
Philoſophie mit nichten erfordere/ daß ein
Menſch auch nur einen Augenblick ein A-
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[37/0063] der Warheit nachzudencken. gen als zwey gleiche Winckel/ daß man ſein Verſprechen halten muͤſſe/ daß derjenige/ der den andern Schaden zufuͤget/ denſelben durch gehoͤrige Satisfaction wieder zu erſtatten ſchuldig ſey/ und nichts deſtoweniger hat der Menſch eines ziemlich dauerhafften Zweiffels und raiſonirung vonnoͤthen/ ehe er bey ſich die Erkentniß erwecket/ daß dieſe Saͤtze unter die unſtreitigen Warheiten gehoͤren. 80. Was endlich den Vorwurff der A- theiſterey betrifft/ will ich itzo nicht urgiren/ das zwar zu wuͤndſchen waͤre/ daß kein Menſch iemahlen auch nur auff einen Augenblick A- theiſtiſche Gedancken hegete/ aber doch gleich- wohl unſere armſelige Natur leider mit die- ſen Unfall behafftet ſey/ daß nicht zu ver- wundern/ wenn rohe Weltkinder dieſelbigen zum oͤfftern fuͤhlen/ weil auch die aller froͤm̃- ſten Leute oͤffentlich daruͤber geklaget/ daß ſie zuweilen mit dergleichen Atheiſtiſchen Ge- dancken geplaget und verſuchet werden. Son- dern ich will nur dieſes erinnern/ daß unſere Philoſophie mit nichten erfordere/ daß ein Menſch auch nur einen Augenblick ein A- theiſte ſeyn ſolle. 81. Es iſt nicht zu laͤugnen/ daß ſehr viel un- ter C 3

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/63>, abgerufen am 21.05.2024.