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Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691].

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den wegen seiner herrlichen Wissenschafften in der
Mathesi hochberühmten Laußnitzischen Edelmann
den Herrn von Tschirnhauß anführen. Wie sehr
hat er sich bemühet/ in seiner Medicina Mentis an
statt der Syllogismus-Kunst eine rechte Logic zu-
schreiben? Und hat dabeneben dafür gehalten/ daß
diese seine wohlintentionirte Logic sich nicht schä-
men dörffte an den Galantesten Hoffe in Franck-
reich zu kommen/ und für den allerscharffsinnigsten
König (denn worumb solten wir nicht die Tugend
auch an unsern allgemeinen Feinde rühmen und
hochachten?) sich zu praesentiren. Jch muß be-
kennen/ ich habe nach Lesung dieses seines Buchs
am ersten rechtschaffene Gelegenheit bekommen/
die Sache ein wenig reiffer zu überlegen/ und in
meinen Kopffe auffzuräumen/ ob ich gleich allbereit
etliche Jahre hero die gantze Jurisprudenz nicht
ohne Applausu der studirenden Jugend gelehrt/
und dabey gespühret hatte/ daß mich auch meine
Widersacher selbst durchgehends für einen nicht
ungelehrten Philosophum passiren liessen/ zumah-
len ich genungsame Proben abgeleget hatte/ daß ich
in der Syllogismus-Kunst so wohl Praesidendo als
Opponendo meinen Mann/ auch so gar die Hel-
den dieser Kunst/ nie gescheuet. Alleine ich habe
durch diese Methode seit vier Jahre her eine solche
Veränderung meiner vorigen Concepte verur-
sacht/ daß ich/ wenn ich das betrachte/ was ich seit
dieser Zeit in meinem Kopffe ausgemustert/ mich
der Blindheit/ die ich zuvorhero in der Philosophie
und Jurisprudenz gehabt/ von Hertzen schäme/
und die Welt bedaure/ die auff gleiche Weise durch

die

den wegen ſeiner herrlichen Wiſſenſchafften in der
Matheſi hochberuͤhmten Laußnitziſchen Edelmann
den Herrn von Tſchirnhauß anfuͤhren. Wie ſehr
hat er ſich bemuͤhet/ in ſeiner Medicina Mentis an
ſtatt der Syllogiſmus-Kunſt eine rechte Logic zu-
ſchreiben? Und hat dabeneben dafuͤr gehalten/ daß
dieſe ſeine wohlintentionirte Logic ſich nicht ſchaͤ-
men doͤrffte an den Galanteſten Hoffe in Franck-
reich zu kommen/ und fuͤr den allerſcharffſinnigſten
Koͤnig (denn worumb ſolten wir nicht die Tugend
auch an unſern allgemeinen Feinde ruͤhmen und
hochachten?) ſich zu præſentiren. Jch muß be-
kennen/ ich habe nach Leſung dieſes ſeines Buchs
am erſten rechtſchaffene Gelegenheit bekommen/
die Sache ein wenig reiffer zu uͤberlegen/ und in
meinen Kopffe auffzuraͤumen/ ob ich gleich allbereit
etliche Jahre hero die gantze Jurisprudenz nicht
ohne Applauſu der ſtudirenden Jugend gelehrt/
und dabey geſpuͤhret hatte/ daß mich auch meine
Widerſacher ſelbſt durchgehends fuͤr einen nicht
ungelehrten Philoſophum paſſiren lieſſen/ zumah-
len ich genungſame Proben abgeleget hatte/ daß ich
in der Syllogiſmus-Kunſt ſo wohl Præſidendo als
Opponendo meinen Mann/ auch ſo gar die Hel-
den dieſer Kunſt/ nie geſcheuet. Alleine ich habe
durch dieſe Methode ſeit vier Jahre her eine ſolche
Veraͤnderung meiner vorigen Concepte verur-
ſacht/ daß ich/ wenn ich das betrachte/ was ich ſeit
dieſer Zeit in meinem Kopffe ausgemuſtert/ mich
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[0008] den wegen ſeiner herrlichen Wiſſenſchafften in der Matheſi hochberuͤhmten Laußnitziſchen Edelmann den Herrn von Tſchirnhauß anfuͤhren. Wie ſehr hat er ſich bemuͤhet/ in ſeiner Medicina Mentis an ſtatt der Syllogiſmus-Kunſt eine rechte Logic zu- ſchreiben? Und hat dabeneben dafuͤr gehalten/ daß dieſe ſeine wohlintentionirte Logic ſich nicht ſchaͤ- men doͤrffte an den Galanteſten Hoffe in Franck- reich zu kommen/ und fuͤr den allerſcharffſinnigſten Koͤnig (denn worumb ſolten wir nicht die Tugend auch an unſern allgemeinen Feinde ruͤhmen und hochachten?) ſich zu præſentiren. Jch muß be- kennen/ ich habe nach Leſung dieſes ſeines Buchs am erſten rechtſchaffene Gelegenheit bekommen/ die Sache ein wenig reiffer zu uͤberlegen/ und in meinen Kopffe auffzuraͤumen/ ob ich gleich allbereit etliche Jahre hero die gantze Jurisprudenz nicht ohne Applauſu der ſtudirenden Jugend gelehrt/ und dabey geſpuͤhret hatte/ daß mich auch meine Widerſacher ſelbſt durchgehends fuͤr einen nicht ungelehrten Philoſophum paſſiren lieſſen/ zumah- len ich genungſame Proben abgeleget hatte/ daß ich in der Syllogiſmus-Kunſt ſo wohl Præſidendo als Opponendo meinen Mann/ auch ſo gar die Hel- den dieſer Kunſt/ nie geſcheuet. Alleine ich habe durch dieſe Methode ſeit vier Jahre her eine ſolche Veraͤnderung meiner vorigen Concepte verur- ſacht/ daß ich/ wenn ich das betrachte/ was ich ſeit dieſer Zeit in meinem Kopffe ausgemuſtert/ mich der Blindheit/ die ich zuvorhero in der Philoſophie und Jurisprudenz gehabt/ von Hertzen ſchaͤme/ und die Welt bedaure/ die auff gleiche Weiſe durch die

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Außübung Der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), [1691], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungvernunfftlehre_1691/8>, abgerufen am 21.11.2024.