Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Zuschrifft. solch lächerlich Temperament daraus/ daßman erschrickt/ wenn man die andern Neben- Affecten, die aus dieser Vermischung entste- hen/ und nicht anders als widerwärtig seyn können/ betrachtet. Weswegen auch die Sa- tyrici und Comödien-Schreiber/ wenn sie ein lächerlich Possen-Gpiel vorstellen wollen/ gemeiniglich einen alten Mann der verliebt ist/ aufführen/ weil das Alter insgemein geitzig/ und ihre Liebe mehr wollüstig als ver- nünfftig ist/ massen dann die Comödie des Moliere, die er von dem Geitzigen gemacht/ bey nahe die allerlächerlichste ist. Wiewohl meines Erachtens die Thorheit so aus dieser Vermischung entstehet/ viel deutlicher unter der Person eines jungen wollüstigen Kerls ab- gemahlet werden könte. Was die vernünff- tige Liebe anlanget/ so ist dieselbige mehren- theils entweder mit der Liebe zur weltlichen Lust/ oder mit dem Ehrgeitz vermenget/ aber mit dem Geld-Geitz hat sie gar nichts zu thun/ weil derselbe von ihr noch vielmehr ent- fernet ist als die Wollust/ ob sie schon dann und wann das Geld ein wenig liebet. Und paßiret dannenhero in dieser Unvollkommen- heit
Zuſchrifft. ſolch laͤcherlich Temperament daraus/ daßman erſchrickt/ wenn man die andern Neben- Affecten, die aus dieſer Vermiſchung entſte- hen/ und nicht anders als widerwaͤrtig ſeyn koͤnnen/ betrachtet. Weswegen auch die Sa- tyrici und Comoͤdien-Schreiber/ wenn ſie ein laͤcherlich Poſſen-Gpiel vorſtellen wollen/ gemeiniglich einen alten Mann der verliebt iſt/ auffuͤhren/ weil das Alter insgemein geitzig/ und ihre Liebe mehr wolluͤſtig als ver- nuͤnfftig iſt/ maſſen dann die Comoͤdie des Moliere, die er von dem Geitzigen gemacht/ bey nahe die allerlaͤcherlichſte iſt. Wiewohl meines Erachtens die Thorheit ſo aus dieſer Vermiſchung entſtehet/ viel deutlicher unter der Perſon eines jungen wolluͤſtigen Kerls ab- gemahlet werden koͤnte. Was die vernuͤnff- tige Liebe anlanget/ ſo iſt dieſelbige mehren- theils entweder mit der Liebe zur weltlichen Luſt/ oder mit dem Ehrgeitz vermenget/ aber mit dem Geld-Geitz hat ſie gar nichts zu thun/ weil derſelbe von ihr noch vielmehr ent- fernet iſt als die Wolluſt/ ob ſie ſchon dann und wann das Geld ein wenig liebet. Und paßiret dannenhero in dieſer Unvollkommen- heit
<TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0011"/><fw place="top" type="header">Zuſchrifft.</fw><lb/> ſolch laͤcherlich <hi rendition="#aq">Temperament</hi> daraus/ daß<lb/> man erſchrickt/ wenn man die andern Neben-<lb/><hi rendition="#aq">Affecten,</hi> die aus dieſer Vermiſchung entſte-<lb/> hen/ und nicht anders als widerwaͤrtig ſeyn<lb/> koͤnnen/ betrachtet. Weswegen auch die <hi rendition="#aq">Sa-<lb/> tyrici</hi> und Comoͤdien-Schreiber/ wenn ſie<lb/> ein laͤcherlich Poſſen-Gpiel vorſtellen wollen/<lb/> gemeiniglich einen alten Mann der verliebt<lb/> iſt/ auffuͤhren/ weil das Alter insgemein<lb/> geitzig/ und ihre Liebe mehr wolluͤſtig als ver-<lb/> nuͤnfftig iſt/ maſſen dann die Comoͤdie des<lb/><hi rendition="#aq">Moliere,</hi> die er von dem Geitzigen gemacht/<lb/> bey nahe die allerlaͤcherlichſte iſt. Wiewohl<lb/> meines Erachtens die Thorheit ſo aus dieſer<lb/> Vermiſchung entſtehet/ viel deutlicher unter<lb/> der Perſon eines jungen wolluͤſtigen Kerls ab-<lb/> gemahlet werden koͤnte. Was die <hi rendition="#fr">vernuͤnff-<lb/> tige Liebe</hi> anlanget/ ſo iſt dieſelbige mehren-<lb/> theils entweder mit der Liebe <hi rendition="#fr">zur weltlichen<lb/> Luſt/</hi> oder mit dem <hi rendition="#fr">Ehrgeitz</hi> vermenget/<lb/> aber mit dem <hi rendition="#fr">Geld-Geitz</hi> hat ſie gar nichts zu<lb/> thun/ weil derſelbe von ihr noch vielmehr ent-<lb/> fernet iſt als die Wolluſt/ ob ſie ſchon dann<lb/> und wann das Geld ein wenig liebet. Und<lb/> paßiret dannenhero in dieſer Unvollkommen-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">heit</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0011]
Zuſchrifft.
ſolch laͤcherlich Temperament daraus/ daß
man erſchrickt/ wenn man die andern Neben-
Affecten, die aus dieſer Vermiſchung entſte-
hen/ und nicht anders als widerwaͤrtig ſeyn
koͤnnen/ betrachtet. Weswegen auch die Sa-
tyrici und Comoͤdien-Schreiber/ wenn ſie
ein laͤcherlich Poſſen-Gpiel vorſtellen wollen/
gemeiniglich einen alten Mann der verliebt
iſt/ auffuͤhren/ weil das Alter insgemein
geitzig/ und ihre Liebe mehr wolluͤſtig als ver-
nuͤnfftig iſt/ maſſen dann die Comoͤdie des
Moliere, die er von dem Geitzigen gemacht/
bey nahe die allerlaͤcherlichſte iſt. Wiewohl
meines Erachtens die Thorheit ſo aus dieſer
Vermiſchung entſtehet/ viel deutlicher unter
der Perſon eines jungen wolluͤſtigen Kerls ab-
gemahlet werden koͤnte. Was die vernuͤnff-
tige Liebe anlanget/ ſo iſt dieſelbige mehren-
theils entweder mit der Liebe zur weltlichen
Luſt/ oder mit dem Ehrgeitz vermenget/
aber mit dem Geld-Geitz hat ſie gar nichts zu
thun/ weil derſelbe von ihr noch vielmehr ent-
fernet iſt als die Wolluſt/ ob ſie ſchon dann
und wann das Geld ein wenig liebet. Und
paßiret dannenhero in dieſer Unvollkommen-
heit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |