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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 2. Hauptst. von der grösten
mit sich reden/ wenn nicht andere Menschen/ mit
denen er in Gesellschafft lebet/ durch ihre äuserli-
che Rede seine innerliche anzündeten? Was
brauchte es aber endlich wiederumb aller äuserli-
chen Reden/ wenn keine menschliche Gesellschafft
wäre.

76.

Ohne menschliche Gesellschafft wür-
de ein erwachsener Mensch kein Vergnü-
gen haben/ wenn er gleich die gantze Welt/
besässe.
Er müste sich selbst bedienen/ und diese
Bedienung würde ihm wenn er wohllüstig oder
ehrgitzig wäre/ unerträglich seyn. Ja wenn er
gleich wie die Poeten von der Psyche melden/ von
unsichtbaren Geistern bedienet würde/ oder so
vernünfftig wäre/ daß er seine eigene Bedie-
nung für keine Last hielte; würde er doch des-
wegen unvergnügt seyn/ weil es ihm/ weiltz er
ehrgeitzig wäre an Leuten/ denen er befehlen
könte/ und von denen er geehret würde; wenn
er wohllüstig wäre/ an wohllüstiger Gesellschafft;
und wenn er zur Tugend geneigt wäre/ an Leu-
ten denen er guts thun/ und sie seines Vergnü-
gens theilhafftig machen könte/ ermangeln würde.

77.

Ja dieses Unvergnügen würde auch selbst
die Misanthropen treffen/ oder die sich in ihre
Bibliothequen verschliessen/ und von aller
menschlichen Gesellschafft entziehen/ wenn sie
nicht in menschlicher Gesellschafft leben solten.
Denn die Misanthropen suchen ihr Vergnügen
darinnen/ daß sie die gegenwärtige Welt tadeln/

und

Das 2. Hauptſt. von der groͤſten
mit ſich reden/ wenn nicht andere Menſchen/ mit
denen er in Geſellſchafft lebet/ durch ihre aͤuſerli-
che Rede ſeine innerliche anzuͤndeten? Was
brauchte es aber endlich wiederumb aller aͤuſerli-
chen Reden/ wenn keine menſchliche Geſellſchafft
waͤre.

76.

Ohne menſchliche Geſellſchafft wuͤr-
de ein erwachſener Menſch kein Vergnuͤ-
gen haben/ wenn er gleich die gantze Welt/
beſaͤſſe.
Er muͤſte ſich ſelbſt bedienen/ und dieſe
Bedienung wuͤrde ihm wenn er wohlluͤſtig oder
ehrgitzig waͤre/ unertraͤglich ſeyn. Ja wenn er
gleich wie die Poeten von der Pſyche melden/ von
unſichtbaren Geiſtern bedienet wuͤrde/ oder ſo
vernuͤnfftig waͤre/ daß er ſeine eigene Bedie-
nung fuͤr keine Laſt hielte; wuͤrde er doch des-
wegen unvergnuͤgt ſeyn/ weil es ihm/ weiltz er
ehrgeitzig waͤre an Leuten/ denen er befehlen
koͤnte/ und von denen er geehret wuͤrde; wenn
er wohlluͤſtig waͤre/ an wohlluͤſtiger Geſellſchafft;
und wenn er zur Tugend geneigt waͤre/ an Leu-
ten denen er guts thun/ und ſie ſeines Vergnuͤ-
gens theilhafftig machen koͤnte/ ermangeln wuͤrde.

77.

Ja dieſes Unvergnuͤgen wuͤrde auch ſelbſt
die Miſanthropen treffen/ oder die ſich in ihre
Bibliothequen verſchlieſſen/ und von aller
menſchlichen Geſellſchafft entziehen/ wenn ſie
nicht in menſchlicher Geſellſchafft leben ſolten.
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darinnen/ daß ſie die gegenwaͤrtige Welt tadeln/

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[90/0122] Das 2. Hauptſt. von der groͤſten mit ſich reden/ wenn nicht andere Menſchen/ mit denen er in Geſellſchafft lebet/ durch ihre aͤuſerli- che Rede ſeine innerliche anzuͤndeten? Was brauchte es aber endlich wiederumb aller aͤuſerli- chen Reden/ wenn keine menſchliche Geſellſchafft waͤre. 76. Ohne menſchliche Geſellſchafft wuͤr- de ein erwachſener Menſch kein Vergnuͤ- gen haben/ wenn er gleich die gantze Welt/ beſaͤſſe. Er muͤſte ſich ſelbſt bedienen/ und dieſe Bedienung wuͤrde ihm wenn er wohlluͤſtig oder ehrgitzig waͤre/ unertraͤglich ſeyn. Ja wenn er gleich wie die Poeten von der Pſyche melden/ von unſichtbaren Geiſtern bedienet wuͤrde/ oder ſo vernuͤnfftig waͤre/ daß er ſeine eigene Bedie- nung fuͤr keine Laſt hielte; wuͤrde er doch des- wegen unvergnuͤgt ſeyn/ weil es ihm/ weiltz er ehrgeitzig waͤre an Leuten/ denen er befehlen koͤnte/ und von denen er geehret wuͤrde; wenn er wohlluͤſtig waͤre/ an wohlluͤſtiger Geſellſchafft; und wenn er zur Tugend geneigt waͤre/ an Leu- ten denen er guts thun/ und ſie ſeines Vergnuͤ- gens theilhafftig machen koͤnte/ ermangeln wuͤrde. 77. Ja dieſes Unvergnuͤgen wuͤrde auch ſelbſt die Miſanthropen treffen/ oder die ſich in ihre Bibliothequen verſchlieſſen/ und von aller menſchlichen Geſellſchafft entziehen/ wenn ſie nicht in menſchlicher Geſellſchafft leben ſolten. Denn die Miſanthropen ſuchen ihr Vergnuͤgen darinnen/ daß ſie die gegenwaͤrtige Welt tadeln/ und

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/122>, abgerufen am 24.11.2024.