Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Glückseeligkeit des Menschen.
nes einigen Menschen unterwürffig wäre/ oder
wenn dasjenige dein Gemühte anfechten solte/
was man mit deinen Nahmen/ Schilde/
Schrifften und Bilde vornähme. Es ist wahr/
die Liebe zu dir wird bey vielen Leuten ausge-
tilget; aber bey was für welchen? Bey denen
die die wahre Gemüths-Ruhe nicht besitzen.
Mit diesen aber sucht ein weiser Mann nicht sich
durch Liebe zu vereinigen/ sondern hat Erbarm-
niß mit ihnen/ und diese hindert ihn alleine/ daß
er die ihm angethane Beschimpffungen nicht
verlacht. Bey denen andern aber die nach der
grösten Glückseeligkeit nebst ihm eyffrig sich be-
mühen/ wächst seine Ehre nur desto mehr da-
durch/ weil die ruhige Erduldung solcher unver-
dienten Beschimpffung die Gemüther solcher
Leute nur desto kräfftiger an sich ziehet/ und sie
noch mehr mit ihm vereiniget.

104.

Nun wollen wir die Manierlichkeit/
Höfflichkeit/ Artigkeit der Sitten/ Wohlanstän-
digkeit/ mit einem Worte das Decorum be-
trachten. Dieses gleich wie es in der Nachah-
mung des Thuns derer Leute/ die in menschli-
cher Gesellschafft für andern hochgeachtet wer-
den bestehet; Also ist es nach denen unterschie-
denen Arten des Thuns das man imitiret/
hauptsächlich dreyerley: Denn dieses Thun ist
entweder Tugendhafft oder Lasterhafft
(wohin ich auch die Eitelkeit referire/ als die

un-
G 3

Gluͤckſeeligkeit des Menſchen.
nes einigen Menſchen unterwuͤrffig waͤre/ oder
wenn dasjenige dein Gemuͤhte anfechten ſolte/
was man mit deinen Nahmen/ Schilde/
Schrifften und Bilde vornaͤhme. Es iſt wahr/
die Liebe zu dir wird bey vielen Leuten ausge-
tilget; aber bey was fuͤr welchen? Bey denen
die die wahre Gemuͤths-Ruhe nicht beſitzen.
Mit dieſen aber ſucht ein weiſer Mann nicht ſich
durch Liebe zu vereinigen/ ſondern hat Erbarm-
niß mit ihnen/ und dieſe hindert ihn alleine/ daß
er die ihm angethane Beſchimpffungen nicht
verlacht. Bey denen andern aber die nach der
groͤſten Gluͤckſeeligkeit nebſt ihm eyffrig ſich be-
muͤhen/ waͤchſt ſeine Ehre nur deſto mehr da-
durch/ weil die ruhige Erduldung ſolcher unver-
dienten Beſchimpffung die Gemuͤther ſolcher
Leute nur deſto kraͤfftiger an ſich ziehet/ und ſie
noch mehr mit ihm vereiniget.

104.

Nun wollen wir die Manierlichkeit/
Hoͤfflichkeit/ Artigkeit der Sitten/ Wohlanſtaͤn-
digkeit/ mit einem Worte das Decorum be-
trachten. Dieſes gleich wie es in der Nachah-
mung des Thuns derer Leute/ die in menſchli-
cher Geſellſchafft fuͤr andern hochgeachtet wer-
den beſtehet; Alſo iſt es nach denen unterſchie-
denen Arten des Thuns das man imitiret/
hauptſaͤchlich dreyerley: Denn dieſes Thun iſt
entweder Tugendhafft oder Laſterhafft
(wohin ich auch die Eitelkeit referire/ als die

un-
G 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0133" n="101"/><fw place="top" type="header">Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit des Men&#x017F;chen.</fw><lb/>
nes einigen Men&#x017F;chen unterwu&#x0364;rffig wa&#x0364;re/ oder<lb/>
wenn dasjenige dein Gemu&#x0364;hte anfechten &#x017F;olte/<lb/>
was man mit deinen Nahmen/ Schilde/<lb/>
Schrifften und Bilde vorna&#x0364;hme. Es i&#x017F;t wahr/<lb/>
die Liebe zu dir wird bey vielen Leuten ausge-<lb/>
tilget; aber bey was fu&#x0364;r welchen? Bey denen<lb/>
die die wahre Gemu&#x0364;ths-Ruhe nicht be&#x017F;itzen.<lb/>
Mit die&#x017F;en aber &#x017F;ucht ein wei&#x017F;er Mann nicht &#x017F;ich<lb/>
durch Liebe zu vereinigen/ &#x017F;ondern hat Erbarm-<lb/>
niß mit ihnen/ und die&#x017F;e hindert ihn alleine/ daß<lb/>
er die ihm angethane Be&#x017F;chimpffungen nicht<lb/>
verlacht. Bey denen andern aber die nach der<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;ten Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit neb&#x017F;t ihm eyffrig &#x017F;ich be-<lb/>
mu&#x0364;hen/ wa&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;eine Ehre nur de&#x017F;to mehr da-<lb/>
durch/ weil die ruhige Erduldung &#x017F;olcher unver-<lb/>
dienten Be&#x017F;chimpffung die Gemu&#x0364;ther &#x017F;olcher<lb/>
Leute nur de&#x017F;to kra&#x0364;fftiger an &#x017F;ich ziehet/ und &#x017F;ie<lb/>
noch mehr mit ihm vereiniget.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>104.</head>
          <p>Nun wollen wir die Manierlichkeit/<lb/>
Ho&#x0364;fflichkeit/ Artigkeit der Sitten/ Wohlan&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
digkeit/ mit einem Worte das <hi rendition="#aq">Decorum</hi> be-<lb/>
trachten. Die&#x017F;es gleich wie es in der Nachah-<lb/>
mung des Thuns derer Leute/ die in men&#x017F;chli-<lb/>
cher Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft fu&#x0364;r andern hochgeachtet wer-<lb/>
den be&#x017F;tehet; Al&#x017F;o i&#x017F;t es nach denen unter&#x017F;chie-<lb/>
denen Arten des Thuns das man <hi rendition="#aq">imiti</hi>ret/<lb/>
haupt&#x017F;a&#x0364;chlich <hi rendition="#fr">dreyerley:</hi> Denn die&#x017F;es Thun i&#x017F;t<lb/>
entweder <hi rendition="#fr">Tugendhafft</hi> oder <hi rendition="#fr">La&#x017F;terhafft</hi><lb/>
(wohin ich auch die Eitelkeit <hi rendition="#aq">referi</hi>re/ als die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 3</fw><fw place="bottom" type="catch">un-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0133] Gluͤckſeeligkeit des Menſchen. nes einigen Menſchen unterwuͤrffig waͤre/ oder wenn dasjenige dein Gemuͤhte anfechten ſolte/ was man mit deinen Nahmen/ Schilde/ Schrifften und Bilde vornaͤhme. Es iſt wahr/ die Liebe zu dir wird bey vielen Leuten ausge- tilget; aber bey was fuͤr welchen? Bey denen die die wahre Gemuͤths-Ruhe nicht beſitzen. Mit dieſen aber ſucht ein weiſer Mann nicht ſich durch Liebe zu vereinigen/ ſondern hat Erbarm- niß mit ihnen/ und dieſe hindert ihn alleine/ daß er die ihm angethane Beſchimpffungen nicht verlacht. Bey denen andern aber die nach der groͤſten Gluͤckſeeligkeit nebſt ihm eyffrig ſich be- muͤhen/ waͤchſt ſeine Ehre nur deſto mehr da- durch/ weil die ruhige Erduldung ſolcher unver- dienten Beſchimpffung die Gemuͤther ſolcher Leute nur deſto kraͤfftiger an ſich ziehet/ und ſie noch mehr mit ihm vereiniget. 104. Nun wollen wir die Manierlichkeit/ Hoͤfflichkeit/ Artigkeit der Sitten/ Wohlanſtaͤn- digkeit/ mit einem Worte das Decorum be- trachten. Dieſes gleich wie es in der Nachah- mung des Thuns derer Leute/ die in menſchli- cher Geſellſchafft fuͤr andern hochgeachtet wer- den beſtehet; Alſo iſt es nach denen unterſchie- denen Arten des Thuns das man imitiret/ hauptſaͤchlich dreyerley: Denn dieſes Thun iſt entweder Tugendhafft oder Laſterhafft (wohin ich auch die Eitelkeit referire/ als die un- G 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/133
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/133>, abgerufen am 24.11.2024.