Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Ursprung aller menschl. Glückseel.
passiren lassen/ und im Gegentheil rechtschaffene
und tugendhaffte Leute/ die nothweudig viel
Feindschafft haben müssen/ nach dem betriegli-
chen Zeugniß dieser ihrer Feinde für lasterhafft
gehalten.

21.

(2.) Haben sie sich gleicher massen in dem
Concept des Glücks oder Unglücks verstiegen/
nicht auff die Gemüths-Ruhe und derer Be-
raubung/ wie sie wohl hätten thun sollen/ sondern
auff Reichthum und Armuth/ äusserliche Ehre
oder Schande/ oder einen gewaltsamen oder
frühzeitigen Tod und langes Leben hierinnen
ihr Absehen gerichtet/ woraus denn allenthal-
ben nichts anders als ein unvernünfftige Schluß
erfolgen können; in dem/ wie es diese gantze
Sitten-Lehre weisen wird/ es ohnmöglich ist/
daß tugendhaffte Leute/ auch in dieser Welt
elende/ und lasterhaffte/ glücklich seyn kön-
ten.

22.

So ist demnach unter der Schöpffung
und unter der Erhaltung der Dinge kein an-
derer Unterscheid/ als daß jene das Werck Got-
tes ist/ durch welches er zu erst aus nichts et-
was gemacht hat; und diese ist sem Werck/
durch welches er dieses etwas wieder zu nichts
werden läst/ und einander etwas wieder an seine
Stelle setzt. Weswegen du nichts unförmli-
ches begehen würdest/ wenn du diese Erhaltung
der göttlichen Vorsehung die andere Schöpf-
fung
nennen woltest/ wiewohl wir diese Re-

dens-
J

Urſprung aller menſchl. Gluͤckſeel.
paſſiren laſſen/ und im Gegentheil rechtſchaffene
und tugendhaffte Leute/ die nothweudig viel
Feindſchafft haben muͤſſen/ nach dem betriegli-
chen Zeugniß dieſer ihrer Feinde fuͤr laſterhafft
gehalten.

21.

(2.) Haben ſie ſich gleicher maſſen in dem
Concept des Gluͤcks oder Ungluͤcks verſtiegen/
nicht auff die Gemuͤths-Ruhe und derer Be-
raubung/ wie ſie wohl haͤtten thun ſollen/ ſondern
auff Reichthum und Armuth/ aͤuſſerliche Ehre
oder Schande/ oder einen gewaltſamen oder
fruͤhzeitigen Tod und langes Leben hierinnen
ihr Abſehen gerichtet/ woraus denn allenthal-
ben nichts anders als ein unvernuͤnfftige Schluß
erfolgen koͤnnen; in dem/ wie es dieſe gantze
Sitten-Lehre weiſen wird/ es ohnmoͤglich iſt/
daß tugendhaffte Leute/ auch in dieſer Welt
elende/ und laſterhaffte/ gluͤcklich ſeyn koͤn-
ten.

22.

So iſt demnach unter der Schoͤpffung
und unter der Erhaltung der Dinge kein an-
derer Unterſcheid/ als daß jene das Werck Got-
tes iſt/ durch welches er zu erſt aus nichts et-
was gemacht hat; und dieſe iſt ſem Werck/
durch welches er dieſes etwas wieder zu nichts
werden laͤſt/ und einander etwas wieder an ſeine
Stelle ſetzt. Weswegen du nichts unfoͤrmli-
ches begehen wuͤrdeſt/ wenn du dieſe Erhaltung
der goͤttlichen Vorſehung die andere Schoͤpf-
fung
nennen wolteſt/ wiewohl wir dieſe Re-

dens-
J
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0161" n="129"/><fw place="top" type="header">Ur&#x017F;prung aller men&#x017F;chl. Glu&#x0364;ck&#x017F;eel.</fw><lb/><hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;i</hi>ren la&#x017F;&#x017F;en/ und im Gegentheil recht&#x017F;chaffene<lb/>
und tugendhaffte Leute/ die nothweudig viel<lb/>
Feind&#x017F;chafft haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ nach dem betriegli-<lb/>
chen Zeugniß die&#x017F;er ihrer Feinde fu&#x0364;r la&#x017F;terhafft<lb/>
gehalten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>21.</head>
            <p>(2.) Haben &#x017F;ie &#x017F;ich gleicher ma&#x017F;&#x017F;en in dem<lb/><hi rendition="#aq">Concept</hi> <hi rendition="#fr">des Glu&#x0364;cks</hi> oder <hi rendition="#fr">Unglu&#x0364;cks</hi> ver&#x017F;tiegen/<lb/>
nicht auff die Gemu&#x0364;ths-Ruhe und derer Be-<lb/>
raubung/ wie &#x017F;ie wohl ha&#x0364;tten thun &#x017F;ollen/ &#x017F;ondern<lb/>
auff Reichthum und Armuth/ a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche Ehre<lb/>
oder Schande/ oder einen gewalt&#x017F;amen oder<lb/>
fru&#x0364;hzeitigen Tod und langes Leben hierinnen<lb/>
ihr Ab&#x017F;ehen gerichtet/ woraus denn allenthal-<lb/>
ben nichts anders als ein unvernu&#x0364;nfftige Schluß<lb/>
erfolgen ko&#x0364;nnen; in dem/ wie es die&#x017F;e gantze<lb/>
Sitten-Lehre wei&#x017F;en wird/ es ohnmo&#x0364;glich i&#x017F;t/<lb/>
daß <hi rendition="#fr">tugendhaffte Leute/</hi> auch in die&#x017F;er Welt<lb/><hi rendition="#fr">elende/</hi> und <hi rendition="#fr">la&#x017F;terhaffte/ glu&#x0364;cklich</hi> &#x017F;eyn ko&#x0364;n-<lb/>
ten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>22.</head>
            <p>So i&#x017F;t demnach unter der <hi rendition="#fr">Scho&#x0364;pffung</hi><lb/>
und unter der <hi rendition="#fr">Erhaltung der Dinge</hi> kein an-<lb/>
derer Unter&#x017F;cheid/ als daß <hi rendition="#fr">jene</hi> das Werck Got-<lb/>
tes i&#x017F;t/ durch welches er zu er&#x017F;t aus nichts et-<lb/>
was gemacht hat; und <hi rendition="#fr">die&#x017F;e</hi> i&#x017F;t &#x017F;em Werck/<lb/>
durch welches er die&#x017F;es etwas wieder zu nichts<lb/>
werden la&#x0364;&#x017F;t/ und einander etwas wieder an &#x017F;eine<lb/>
Stelle &#x017F;etzt. Weswegen du nichts unfo&#x0364;rmli-<lb/>
ches begehen wu&#x0364;rde&#x017F;t/ wenn du die&#x017F;e Erhaltung<lb/>
der go&#x0364;ttlichen Vor&#x017F;ehung <hi rendition="#fr">die andere Scho&#x0364;pf-<lb/>
fung</hi> nennen wolte&#x017F;t/ wiewohl wir die&#x017F;e Re-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J</fw><fw place="bottom" type="catch">dens-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0161] Urſprung aller menſchl. Gluͤckſeel. paſſiren laſſen/ und im Gegentheil rechtſchaffene und tugendhaffte Leute/ die nothweudig viel Feindſchafft haben muͤſſen/ nach dem betriegli- chen Zeugniß dieſer ihrer Feinde fuͤr laſterhafft gehalten. 21. (2.) Haben ſie ſich gleicher maſſen in dem Concept des Gluͤcks oder Ungluͤcks verſtiegen/ nicht auff die Gemuͤths-Ruhe und derer Be- raubung/ wie ſie wohl haͤtten thun ſollen/ ſondern auff Reichthum und Armuth/ aͤuſſerliche Ehre oder Schande/ oder einen gewaltſamen oder fruͤhzeitigen Tod und langes Leben hierinnen ihr Abſehen gerichtet/ woraus denn allenthal- ben nichts anders als ein unvernuͤnfftige Schluß erfolgen koͤnnen; in dem/ wie es dieſe gantze Sitten-Lehre weiſen wird/ es ohnmoͤglich iſt/ daß tugendhaffte Leute/ auch in dieſer Welt elende/ und laſterhaffte/ gluͤcklich ſeyn koͤn- ten. 22. So iſt demnach unter der Schoͤpffung und unter der Erhaltung der Dinge kein an- derer Unterſcheid/ als daß jene das Werck Got- tes iſt/ durch welches er zu erſt aus nichts et- was gemacht hat; und dieſe iſt ſem Werck/ durch welches er dieſes etwas wieder zu nichts werden laͤſt/ und einander etwas wieder an ſeine Stelle ſetzt. Weswegen du nichts unfoͤrmli- ches begehen wuͤrdeſt/ wenn du dieſe Erhaltung der goͤttlichen Vorſehung die andere Schoͤpf- fung nennen wolteſt/ wiewohl wir dieſe Re- dens- J

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/161
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/161>, abgerufen am 22.11.2024.