Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.Das 5. Hauptst von der allgemeinen 35. Die Bescheidenheit ist eine Tugend/ 54. Denn ob schon der unter denen Men- Mensch
Das 5. Hauptſt von der allgemeinen 35. Die Beſcheidenheit iſt eine Tugend/ 54. Denn ob ſchon der unter denen Men- Menſch
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Das 5. Hauptſt von der allgemeinen
35. Die Beſcheidenheit iſt eine Tugend/
die den Menſchen antreibet/ daß er allen
Menſchen/ ſie mo̊gen ſeyn von was Stande
ſie wollen/ freundlich und als Menſchen/ die
in dieſen Stuͤck ſeines gleichen ſind/ bege-
gnet/ ſie gleiches Recht mit ſich genieſſen
laͤſt/ und ſich nicht mehr hinaus nimmt/
als ihme von Rechtswegen gebuͤhret.
54. Denn ob ſchon der unter denen Men-
ſchen eingefuͤhrte Unterſcheid der Staͤnde und
des Vermoͤgens/ nebſt dem Unterſcheid des
Verſtandes und Willens Urſache einer großen
Ungleichheit iſt/ ſo hebet ſie doch die Beſcheiden-
heit nicht auff/ in dem ein weiſer Mann die Un-
beſtaͤndigkeit des menſchlichen Gluͤcks be-
trachtet/ daß ein geehrter/ reicher/ geſunder und
gelehrter Mann bald geringe/ arm/ ungeſund und
ſeines Verſtandes beraubet/ und im Gegentheil
ein Menſch/ der in dieſen letzten Zuſtand lebet/
in jenen wieder verſetzt werden koͤnne/ auch der
Jrrthuͤmer und Laſterhafften Thorheiten ſich er-
innert/ die er zuvor begangen/ und in die er wie-
der gerathen kan/ hingegen aber von dem an-
dern hoffet/ er werde ſich ja ſo leichte beſſern als
er ſelbſt. Dieſe Betrachtung erwecket bey ihm
dieſe Wuͤrckung/ daß er ſich keinen Menſchen
vorziehet/ ſondern der Meynung iſt/ daß alle
Menſchen ſich ſo wohl ihres freyen Willens be-
dienen koͤnnen als er ſelbſt. Denn der Gebrauch
des freyen Willens iſt das einige/ das der
Menſch
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