Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.vernünfftigen Liebe überhaupt. diget und behauptet sehen. Es ist wahr/ die Ge-meinschafft der Güter hebet einen von denen vornehmsten Unterscheiden unter den Menschen auff/ von welchen sehr viel andere Unterscheide der Stände in menschlicher Gesellschaft dependi- ren/ nemlich den Unterscheid/ nach welchem et- liche arm/ etliche reich sind/ und würde gewiß/ wenn eine Eigenthum wäre/ niemand arm oder reich seyn/ sondern jedweder genug haben. 87. Aber wolte GOtt/ daß kein Mensch 88. Und obschon von dem Unterscheid der ein
vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt. diget und behauptet ſehen. Es iſt wahr/ die Ge-meinſchafft der Guͤter hebet einen von denen vornehmſten Unterſcheiden unter den Menſchen auff/ von welchen ſehr viel andere Unterſcheide der Staͤnde in menſchlicher Geſellſchaft dependi- ren/ nemlich den Unterſcheid/ nach welchem et- liche arm/ etliche reich ſind/ und wuͤrde gewiß/ wenn eine Eigenthum waͤre/ niemand arm oder reich ſeyn/ ſondern jedweder genug haben. 87. Aber wolte GOtt/ daß kein Menſch 88. Und obſchon von dem Unterſcheid der ein
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vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt.
diget und behauptet ſehen. Es iſt wahr/ die Ge-
meinſchafft der Guͤter hebet einen von denen
vornehmſten Unterſcheiden unter den Menſchen
auff/ von welchen ſehr viel andere Unterſcheide
der Staͤnde in menſchlicher Geſellſchaft dependi-
ren/ nemlich den Unterſcheid/ nach welchem et-
liche arm/ etliche reich ſind/ und wuͤrde gewiß/
wenn eine Eigenthum waͤre/ niemand arm oder
reich ſeyn/ ſondern jedweder genug haben.
87. Aber wolte GOtt/ daß kein Menſch
arm oder reich waͤre. Jener hat zuviel/ und
dieſer zu wenig. Beydes iſt boͤſe/ und fuͤr einen
Haupt-Mangel zu achten. Armuth und Reich-
thum iſt ja beynah die Urſache aller unter den
Menſchen entſtehenden Uneinigkeiten. Und
wenn die Gemeinſchafft der Guͤter keinen Man-
gel mehr einfuͤhret/ als daß ein jedweder genung
hat/ ſo haſtu warhafftig nichts wider dieſelbige
zu ſagen/ weil derjenige allbereit das groͤſte Theil
von der Gemuͤths-Ruhe hat/ der ſich begnuͤgen
laͤſt.
88. Und obſchon von dem Unterſcheid der
Reichen und Armen/ oder von dem unter den
Menſchen eingefuͤhrten Eigenthum ſehr viel an-
dere Staͤnde dependiren/ indem ein jedweder
dadurch angetrieben wird/ etwas in dem gemei-
nen Weſen zu erſinnen/ damit er Geld verdiene/
ſo ſind es doch insgemein ſolche Staͤnde/ dadurch
die Thorheit und Eitelkeit der Menſchen im-
mer mehr und mehr geſtaͤrcket wird/ indem
ein
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 303[299]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/331>, abgerufen am 16.06.2024. |