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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Arten der absonderlichen Liebe.
vernünfftiger und viel lieblicher ist/ als in der
Liebe von der ersten Art.

27.

Eben diese Bewandniß hat es bey der
(IV) Frage: Welche Liebe länger dauret?
Denn wenn du durch das längere dauren ver-
stehest/ welche Liebe am spätesten ihren End-
zweck und den höchsten
Grad erreiche; so
wird dir das/ was wirkurtz zuvor erwehnet/ bald
zeigen/ daß die gleiche Liebe zweyer vollkommenen
Gemüther am ersten und geschwindesten/ die un-
gleiche Liebe wegen des Mißtrauens und der
Schwachheiten des geringern Theils schon et-
was länger/ und endlich die gleiche Liebe zweyer
unvollkommener Hertzen wegen des Wechsel
Mißtrauens und des allzuveränderlichen Ver-
gnügens an spätesten hierzu gelangen.

28.

Fragest du aber/ welche Liebe immer-
mehr und mehr zu- oder doch nicht abneh-
me?
So behält allhier die Liebe zweyer voll-
kommenen Personen
die Oberhand/ weil die-
se allezeit wachsen kan. Die ungleiche Liebe
hat eben diesen Vortheil/ wenn der geringere nur
beständig den vortrefflichen gleich zu werden
trachtet; Denn es wird so dann diese in die Lie-
be zweyer gleich vollkommenen Leute verwan-
delt. Und eben dieses müssen wir auch von der
gleichen Liebe zweyer unvollkommer Leute

sagen/ wenn sie beyderseits auf dem Tugend-
Wege fortfahren/ und die ihnen noch ankleben-
den Ungleichheiten des Eigennutzes und derer

Ge-
X 4

Arten der abſonderlichen Liebe.
vernuͤnfftiger und viel lieblicher iſt/ als in der
Liebe von der erſten Art.

27.

Eben dieſe Bewandniß hat es bey der
(IV) Frage: Welche Liebe laͤnger dauret?
Denn wenn du durch das laͤngere dauren ver-
ſteheſt/ welche Liebe am ſpaͤteſten ihren End-
zweck und den hoͤchſten
Grad erreiche; ſo
wird dir das/ was wirkurtz zuvor erwehnet/ bald
zeigen/ daß die gleiche Liebe zweyer vollkommenen
Gemuͤther am erſten und geſchwindeſten/ die un-
gleiche Liebe wegen des Mißtrauens und der
Schwachheiten des geringern Theils ſchon et-
was laͤnger/ und endlich die gleiche Liebe zweyer
unvollkommener Hertzen wegen des Wechſel
Mißtrauens und des allzuveraͤnderlichen Ver-
gnuͤgens an ſpaͤteſten hierzu gelangen.

28.

Frageſt du aber/ welche Liebe immer-
mehr und mehr zu- oder doch nicht abneh-
me?
So behaͤlt allhier die Liebe zweyer voll-
kommenen Perſonen
die Oberhand/ weil die-
ſe allezeit wachſen kan. Die ungleiche Liebe
hat eben dieſen Vortheil/ wenn der geringere nur
beſtaͤndig den vortrefflichen gleich zu werden
trachtet; Denn es wird ſo dann dieſe in die Lie-
be zweyer gleich vollkommenen Leute verwan-
delt. Und eben dieſes muͤſſen wir auch von der
gleichen Liebe zweyer unvollkommer Leute

ſagen/ wenn ſie beyderſeits auf dem Tugend-
Wege fortfahren/ und die ihnen noch ankleben-
den Ungleichheiten des Eigennutzes und derer

Ge-
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[331[327]/0359] Arten der abſonderlichen Liebe. vernuͤnfftiger und viel lieblicher iſt/ als in der Liebe von der erſten Art. 27. Eben dieſe Bewandniß hat es bey der (IV) Frage: Welche Liebe laͤnger dauret? Denn wenn du durch das laͤngere dauren ver- ſteheſt/ welche Liebe am ſpaͤteſten ihren End- zweck und den hoͤchſten Grad erreiche; ſo wird dir das/ was wirkurtz zuvor erwehnet/ bald zeigen/ daß die gleiche Liebe zweyer vollkommenen Gemuͤther am erſten und geſchwindeſten/ die un- gleiche Liebe wegen des Mißtrauens und der Schwachheiten des geringern Theils ſchon et- was laͤnger/ und endlich die gleiche Liebe zweyer unvollkommener Hertzen wegen des Wechſel Mißtrauens und des allzuveraͤnderlichen Ver- gnuͤgens an ſpaͤteſten hierzu gelangen. 28. Frageſt du aber/ welche Liebe immer- mehr und mehr zu- oder doch nicht abneh- me? So behaͤlt allhier die Liebe zweyer voll- kommenen Perſonen die Oberhand/ weil die- ſe allezeit wachſen kan. Die ungleiche Liebe hat eben dieſen Vortheil/ wenn der geringere nur beſtaͤndig den vortrefflichen gleich zu werden trachtet; Denn es wird ſo dann dieſe in die Lie- be zweyer gleich vollkommenen Leute verwan- delt. Und eben dieſes muͤſſen wir auch von der gleichen Liebe zweyer unvollkommer Leute ſagen/ wenn ſie beyderſeits auf dem Tugend- Wege fortfahren/ und die ihnen noch ankleben- den Ungleichheiten des Eigennutzes und derer Ge- X 4

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 331[327]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/359>, abgerufen am 23.11.2024.