Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite
das Gute u. Böse zu erkennen überhaupt.
45.

Und gleich wie diese als das Hauptwesen
des Menschen ohnstreitig gut ist; also ist auch
die Beraubung derselbigen/ welche man Rase-
rey oder Wahnwltz nennet/ so wohl auch ihre
Verringerung oder die Thorheit/ Jrrthum/ Un-
vernunfft u. s. w. böse. Und was die Vernunfft
stärcket und erhält/ ist gut/ was sie aber schwächet
oder verringert/ ist böse.

46.

Ferner so ist vermittelst dieser seiner Ver-
nunfft der Mensche von denen andern Thieren
entschieden/ daß die Vernunfft nicht alleine das
Gute und Böse erkennen/ sondern auch aus un-
terschiedenen Guten das Böse erwehlen/ und der
äußerlichen Bewegungs-Krafft gleichsam anbe-
fehlen kan/ das Gute zu ergreiffen und für dem
Bösen zu fliehen/ oder dasselbige von sich abzu-
wenden/ da hingegentheil die unvernünfftigen
Thiere alles dessen ermangelen.

47.

Dieses Vermögen ist wiederumb gut/
und heist der Wille des Menschen/ oder seine in-
nerliche Freyheit/
und was dieselbe vermehret
und bessert ist wiederumb gut/ was sie aber ver-
ringert/ ist böse.

48.

Bisher haben wir den Menschen in An-
sehen seines eigenen Wesens Betrachtet; Nun
müssen wir auch ein wenig näher auf die Dinge/
die außer ihme sind
reflectiren/ und von derer-
selben ihre Würckung in der Natur des Men-
schen etwas reden.

49. Al-
B 2
das Gute u. Boͤſe zu erkennen uͤberhaupt.
45.

Und gleich wie dieſe als das Hauptweſen
des Menſchen ohnſtreitig gut iſt; alſo iſt auch
die Beraubung derſelbigen/ welche man Raſe-
rey oder Wahnwltz nennet/ ſo wohl auch ihre
Verringerung oder die Thorheit/ Jrrthum/ Un-
vernunfft u. ſ. w. boͤſe. Und was die Vernunfft
ſtaͤrcket und erhaͤlt/ iſt gut/ was ſie aber ſchwaͤchet
oder verringert/ iſt boͤſe.

46.

Ferner ſo iſt vermittelſt dieſer ſeiner Ver-
nunfft der Menſche von denen andern Thieren
entſchieden/ daß die Vernunfft nicht alleine das
Gute und Boͤſe erkennen/ ſondern auch aus un-
terſchiedenen Guten das Boͤſe erwehlen/ und der
aͤußerlichen Bewegungs-Krafft gleichſam anbe-
fehlen kan/ das Gute zu ergreiffen und fuͤr dem
Boͤſen zu fliehen/ oder daſſelbige von ſich abzu-
wenden/ da hingegentheil die unvernuͤnfftigen
Thiere alles deſſen ermangelen.

47.

Dieſes Vermoͤgen iſt wiederumb gut/
und heiſt der Wille des Menſchen/ oder ſeine in-
nerliche Freyheit/
und was dieſelbe vermehret
und beſſert iſt wiederumb gut/ was ſie aber ver-
ringert/ iſt boͤſe.

48.

Bisher haben wir den Menſchen in An-
ſehen ſeines eigenen Weſens Betrachtet; Nun
muͤſſen wir auch ein wenig naͤher auf die Dinge/
die außer ihme ſind
reflectiren/ und von derer-
ſelben ihre Wuͤrckung in der Natur des Men-
ſchen etwas reden.

49. Al-
B 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0051" n="19"/>
        <fw place="top" type="header">das Gute u. Bo&#x0364;&#x017F;e zu erkennen u&#x0364;berhaupt.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>45.</head>
          <p>Und gleich wie die&#x017F;e als das Hauptwe&#x017F;en<lb/>
des Men&#x017F;chen <hi rendition="#fr">ohn&#x017F;treitig gut</hi> i&#x017F;t; al&#x017F;o i&#x017F;t auch<lb/>
die <hi rendition="#fr">Beraubung der&#x017F;elbigen/</hi> welche man Ra&#x017F;e-<lb/>
rey oder Wahnwltz nennet/ &#x017F;o wohl auch ihre<lb/>
Verringerung oder die Thorheit/ Jrrthum/ Un-<lb/>
vernunfft u. &#x017F;. w. <hi rendition="#fr">bo&#x0364;&#x017F;e.</hi> Und was die Vernunfft<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rcket und erha&#x0364;lt/ i&#x017F;t <hi rendition="#fr">gut/</hi> was &#x017F;ie aber &#x017F;chwa&#x0364;chet<lb/>
oder verringert/ i&#x017F;t <hi rendition="#fr">bo&#x0364;&#x017F;e.</hi></p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>46.</head>
          <p>Ferner &#x017F;o i&#x017F;t vermittel&#x017F;t die&#x017F;er &#x017F;einer Ver-<lb/>
nunfft der Men&#x017F;che von denen andern Thieren<lb/>
ent&#x017F;chieden/ daß die Vernunfft nicht alleine das<lb/>
Gute und Bo&#x0364;&#x017F;e erkennen/ &#x017F;ondern auch aus un-<lb/>
ter&#x017F;chiedenen Guten das Bo&#x0364;&#x017F;e erwehlen/ und der<lb/>
a&#x0364;ußerlichen Bewegungs-Krafft gleich&#x017F;am anbe-<lb/>
fehlen kan/ das Gute zu ergreiffen und fu&#x0364;r dem<lb/>
Bo&#x0364;&#x017F;en zu fliehen/ oder da&#x017F;&#x017F;elbige von &#x017F;ich abzu-<lb/>
wenden/ da hingegentheil die unvernu&#x0364;nfftigen<lb/>
Thiere alles de&#x017F;&#x017F;en ermangelen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>47.</head>
          <p>Die&#x017F;es Vermo&#x0364;gen i&#x017F;t wiederumb <hi rendition="#fr">gut/</hi><lb/>
und hei&#x017F;t der <hi rendition="#fr">Wille</hi> des Men&#x017F;chen/ oder &#x017F;eine <hi rendition="#fr">in-<lb/>
nerliche Freyheit/</hi> und was die&#x017F;elbe vermehret<lb/>
und be&#x017F;&#x017F;ert i&#x017F;t wiederumb <hi rendition="#fr">gut/</hi> was &#x017F;ie aber ver-<lb/>
ringert/ i&#x017F;t <hi rendition="#fr">bo&#x0364;&#x017F;e.</hi></p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>48.</head>
          <p>Bisher haben wir den Men&#x017F;chen in An-<lb/>
&#x017F;ehen &#x017F;eines eigenen We&#x017F;ens Betrachtet; Nun<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir auch ein wenig na&#x0364;her <hi rendition="#fr">auf die Dinge/<lb/>
die außer ihme &#x017F;ind</hi> <hi rendition="#aq">reflecti</hi>ren/ und von derer-<lb/>
&#x017F;elben ihre Wu&#x0364;rckung in der Natur des Men-<lb/>
&#x017F;chen etwas reden.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">B 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">49. Al-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0051] das Gute u. Boͤſe zu erkennen uͤberhaupt. 45. Und gleich wie dieſe als das Hauptweſen des Menſchen ohnſtreitig gut iſt; alſo iſt auch die Beraubung derſelbigen/ welche man Raſe- rey oder Wahnwltz nennet/ ſo wohl auch ihre Verringerung oder die Thorheit/ Jrrthum/ Un- vernunfft u. ſ. w. boͤſe. Und was die Vernunfft ſtaͤrcket und erhaͤlt/ iſt gut/ was ſie aber ſchwaͤchet oder verringert/ iſt boͤſe. 46. Ferner ſo iſt vermittelſt dieſer ſeiner Ver- nunfft der Menſche von denen andern Thieren entſchieden/ daß die Vernunfft nicht alleine das Gute und Boͤſe erkennen/ ſondern auch aus un- terſchiedenen Guten das Boͤſe erwehlen/ und der aͤußerlichen Bewegungs-Krafft gleichſam anbe- fehlen kan/ das Gute zu ergreiffen und fuͤr dem Boͤſen zu fliehen/ oder daſſelbige von ſich abzu- wenden/ da hingegentheil die unvernuͤnfftigen Thiere alles deſſen ermangelen. 47. Dieſes Vermoͤgen iſt wiederumb gut/ und heiſt der Wille des Menſchen/ oder ſeine in- nerliche Freyheit/ und was dieſelbe vermehret und beſſert iſt wiederumb gut/ was ſie aber ver- ringert/ iſt boͤſe. 48. Bisher haben wir den Menſchen in An- ſehen ſeines eigenen Weſens Betrachtet; Nun muͤſſen wir auch ein wenig naͤher auf die Dinge/ die außer ihme ſind reflectiren/ und von derer- ſelben ihre Wuͤrckung in der Natur des Men- ſchen etwas reden. 49. Al- B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/51
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/51>, abgerufen am 24.11.2024.