Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

das Gute und Böse zu erkennen überh.
Geitziger hänget sich/ wenn man ihm seinen
Schatz nimmt; Ein Trunckenbold wird kranck/
wenn man ihm 8. Tage allen Wein entziehet.

121.

Wiederum: Einem Patienten ist eine
etliche Tage lang continuirte Ruhe/ eine
auff seine Kranckheit gerichtete Artzeney/ eine
außerordentliche Wärme gut. Einen Ge-
sunden aber macht sie faul; und ein Gesunder
verderbet sich/ wenn er offte Artzeney braucht/
und seine Zimmer so warm hält/ als wenn er
kranck wäre. Einem Jrrenden/ der noch in prae-
judiciis
steckt/ muß man durch einen ehrlichen
Betrug
gewinnen. Bey einem Weisen ist al-
ler Betrug verdächtig. Ein Wohllüstiger Gei-
tziger und Trunckenbold bessert sich/ wenn seine
Wohllust/ sein Geiz und seine Truncken-
heit abnehmen;
aber ein Keuscher Freygebi-
ger und nüchterner Mensch verschlimmert sich/
wenn er in einen dergleichen mäßigen grad
wohllüstig/ geitzig und der Trunckenheit erge-
ben wird.

122.

Mit der vorigen Eintheilung des Guten
hat folgende einige Verwandnis. Das Gute
und Böse wird entweder positive oder privati-
ve
genommen. Das ist/ das Gute bestehet
entweder in der Erlangung einer angeneh-
men Sache/ oder in der Beraubung einer
unangenehmen.
Und das Böse bestehet ent-
weder in Erhaltung einer unangenehmen/
oder in Beraubung einer angenehmen
Sache.

123. Al-

das Gute und Boͤſe zu erkennen uͤberh.
Geitziger haͤnget ſich/ wenn man ihm ſeinen
Schatz nimmt; Ein Trunckenbold wird kranck/
wenn man ihm 8. Tage allen Wein entziehet.

121.

Wiederum: Einem Patienten iſt eine
etliche Tage lang continuirte Ruhe/ eine
auff ſeine Kranckheit gerichtete Artzeney/ eine
außerordentliche Waͤrme gut. Einen Ge-
ſunden aber macht ſie faul; und ein Geſunder
verderbet ſich/ wenn er offte Artzeney braucht/
und ſeine Zimmer ſo warm haͤlt/ als wenn er
kranck waͤre. Einem Jrrenden/ der noch in præ-
judiciis
ſteckt/ muß man durch einen ehrlichen
Betrug
gewinnen. Bey einem Weiſen iſt al-
ler Betrug verdaͤchtig. Ein Wohlluͤſtiger Gei-
tziger und Trunckenbold beſſert ſich/ wenn ſeine
Wohlluſt/ ſein Geiz und ſeine Truncken-
heit abnehmen;
aber ein Keuſcher Freygebi-
ger und nuͤchterner Menſch verſchlimmert ſich/
wenn er in einen dergleichen maͤßigen grad
wohlluͤſtig/ geitzig und der Trunckenheit erge-
ben wird.

122.

Mit der vorigen Eintheilung des Guten
hat folgende einige Verwandnis. Das Gute
und Boͤſe wird entweder poſitivè oder privati-
genommen. Das iſt/ das Gute beſtehet
entweder in der Erlangung einer angeneh-
men Sache/ oder in der Beraubung einer
unangenehmen.
Und das Boͤſe beſtehet ent-
weder in Erhaltung einer unangenehmen/
oder in Beraubung einer angenehmen
Sache.

123. Al-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0077" n="45"/><fw place="top" type="header">das Gute und Bo&#x0364;&#x017F;e zu erkennen u&#x0364;berh.</fw><lb/>
Geitziger ha&#x0364;nget &#x017F;ich/ wenn man ihm &#x017F;einen<lb/>
Schatz nimmt; Ein Trunckenbold wird kranck/<lb/>
wenn man ihm 8. Tage allen Wein entziehet.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>121.</head>
          <p>Wiederum: Einem Patienten i&#x017F;t eine<lb/>
etliche Tage lang <hi rendition="#aq">continuir</hi>te <hi rendition="#fr">Ruhe/</hi> eine<lb/>
auff &#x017F;eine Kranckheit gerichtete <hi rendition="#fr">Artzeney/</hi> eine<lb/><hi rendition="#fr">außerordentliche Wa&#x0364;rme</hi> gut. Einen Ge-<lb/>
&#x017F;unden aber macht &#x017F;ie faul; und ein Ge&#x017F;under<lb/>
verderbet &#x017F;ich/ wenn er offte Artzeney braucht/<lb/>
und &#x017F;eine Zimmer &#x017F;o warm ha&#x0364;lt/ als wenn er<lb/>
kranck wa&#x0364;re. Einem Jrrenden/ der noch in <hi rendition="#aq">præ-<lb/>
judiciis</hi> &#x017F;teckt/ muß man durch einen <hi rendition="#fr">ehrlichen<lb/>
Betrug</hi> gewinnen. Bey einem Wei&#x017F;en i&#x017F;t al-<lb/>
ler Betrug verda&#x0364;chtig. Ein Wohllu&#x0364;&#x017F;tiger Gei-<lb/>
tziger und Trunckenbold be&#x017F;&#x017F;ert &#x017F;ich/ wenn <hi rendition="#fr">&#x017F;eine<lb/>
Wohllu&#x017F;t/ &#x017F;ein Geiz und &#x017F;eine Truncken-<lb/>
heit abnehmen;</hi> aber ein Keu&#x017F;cher Freygebi-<lb/>
ger und nu&#x0364;chterner Men&#x017F;ch ver&#x017F;chlimmert &#x017F;ich/<lb/>
wenn er in einen dergleichen ma&#x0364;ßigen <hi rendition="#aq">grad</hi><lb/>
wohllu&#x0364;&#x017F;tig/ geitzig und der Trunckenheit erge-<lb/>
ben wird.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>122.</head>
          <p>Mit der vorigen Eintheilung des Guten<lb/>
hat folgende einige Verwandnis. Das Gute<lb/>
und Bo&#x0364;&#x017F;e wird entweder <hi rendition="#aq">po&#x017F;itivè</hi> oder <hi rendition="#aq">privati-<lb/></hi> genommen. Das i&#x017F;t/ das <hi rendition="#fr">Gute</hi> be&#x017F;tehet<lb/>
entweder in der <hi rendition="#fr">Erlangung einer angeneh-<lb/>
men Sache/ oder in der Beraubung einer<lb/>
unangenehmen.</hi> Und das <hi rendition="#fr">Bo&#x0364;&#x017F;e</hi> be&#x017F;tehet ent-<lb/>
weder in <hi rendition="#fr">Erhaltung einer unangenehmen/<lb/>
oder in Beraubung einer angenehmen</hi> Sache.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">123. Al-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0077] das Gute und Boͤſe zu erkennen uͤberh. Geitziger haͤnget ſich/ wenn man ihm ſeinen Schatz nimmt; Ein Trunckenbold wird kranck/ wenn man ihm 8. Tage allen Wein entziehet. 121. Wiederum: Einem Patienten iſt eine etliche Tage lang continuirte Ruhe/ eine auff ſeine Kranckheit gerichtete Artzeney/ eine außerordentliche Waͤrme gut. Einen Ge- ſunden aber macht ſie faul; und ein Geſunder verderbet ſich/ wenn er offte Artzeney braucht/ und ſeine Zimmer ſo warm haͤlt/ als wenn er kranck waͤre. Einem Jrrenden/ der noch in præ- judiciis ſteckt/ muß man durch einen ehrlichen Betrug gewinnen. Bey einem Weiſen iſt al- ler Betrug verdaͤchtig. Ein Wohlluͤſtiger Gei- tziger und Trunckenbold beſſert ſich/ wenn ſeine Wohlluſt/ ſein Geiz und ſeine Truncken- heit abnehmen; aber ein Keuſcher Freygebi- ger und nuͤchterner Menſch verſchlimmert ſich/ wenn er in einen dergleichen maͤßigen grad wohlluͤſtig/ geitzig und der Trunckenheit erge- ben wird. 122. Mit der vorigen Eintheilung des Guten hat folgende einige Verwandnis. Das Gute und Boͤſe wird entweder poſitivè oder privati- vè genommen. Das iſt/ das Gute beſtehet entweder in der Erlangung einer angeneh- men Sache/ oder in der Beraubung einer unangenehmen. Und das Boͤſe beſtehet ent- weder in Erhaltung einer unangenehmen/ oder in Beraubung einer angenehmen Sache. 123. Al-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/77
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/77>, abgerufen am 26.11.2024.