Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.Vorrede. itzo davon nicht erwehnen/ daß derjenige/ sonachschreibet/ sich doppelte Müh machet/ und bey nahe des Nutzes/ denn vox viva in der in- formation hat sich beraubet. Man frage jemand/ der ein judicium hat/ und welcher zum Exempel/ einer Predigt attent zugehöret hat/ den Jnnhalt derselben/ ob er ihr nicht bes- ser wird herzu erzehlen wissen/ als der/ der die- selbe von Wort zu Wort nachzuschreiben sich angelegen seyn lassen/ wenn er nicht zuvor sein nachgeschriebenes wieder überlieset. Denn jener giebt bey seiner auffmercksamen Zuhö- rung auff die Sache selbst achtung/ dieser aber hat in währenden nachschreiben mit denen Worten gnung zu thun. So wird man auch hiernächst diesen Mißbrauch bey vielen Studie- renden antreffen/ daß man alle ohnnötige Wor- te/ und unstreitige Dinge/ die weder zu Erfor- schung einer verborgenen Warheit/ oder zu Erweisung und Herleitung derselben dienen/ (derer sich aber ein Lehrender nicht allerdings entbrechen kan) mit nieder schreibet/ oder die- jenigen die schon bey dem Autore, der erkläh- ret wird/ gedruckt seyn und für der Nasen lie- gen; da man doch nur das vornehmste auffzei- chen solte/ das Gedächtnüß zu subleviren/ und was
Vorrede. itzo davon nicht erwehnen/ daß derjenige/ ſonachſchreibet/ ſich doppelte Muͤh machet/ und bey nahe des Nutzes/ denn vox viva in der in- formation hat ſich beraubet. Man frage jemand/ der ein judicium hat/ und welcher zum Exempel/ einer Predigt attent zugehoͤret hat/ den Jnnhalt derſelben/ ob er ihr nicht beſ- ſer wird herzu erzehlen wiſſen/ als der/ der die- ſelbe von Wort zu Wort nachzuſchreiben ſich angelegen ſeyn laſſen/ wenn er nicht zuvor ſein nachgeſchriebenes wieder uͤberlieſet. Denn jener giebt bey ſeiner auffmerckſamen Zuhoͤ- rung auff die Sache ſelbſt achtung/ dieſer aber hat in waͤhrenden nachſchreiben mit denen Worten gnung zu thun. So wird man auch hiernaͤchſt dieſen Mißbrauch bey vielen Studie- renden antreffen/ daß man alle ohnnoͤtige Wor- te/ und unſtreitige Dinge/ die weder zu Erfor- ſchung einer verborgenen Warheit/ oder zu Erweiſung und Herleitung derſelben dienen/ (derer ſich aber ein Lehrender nicht allerdings entbrechen kan) mit nieder ſchreibet/ oder die- jenigen die ſchon bey dem Autore, der erklaͤh- ret wird/ gedruckt ſeyn und fuͤr der Naſen lie- gen; da man doch nur das vornehmſte auffzei- chen ſolte/ das Gedaͤchtnuͤß zu ſubleviren/ und was
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Vorrede.
itzo davon nicht erwehnen/ daß derjenige/ ſo
nachſchreibet/ ſich doppelte Muͤh machet/ und
bey nahe des Nutzes/ denn vox viva in der in-
formation hat ſich beraubet. Man frage
jemand/ der ein judicium hat/ und welcher
zum Exempel/ einer Predigt attent zugehoͤret
hat/ den Jnnhalt derſelben/ ob er ihr nicht beſ-
ſer wird herzu erzehlen wiſſen/ als der/ der die-
ſelbe von Wort zu Wort nachzuſchreiben ſich
angelegen ſeyn laſſen/ wenn er nicht zuvor ſein
nachgeſchriebenes wieder uͤberlieſet. Denn
jener giebt bey ſeiner auffmerckſamen Zuhoͤ-
rung auff die Sache ſelbſt achtung/ dieſer aber
hat in waͤhrenden nachſchreiben mit denen
Worten gnung zu thun. So wird man auch
hiernaͤchſt dieſen Mißbrauch bey vielen Studie-
renden antreffen/ daß man alle ohnnoͤtige Wor-
te/ und unſtreitige Dinge/ die weder zu Erfor-
ſchung einer verborgenen Warheit/ oder zu
Erweiſung und Herleitung derſelben dienen/
(derer ſich aber ein Lehrender nicht allerdings
entbrechen kan) mit nieder ſchreibet/ oder die-
jenigen die ſchon bey dem Autore, der erklaͤh-
ret wird/ gedruckt ſeyn und fuͤr der Naſen lie-
gen; da man doch nur das vornehmſte auffzei-
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