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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Jrrthümern und deren Ursprung.
diese obligation der Kinder würde die obliga-
tion
der erwachsenen Menschen und der El-
tern vergebens seyn/ und ihren effect nicht er-
reichen.

18. Ja weil denen Eltern die schwereste
Last auff dem Halse lieget/ ihre Kinder in die-
sem Stücke wohl auff zu erziehen; als erfor-
dert die Vernunfft/ daß wenn andere Men-
schen denen Kindern eine widrige Meinung
von Erkentniß der Warheit und des guten
imprimiren wolleu/ als die Eltern/ oder die/
an welche die Eltern die Kinder gewiesen/ ge-
than haben/ die Kinder so dann diesen letztern
mehr Glauben
beymessen sollen/ als jenen.

19. Denn in diesen zarten Jahren ist der
Verstand gantz ungeschickt das wahre oder fal-
sche von sich selbst zu entscheiden/ ausser daß
man siehet/ daß man ein Kind nicht bereden
könne daß etwas zugleich sey oder nicht sey;
daß es dieses und zugleich ein anders seyl;
daß das gantze nicht grösser sey als sein
Theil/
und was dergleichen wenige unstreiti-
ge Lehrsätze mehr seyn/ die sich bey denen Kin-
dern so bald ereignen/ als sie ihren Verstand
nur in etwasan den Tag geben können.

20. Gleichwohl ist es nöthig/ daß wier die-

se
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Jrrthuͤmern und deren Urſprung.
dieſe obligation der Kinder wuͤrde die obliga-
tion
der erwachſenen Menſchen und der El-
tern vergebens ſeyn/ und ihren effect nicht er-
reichen.

18. Ja weil denen Eltern die ſchwereſte
Laſt auff dem Halſe lieget/ ihre Kinder in die-
ſem Stuͤcke wohl auff zu erziehen; als erfor-
dert die Vernunfft/ daß wenn andere Men-
ſchen denen Kindern eine widrige Meinung
von Erkentniß der Warheit und des guten
imprimiren wolleu/ als die Eltern/ oder die/
an welche die Eltern die Kinder gewieſen/ ge-
than haben/ die Kinder ſo dann dieſen letztern
mehr Glauben
beymeſſen ſollen/ als jenen.

19. Denn in dieſen zarten Jahren iſt der
Verſtand gantz ungeſchickt das wahre oder fal-
ſche von ſich ſelbſt zu entſcheiden/ auſſer daß
man ſiehet/ daß man ein Kind nicht bereden
koͤnne daß etwas zugleich ſey oder nicht ſey;
daß es dieſes und zugleich ein anders ſeyl;
daß das gantze nicht groͤſſer ſey als ſein
Theil/
und was dergleichen wenige unſtreiti-
ge Lehrſaͤtze mehr ſeyn/ die ſich bey denen Kin-
dern ſo bald ereignen/ als ſie ihren Verſtand
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20. Gleichwohl iſt es noͤthig/ daß wier die-

ſe
T 4
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[295/0313] Jrrthuͤmern und deren Urſprung. dieſe obligation der Kinder wuͤrde die obliga- tion der erwachſenen Menſchen und der El- tern vergebens ſeyn/ und ihren effect nicht er- reichen. 18. Ja weil denen Eltern die ſchwereſte Laſt auff dem Halſe lieget/ ihre Kinder in die- ſem Stuͤcke wohl auff zu erziehen; als erfor- dert die Vernunfft/ daß wenn andere Men- ſchen denen Kindern eine widrige Meinung von Erkentniß der Warheit und des guten imprimiren wolleu/ als die Eltern/ oder die/ an welche die Eltern die Kinder gewieſen/ ge- than haben/ die Kinder ſo dann dieſen letztern mehr Glauben beymeſſen ſollen/ als jenen. 19. Denn in dieſen zarten Jahren iſt der Verſtand gantz ungeſchickt das wahre oder fal- ſche von ſich ſelbſt zu entſcheiden/ auſſer daß man ſiehet/ daß man ein Kind nicht bereden koͤnne daß etwas zugleich ſey oder nicht ſey; daß es dieſes und zugleich ein anders ſeyl; daß das gantze nicht groͤſſer ſey als ſein Theil/ und was dergleichen wenige unſtreiti- ge Lehrſaͤtze mehr ſeyn/ die ſich bey denen Kin- dern ſo bald ereignen/ als ſie ihren Verſtand nur in etwasan den Tag geben koͤnnen. 20. Gleichwohl iſt es noͤthig/ daß wier die- ſe T 4

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/313>, abgerufen am 27.11.2024.