Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

Bild:
<< vorherige Seite

Jrrthümern und deren Urspung.
bißher unbekandtes zu wissen kriegt/ treibet die
Kinder um so viel stärcker an/ vermittelst der
Sinnligkeiten etwas zu erfahren/ weil ihnen
wegen ihrer wenigen Wissenschafft nnd Er-
fahrung fast alles unbekandt und also neu
ist.

30. Wenn demnach die Kinder bey dieser
ihrer eigenen Curiosität und meditation.
diejenigen Umstände beobachteten/ die wir oben
weitläufftig erkläret/ als wir von denen ersten
und unstreitigen Warheiten gehandelt; So
würden sie auch durch dieselbige zu keinen neu-
en Jrrthümern verführet werden; dieweil sie
aber allbereit/ wie erwehnet/ durch beybrin-
gung anderer Leute mit vielen Jrrthümern ü-
berhäuffet sind/ und also der Grund ihrer
Wissenschaffe nichts tauget; so ist leichte zu er-
achten/ daß die darauff gebaute meditation
oder experienz gleichfalls vielen Jrthümern
unterworffen seyn müsse.

31. Denn weil die Begierde etwas unbe-
kandtes zu wissen bey den Kindern mit einen
starcken Trieb sich ereignet/ so läst die selbi-
ge ihnen die bey Erkentniß der Warheit höchst
nöthige/ aber eine sonderliche Gemüths-Ru-
he erfordernde attention und genaue Be-

trach-

Jrrthuͤmern und deren Urſpung.
bißher unbekandtes zu wiſſen kriegt/ treibet die
Kinder um ſo viel ſtaͤrcker an/ vermittelſt der
Sinnligkeiten etwas zu erfahren/ weil ihnen
wegen ihrer wenigen Wiſſenſchafft nnd Er-
fahrung faſt alles unbekandt und alſo neu
iſt.

30. Wenn demnach die Kinder bey dieſer
ihrer eigenen Curioſitaͤt und meditation.
diejenigen Umſtaͤnde beobachteten/ die wir oben
weitlaͤufftig erklaͤret/ als wir von denen erſten
und unſtreitigen Warheiten gehandelt; So
wuͤrden ſie auch durch dieſelbige zu keinen neu-
en Jrrthuͤmern verfuͤhret werden; dieweil ſie
aber allbereit/ wie erwehnet/ durch beybrin-
gung anderer Leute mit vielen Jrrthuͤmern uͤ-
berhaͤuffet ſind/ und alſo der Grund ihrer
Wiſſenſchaffe nichts tauget; ſo iſt leichte zu er-
achten/ daß die darauff gebaute meditation
oder experienz gleichfalls vielen Jrthuͤmern
unterworffen ſeyn muͤſſe.

31. Denn weil die Begierde etwas unbe-
kandtes zu wiſſen bey den Kindern mit einen
ſtarcken Trieb ſich ereignet/ ſo laͤſt die ſelbi-
ge ihnen die bey Erkentniß der Warheit hoͤchſt
noͤthige/ aber eine ſonderliche Gemuͤths-Ru-
he erfordernde attention und genaue Be-

trach-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0319" n="301"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Jrrthu&#x0364;mern und deren Ur&#x017F;pung.</hi></fw><lb/>
bißher unbekandtes zu wi&#x017F;&#x017F;en kriegt/ treibet die<lb/>
Kinder um &#x017F;o viel &#x017F;ta&#x0364;rcker an/ vermittel&#x017F;t der<lb/>
Sinnligkeiten etwas zu erfahren/ weil ihnen<lb/>
wegen ihrer wenigen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft nnd Er-<lb/>
fahrung fa&#x017F;t <hi rendition="#fr">alles unbekandt</hi> und al&#x017F;o neu<lb/>
i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>30. Wenn demnach die Kinder bey die&#x017F;er<lb/>
ihrer eigenen <hi rendition="#aq">Curio&#x017F;it</hi>a&#x0364;t und <hi rendition="#aq">meditation.</hi><lb/>
diejenigen Um&#x017F;ta&#x0364;nde beobachteten/ die wir oben<lb/>
weitla&#x0364;ufftig erkla&#x0364;ret/ als wir von denen er&#x017F;ten<lb/>
und un&#x017F;treitigen Warheiten gehandelt; So<lb/>
wu&#x0364;rden &#x017F;ie auch durch die&#x017F;elbige zu keinen neu-<lb/>
en Jrrthu&#x0364;mern verfu&#x0364;hret werden; dieweil &#x017F;ie<lb/>
aber allbereit/ wie erwehnet/ durch beybrin-<lb/>
gung anderer Leute mit vielen Jrrthu&#x0364;mern u&#x0364;-<lb/>
berha&#x0364;uffet &#x017F;ind/ und al&#x017F;o der <hi rendition="#fr">Grund</hi> ihrer<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaffe nichts tauget; &#x017F;o i&#x017F;t leichte zu er-<lb/>
achten/ daß die darauff <hi rendition="#fr">gebaute</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">meditation</hi></hi><lb/>
oder <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">experienz</hi></hi> gleichfalls vielen Jrthu&#x0364;mern<lb/>
unterworffen &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>31. Denn weil die <hi rendition="#fr">Begierde</hi> etwas unbe-<lb/>
kandtes zu wi&#x017F;&#x017F;en bey den Kindern mit einen<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;tarcken Trieb</hi> &#x017F;ich ereignet/ &#x017F;o la&#x0364;&#x017F;t die &#x017F;elbi-<lb/>
ge ihnen die bey Erkentniß der Warheit ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
no&#x0364;thige/ aber eine &#x017F;onderliche Gemu&#x0364;ths-Ru-<lb/>
he erfordernde <hi rendition="#aq">attention</hi> und <hi rendition="#fr">genaue Be-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">trach-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0319] Jrrthuͤmern und deren Urſpung. bißher unbekandtes zu wiſſen kriegt/ treibet die Kinder um ſo viel ſtaͤrcker an/ vermittelſt der Sinnligkeiten etwas zu erfahren/ weil ihnen wegen ihrer wenigen Wiſſenſchafft nnd Er- fahrung faſt alles unbekandt und alſo neu iſt. 30. Wenn demnach die Kinder bey dieſer ihrer eigenen Curioſitaͤt und meditation. diejenigen Umſtaͤnde beobachteten/ die wir oben weitlaͤufftig erklaͤret/ als wir von denen erſten und unſtreitigen Warheiten gehandelt; So wuͤrden ſie auch durch dieſelbige zu keinen neu- en Jrrthuͤmern verfuͤhret werden; dieweil ſie aber allbereit/ wie erwehnet/ durch beybrin- gung anderer Leute mit vielen Jrrthuͤmern uͤ- berhaͤuffet ſind/ und alſo der Grund ihrer Wiſſenſchaffe nichts tauget; ſo iſt leichte zu er- achten/ daß die darauff gebaute meditation oder experienz gleichfalls vielen Jrthuͤmern unterworffen ſeyn muͤſſe. 31. Denn weil die Begierde etwas unbe- kandtes zu wiſſen bey den Kindern mit einen ſtarcken Trieb ſich ereignet/ ſo laͤſt die ſelbi- ge ihnen die bey Erkentniß der Warheit hoͤchſt noͤthige/ aber eine ſonderliche Gemuͤths-Ru- he erfordernde attention und genaue Be- trach-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/319
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/319>, abgerufen am 27.11.2024.