Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.Vorrede. kennet/ nicht nothwendig einen absonderlichenUnterricht brauche/ irrige Meinungen zu wie- derlegen/ aber wer gleich eine oder die andere irrige Meinung erkennet/ der ist deßhalben nicht alsobald der Warheit mächtig. Denn die Warheit ist einerley/ und also die Richt- schnur/ die uns das Falsche zumeiden lehret/ aber eine Warheit kan wohl hundert ihr ent- gegen gesetzte Jrrthümer haben/ dieweil sie alle von der Warheit abführen/ uns dieselbige nicht weisen. Wer bey drey oder vier Schei- dewegen die rechte Strasse weiß/ bekümmert sich nicht/ wohin die anderen Wege leiten/ aber wer schon/ weiß daß unter vieren ein Weg nicht an den bestimmten Ort führet/ der weiß dennoch nicht alsbald/ welches unter denen übrigen dreyen der rechte Weg sey. Wer also bey der ersten Stunde/ meines Collegii, die/ wie er- meldet/ auch für Arme und die von mittlern Vermögen sind/ eingerichtet ist/ auffmercksam und fleißig seyn/ und dem/ so er gehöret zu hau- se fleißig nachdencken wird/ der wird verhof- fentlich sich damit begnügen lassen können/ und weder eines examinis, noch einer Erklährung der ander seitigen Meinung bedürffen. Gleich- wohl ist die Jugend nachläßig/ und will es sich nicht
Vorrede. kennet/ nicht nothwendig einen abſonderlichenUnterricht brauche/ irrige Meinungen zu wie- derlegen/ aber wer gleich eine oder die andere irrige Meinung erkennet/ der iſt deßhalben nicht alſobald der Warheit maͤchtig. Denn die Warheit iſt einerley/ und alſo die Richt- ſchnur/ die uns das Falſche zumeiden lehret/ aber eine Warheit kan wohl hundert ihr ent- gegen geſetzte Jrrthuͤmer haben/ dieweil ſie alle von der Warheit abfuͤhren/ uns dieſelbige nicht weiſen. Wer bey drey oder vier Schei- dewegen die rechte Straſſe weiß/ bekuͤmmert ſich nicht/ wohin die anderen Wege leiten/ aber wer ſchon/ weiß daß unter vieren ein Weg nicht an den beſtimmten Ort fuͤhret/ der weiß dennoch nicht alsbald/ welches unter denen uͤbrigen dreyen der rechte Weg ſey. Wer alſo bey der erſten Stunde/ meines Collegii, die/ wie er- meldet/ auch fuͤr Arme und die von mittlern Vermoͤgen ſind/ eingerichtet iſt/ auffmerckſam und fleißig ſeyn/ und dem/ ſo er gehoͤret zu hau- ſe fleißig nachdencken wird/ der wird verhof- fentlich ſich damit begnuͤgen laſſen koͤnnen/ und weder eines examinis, noch einer Erklaͤhrung der ander ſeitigen Meinung beduͤrffen. Gleich- wohl iſt die Jugend nachlaͤßig/ und will es ſich nicht
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Vorrede.
kennet/ nicht nothwendig einen abſonderlichen
Unterricht brauche/ irrige Meinungen zu wie-
derlegen/ aber wer gleich eine oder die andere
irrige Meinung erkennet/ der iſt deßhalben
nicht alſobald der Warheit maͤchtig. Denn
die Warheit iſt einerley/ und alſo die Richt-
ſchnur/ die uns das Falſche zumeiden lehret/
aber eine Warheit kan wohl hundert ihr ent-
gegen geſetzte Jrrthuͤmer haben/ dieweil ſie
alle von der Warheit abfuͤhren/ uns dieſelbige
nicht weiſen. Wer bey drey oder vier Schei-
dewegen die rechte Straſſe weiß/ bekuͤmmert
ſich nicht/ wohin die anderen Wege leiten/ aber
wer ſchon/ weiß daß unter vieren ein Weg nicht
an den beſtimmten Ort fuͤhret/ der weiß dennoch
nicht alsbald/ welches unter denen uͤbrigen
dreyen der rechte Weg ſey. Wer alſo bey der
erſten Stunde/ meines Collegii, die/ wie er-
meldet/ auch fuͤr Arme und die von mittlern
Vermoͤgen ſind/ eingerichtet iſt/ auffmerckſam
und fleißig ſeyn/ und dem/ ſo er gehoͤret zu hau-
ſe fleißig nachdencken wird/ der wird verhof-
fentlich ſich damit begnuͤgen laſſen koͤnnen/ und
weder eines examinis, noch einer Erklaͤhrung
der ander ſeitigen Meinung beduͤrffen. Gleich-
wohl iſt die Jugend nachlaͤßig/ und will es ſich
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