Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.VI. Handel. Von einem geitzigen Weibe, das Ihren Ehe-Mann durch eine eigennützige Ehe-Stifftung betriegen wollen, und selbsten betrogen worden. §. I. Die Umstände, durch welche die Brant den Bräutigam betrogen. DAß in Ehestifftungen gar öffters ratione successionis zwischen Braut und Bräutigam nicht eben eine grosse Gleichheit gehalten, sondern einem Ehegatten vor dem andern darinnen ein Vortheil gegönnet oder gegeben wird, ist eben nichts rares, und kan aus vielen auch vernünfftigen Ursachen geschehen, daß aber der eine Ehe-Gatte in der Ehe-Stifftung dem andern alle Ihm sonst denen Rechten nach zustehende jura benimmt, und nicht das geringste dargegen wieder verspricht, sondern sich alleine allen Vortheil und avantage so wohl bey Lebzeiten des Ehegatten, als nach dessen Tode zugeschrieben, das ist gar ein rares Exempel, und verdienet dannenhero dasselbige destomehr, daß man diese Ehestifftung, die curiosität des Lesers zu vergnügen, gantz hieher setze, wenn nur zuvorhero der Betrug dabey gemeldet worden, nach welchen die tugendsame Frau Braut den Bräutigam betrogen, damit der Leser denselben nicht für einen tummen Kerl halte, der nicht werth sey, daß man ihm helffe, weil er eine solche schädliche Ehe-Stifftung doch gleichwohl wohlbedächtig unterschrieben. Die Sache verhält sich kürtzlich also. Johannes, ein berühmter Doctor Medicinae und Practicus in einer Fürstl. Residentz gewanne nach Absterben seiner ersten Ehe-Frauen, die Ihm unterschiedene Kinder hinterlassen, eine Eheliche affection zu einer in gleichen Zustandt sich befindenden Wittbe / Frauen Annen Elisabeth, und wie er ein ehrlicher aufrichtiger Mann war, also hielte Er diese seine Braut, die zumahl Ihn sehr freundlich begegnete, und sich (als ein listiges Weib) auch bißhero für der Welt also aufgeführet hatte, auch für so ehrlich. Da nun wegen Ihrer beyder Zustandes höchstnöthig war, für Vollziehung der Ehe um eine Ehestifftung besorget zu seyn; verwilligte der Bräutigam, daß der Braut Curator eine auffetzete, damit er sehen könte, was seine Liebste praetendirte. Als aber dieser mit dem in folgenden §. befindlichen irraisonablen Wercke auffgezogen kam, und da er diese Unbilligkeit zuvorhero VI. Handel. Von einem geitzigen Weibe, das Ihren Ehe-Mann durch eine eigennützige Ehe-Stifftung betriegen wollen, und selbsten betrogen worden. §. I. Die Umstände, durch welche die Brant den Bräutigam betrogen. DAß in Ehestifftungen gar öffters ratione successionis zwischen Braut und Bräutigam nicht eben eine grosse Gleichheit gehalten, sondern einem Ehegatten vor dem andern darinnen ein Vortheil gegönnet oder gegeben wird, ist eben nichts rares, und kan aus vielen auch vernünfftigen Ursachen geschehen, daß aber der eine Ehe-Gatte in der Ehe-Stifftung dem andern alle Ihm sonst denen Rechten nach zustehende jura benimmt, und nicht das geringste dargegen wieder verspricht, sondern sich alleine allen Vortheil und avantage so wohl bey Lebzeiten des Ehegatten, als nach dessen Tode zugeschrieben, das ist gar ein rares Exempel, und verdienet dannenhero dasselbige destomehr, daß man diese Ehestifftung, die curiosität des Lesers zu vergnügen, gantz hieher setze, wenn nur zuvorhero der Betrug dabey gemeldet worden, nach welchen die tugendsame Frau Braut den Bräutigam betrogen, damit der Leser denselben nicht für einen tummen Kerl halte, der nicht werth sey, daß man ihm helffe, weil er eine solche schädliche Ehe-Stifftung doch gleichwohl wohlbedächtig unterschrieben. Die Sache verhält sich kürtzlich also. Johannes, ein berühmter Doctor Medicinae und Practicus in einer Fürstl. Residentz gewanne nach Absterben seiner ersten Ehe-Frauen, die Ihm unterschiedene Kinder hinterlassen, eine Eheliche affection zu einer in gleichen Zustandt sich befindenden Wittbe / Frauen Annen Elisabeth, und wie er ein ehrlicher aufrichtiger Mañ war, also hielte Er diese seine Braut, die zumahl Ihn sehr freundlich begegnete, und sich (als ein listiges Weib) auch bißhero für der Welt also aufgeführet hatte, auch für so ehrlich. Da nun wegen Ihrer beyder Zustandes höchstnöthig war, für Vollziehung der Ehe um eine Ehestifftung besorget zu seyn; verwilligte der Bräutigam, daß der Braut Curator eine auffetzete, damit er sehen könte, was seine Liebste praetendirte. Als aber dieser mit dem in folgenden §. befindlichen irraisonablen Wercke auffgezogen kam, und da er diese Unbilligkeit zuvorhero <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0156" n="140"/> </div> <div> <head>VI. Handel. 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Die Sache verhält sich kürtzlich also. Johannes, ein berühmter Doctor Medicinae und Practicus in einer Fürstl. Residentz gewanne nach Absterben seiner ersten Ehe-Frauen, die Ihm unterschiedene Kinder hinterlassen, eine Eheliche affection zu einer in gleichen Zustandt sich befindenden Wittbe / Frauen Annen Elisabeth, und wie er ein ehrlicher aufrichtiger Mañ war, also hielte Er diese seine Braut, die zumahl Ihn sehr freundlich begegnete, und sich (als ein listiges Weib) auch bißhero für der Welt also aufgeführet hatte, auch für so ehrlich. Da nun wegen Ihrer beyder Zustandes höchstnöthig war, für Vollziehung der Ehe um eine Ehestifftung besorget zu seyn; verwilligte der Bräutigam, daß der Braut Curator eine auffetzete, damit er sehen könte, was seine Liebste praetendirte. Als aber dieser mit dem in folgenden §. befindlichen irraisonablen Wercke auffgezogen kam, und da er diese Unbilligkeit zuvorhero </p> </div> </body> </text> </TEI> [140/0156]
VI. Handel. Von einem geitzigen Weibe, das Ihren Ehe-Mann durch eine eigennützige Ehe-Stifftung betriegen wollen, und selbsten betrogen worden.
§. I.
DAß in Ehestifftungen gar öffters ratione successionis zwischen Braut und Bräutigam nicht eben eine grosse Gleichheit gehalten, sondern einem Ehegatten vor dem andern darinnen ein Vortheil gegönnet oder gegeben wird, ist eben nichts rares, und kan aus vielen auch vernünfftigen Ursachen geschehen, daß aber der eine Ehe-Gatte in der Ehe-Stifftung dem andern alle Ihm sonst denen Rechten nach zustehende jura benimmt, und nicht das geringste dargegen wieder verspricht, sondern sich alleine allen Vortheil und avantage so wohl bey Lebzeiten des Ehegatten, als nach dessen Tode zugeschrieben, das ist gar ein rares Exempel, und verdienet dannenhero dasselbige destomehr, daß man diese Ehestifftung, die curiosität des Lesers zu vergnügen, gantz hieher setze, wenn nur zuvorhero der Betrug dabey gemeldet worden, nach welchen die tugendsame Frau Braut den Bräutigam betrogen, damit der Leser denselben nicht für einen tummen Kerl halte, der nicht werth sey, daß man ihm helffe, weil er eine solche schädliche Ehe-Stifftung doch gleichwohl wohlbedächtig unterschrieben. Die Sache verhält sich kürtzlich also. Johannes, ein berühmter Doctor Medicinae und Practicus in einer Fürstl. Residentz gewanne nach Absterben seiner ersten Ehe-Frauen, die Ihm unterschiedene Kinder hinterlassen, eine Eheliche affection zu einer in gleichen Zustandt sich befindenden Wittbe / Frauen Annen Elisabeth, und wie er ein ehrlicher aufrichtiger Mañ war, also hielte Er diese seine Braut, die zumahl Ihn sehr freundlich begegnete, und sich (als ein listiges Weib) auch bißhero für der Welt also aufgeführet hatte, auch für so ehrlich. Da nun wegen Ihrer beyder Zustandes höchstnöthig war, für Vollziehung der Ehe um eine Ehestifftung besorget zu seyn; verwilligte der Bräutigam, daß der Braut Curator eine auffetzete, damit er sehen könte, was seine Liebste praetendirte. Als aber dieser mit dem in folgenden §. befindlichen irraisonablen Wercke auffgezogen kam, und da er diese Unbilligkeit zuvorhero
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/156>, abgerufen am 16.02.2025. |