Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.Warum dieselbe so ausführlich erzehlet worden? §. II. Ach, sprichstu, ich habe dieses Histörgen oder Fabelgen schon gehöret, als ich noch ein Kind war, und hätte ich dir was klügers zugetraut, als daß du in deinen auserlesenen Juristischen Händeln mit solchen Fratzen soltest auffgezogen kommen, und zwar mit so weitläufftigen Umbständen dieselbe erzehlen. Dieses sind Possen, die ein spöttischer Müßiggänger erdacht hat, die Leute zu lachen zu machen. Denn es ist nicht möglich, daß solche Thoren in der Welt seyn können oder jemahls gewesen, die dergleichen Narren-Possen vornähmen oder vorgenommen hätten. Wenn du in deinen Juristischen Händeln an statt warhafftig geschehener Casuum solche sottisen und Eulenspiegeleyen willst zu Marckte bringen, wirstu Christlichen und gottseeligen Lehrern von allen vier Facultäten nicht verargen, wenn Sie Ihre Zuhörer oder Anhänger auch für deinen Schrifften warnen, die du in deinem hohen Alter geschrieben. Das GOtt erbarm! ist denn gar keine Besserung bey dir zu hoffen. Wäre es doch nicht Wunder, daß - - Aber halt ein Freund, und übereile dich in deiner eingebildeten Gottseeligkeit und affectirten Ernsthafftigkeit nicht. Die Haupt-Antwort auff deinen Pharisaeischen Zweiffel wirstu vielleicht in der zu diesem Theile zu seiner Zeit zu verfertigenden Vorrede lesen. Das Histörgen des vorigen §. halte ich für keine Fabel, weil es vor diesen eben solche Thoren gegeben als heute, und keine Narrheit erdacht werden kan, die nicht vor dem geschehen sey, und noch geschähe. Du weist wohl: Narravere patres &c. Daß ich aber die Thorheit dieses Histörgens mit mehrern Umbständen vorgestellet, geschahe deßwegen, weil es vergönnet ist, solches bey individuis vagis zu thun; und weil unterschiedene Umstände nicht zuliessen, daß ich dieselben bey Erzehlung einer gleichen ja noch viel grössern, und zwar von einem sehr vornehmen und mächtigen Hofmanne begangenen sottise anbrächte, sondern dem Leser die Mühe überliesse, ob er solches selbst thun, und den nun folgenden Handel mit diesem bekanten Histörgen, wie ich solches erzehlet, conferiren, und hernach decidiren wolle, welcher von beyden eine grössere Kappe verdienet. Ein neuer Handel von gleichen Gewichte.§. III. Ey, fährestu mit runzelnder und betrübter Stirne fort, das ist nicht möglich; das erdichtestu nur. Je warte doch nur ein wenig, und laß mich zu Worten kommen. Denn es gilt doch sonst auch bey denen affectirtesten Scheinheiligen die Rechts-Regul: Audiatur & altera pars, und du kanst, wenn du es mir nicht glauben wilst, dir unsern Actuatio sein protocoll weisen lassen. Kurtz von der Sache zu kommen, in Monat Januario 1694. wurde von einem, der sich Sempronius nennete, sub dato Dicasteyen den 5. Januarii diese Urtheils-Frage an unsere Facultät gesendet. Warum dieselbe so ausführlich erzehlet worden? §. II. Ach, sprichstu, ich habe dieses Histörgen oder Fabelgen schon gehöret, als ich noch ein Kind war, und hätte ich dir was klügers zugetraut, als daß du in deinen auserlesenen Juristischen Händeln mit solchen Fratzen soltest auffgezogen kommen, und zwar mit so weitläufftigen Umbständen dieselbe erzehlen. Dieses sind Possen, die ein spöttischer Müßiggänger erdacht hat, die Leute zu lachen zu machen. Denn es ist nicht möglich, daß solche Thoren in der Welt seyn können oder jemahls gewesen, die dergleichen Narren-Possen vornähmen oder vorgenommen hätten. Wenn du in deinen Juristischen Händeln an statt warhafftig geschehener Casuum solche sottisen und Eulenspiegeleyen willst zu Marckte bringen, wirstu Christlichen und gottseeligen Lehrern von allen vier Facultäten nicht verargen, wenn Sie Ihre Zuhörer oder Anhänger auch für deinen Schrifften warnen, die du in deinem hohen Alter geschrieben. Das GOtt erbarm! ist denn gar keine Besserung bey dir zu hoffen. Wäre es doch nicht Wunder, daß - - Aber halt ein Freund, und übereile dich in deiner eingebildeten Gottseeligkeit und affectirten Ernsthafftigkeit nicht. Die Haupt-Antwort auff deinen Pharisaeischen Zweiffel wirstu vielleicht in der zu diesem Theile zu seiner Zeit zu verfertigenden Vorrede lesen. Das Histörgen des vorigen §. halte ich für keine Fabel, weil es vor diesen eben solche Thoren gegeben als heute, und keine Narrheit erdacht werden kan, die nicht vor dem geschehen sey, und noch geschähe. Du weist wohl: Narravere patres &c. Daß ich aber die Thorheit dieses Histörgens mit mehrern Umbständen vorgestellet, geschahe deßwegen, weil es vergönnet ist, solches bey individuis vagis zu thun; und weil unterschiedene Umstände nicht zuliessen, daß ich dieselben bey Erzehlung einer gleichen ja noch viel grössern, und zwar von einem sehr vornehmen und mächtigen Hofmanne begangenen sottise anbrächte, sondern dem Leser die Mühe überliesse, ob er solches selbst thun, und den nun folgenden Handel mit diesem bekanten Histörgen, wie ich solches erzehlet, conferiren, und hernach decidiren wolle, welcher von beyden eine grössere Kappe verdienet. Ein neuer Handel von gleichen Gewichte.§. III. Ey, fährestu mit runzelnder und betrübter Stirne fort, das ist nicht möglich; das erdichtestu nur. Je warte doch nur ein wenig, und laß mich zu Worten kommen. Denn es gilt doch sonst auch bey denen affectirtesten Scheinheiligen die Rechts-Regul: Audiatur & altera pars, und du kanst, wenn du es mir nicht glauben wilst, dir unsern Actuatio sein protocoll weisen lassen. Kurtz von der Sache zu kommen, in Monat Januario 1694. wurde von einem, der sich Sempronius nennete, sub dato Dicasteyen den 5. Januarii diese Urtheils-Frage an unsere Facultät gesendet. <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0170" n="154"/> <note place="left">Warum dieselbe so ausführlich erzehlet worden?</note> <p>§. II. Ach, sprichstu, ich habe dieses Histörgen oder Fabelgen schon gehöret, als ich noch ein Kind war, und hätte ich dir was klügers zugetraut, als daß du in deinen auserlesenen Juristischen Händeln mit solchen Fratzen soltest auffgezogen kommen, und zwar mit so weitläufftigen Umbständen dieselbe erzehlen. Dieses sind Possen, die ein spöttischer Müßiggänger erdacht hat, die Leute zu lachen zu machen. Denn es ist nicht möglich, daß solche Thoren in der Welt seyn können oder jemahls gewesen, die dergleichen Narren-Possen vornähmen oder vorgenommen hätten. Wenn du in deinen Juristischen Händeln an statt warhafftig geschehener Casuum solche sottisen und Eulenspiegeleyen willst zu Marckte bringen, wirstu Christlichen und gottseeligen Lehrern von allen vier Facultäten nicht verargen, wenn Sie Ihre Zuhörer oder Anhänger auch für deinen Schrifften warnen, die du in deinem hohen Alter geschrieben. Das GOtt erbarm! ist denn gar keine Besserung bey dir zu hoffen. Wäre es doch nicht Wunder, daß - - Aber halt ein Freund, und übereile dich in deiner eingebildeten Gottseeligkeit und affectirten Ernsthafftigkeit nicht. Die Haupt-Antwort auff deinen Pharisaeischen Zweiffel wirstu vielleicht in der zu diesem Theile zu seiner Zeit zu verfertigenden Vorrede lesen. Das Histörgen des vorigen §. halte ich für keine Fabel, weil es vor diesen eben solche Thoren gegeben als heute, und keine Narrheit erdacht werden kan, die nicht vor dem geschehen sey, und noch geschähe. Du weist wohl: Narravere patres &c. Daß ich aber die Thorheit dieses Histörgens mit mehrern Umbständen vorgestellet, geschahe deßwegen, weil es vergönnet ist, solches bey individuis vagis zu thun; und weil unterschiedene Umstände nicht zuliessen, daß ich dieselben bey Erzehlung einer gleichen ja noch viel grössern, und zwar von einem sehr vornehmen und mächtigen Hofmanne begangenen sottise anbrächte, sondern dem Leser die Mühe überliesse, ob er solches selbst thun, und den nun folgenden Handel mit diesem bekanten Histörgen, wie ich solches erzehlet, conferiren, und hernach decidiren wolle, welcher von beyden eine grössere Kappe verdienet.</p> <note place="left">Ein neuer Handel von gleichen Gewichte.</note> <p>§. III. Ey, fährestu mit runzelnder und betrübter Stirne fort, das ist nicht möglich; das erdichtestu nur. Je warte doch nur ein wenig, und laß mich zu Worten kommen. Denn es gilt doch sonst auch bey denen affectirtesten Scheinheiligen die Rechts-Regul: Audiatur & altera pars, und du kanst, wenn du es mir nicht glauben wilst, dir unsern Actuatio sein protocoll weisen lassen. Kurtz von der Sache zu kommen, in Monat Januario 1694. wurde von einem, der sich Sempronius nennete, sub dato Dicasteyen den 5. Januarii diese Urtheils-Frage an unsere Facultät gesendet. </p> </div> </body> </text> </TEI> [154/0170]
§. II. Ach, sprichstu, ich habe dieses Histörgen oder Fabelgen schon gehöret, als ich noch ein Kind war, und hätte ich dir was klügers zugetraut, als daß du in deinen auserlesenen Juristischen Händeln mit solchen Fratzen soltest auffgezogen kommen, und zwar mit so weitläufftigen Umbständen dieselbe erzehlen. Dieses sind Possen, die ein spöttischer Müßiggänger erdacht hat, die Leute zu lachen zu machen. Denn es ist nicht möglich, daß solche Thoren in der Welt seyn können oder jemahls gewesen, die dergleichen Narren-Possen vornähmen oder vorgenommen hätten. Wenn du in deinen Juristischen Händeln an statt warhafftig geschehener Casuum solche sottisen und Eulenspiegeleyen willst zu Marckte bringen, wirstu Christlichen und gottseeligen Lehrern von allen vier Facultäten nicht verargen, wenn Sie Ihre Zuhörer oder Anhänger auch für deinen Schrifften warnen, die du in deinem hohen Alter geschrieben. Das GOtt erbarm! ist denn gar keine Besserung bey dir zu hoffen. Wäre es doch nicht Wunder, daß - - Aber halt ein Freund, und übereile dich in deiner eingebildeten Gottseeligkeit und affectirten Ernsthafftigkeit nicht. Die Haupt-Antwort auff deinen Pharisaeischen Zweiffel wirstu vielleicht in der zu diesem Theile zu seiner Zeit zu verfertigenden Vorrede lesen. Das Histörgen des vorigen §. halte ich für keine Fabel, weil es vor diesen eben solche Thoren gegeben als heute, und keine Narrheit erdacht werden kan, die nicht vor dem geschehen sey, und noch geschähe. Du weist wohl: Narravere patres &c. Daß ich aber die Thorheit dieses Histörgens mit mehrern Umbständen vorgestellet, geschahe deßwegen, weil es vergönnet ist, solches bey individuis vagis zu thun; und weil unterschiedene Umstände nicht zuliessen, daß ich dieselben bey Erzehlung einer gleichen ja noch viel grössern, und zwar von einem sehr vornehmen und mächtigen Hofmanne begangenen sottise anbrächte, sondern dem Leser die Mühe überliesse, ob er solches selbst thun, und den nun folgenden Handel mit diesem bekanten Histörgen, wie ich solches erzehlet, conferiren, und hernach decidiren wolle, welcher von beyden eine grössere Kappe verdienet.
§. III. Ey, fährestu mit runzelnder und betrübter Stirne fort, das ist nicht möglich; das erdichtestu nur. Je warte doch nur ein wenig, und laß mich zu Worten kommen. Denn es gilt doch sonst auch bey denen affectirtesten Scheinheiligen die Rechts-Regul: Audiatur & altera pars, und du kanst, wenn du es mir nicht glauben wilst, dir unsern Actuatio sein protocoll weisen lassen. Kurtz von der Sache zu kommen, in Monat Januario 1694. wurde von einem, der sich Sempronius nennete, sub dato Dicasteyen den 5. Januarii diese Urtheils-Frage an unsere Facultät gesendet.
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/170>, abgerufen am 16.02.2025. |