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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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Wie dann für die Rechtmäßigkeit meiner Defension 4) viele herrliche21. 4) Daß er andrer Gelehrten Exempel gefolget sey. Praejudicia auftreten, die Beweißthümer anführen: daß eine Menge von Gelehrten, unter angenommenen Moral-Personen, diese und jene heterodoxische, verdammte und dangereuses Theses Philosophicas & Theologicas, nebst derer Patronen und Folgern: in ihren edirten operibus ingenii, wieder rege gemachet, gelobet, verthädiget; ohne daß ihnen, oder ihren durch den Druck communicirten Arbeiten ein Processus Civilis aut Criminalis wäre an den Gürtel geworffen, oder sie wie Ketzer und Atheisten gebrandmarcket worden. Hat nicht der Autor derAls dem Autori des Entretiens &c. Entretiens sur divers sujets d' Histoire de Litterature &c. &c. sich darinnen an einem Ort: in gewisser maasse wie einen Juden verstellet? Der seine Sorge seyn lässet, das Judenthum mit den schönsten Couleuren in das Licht, das Christenthum durch einen schwartzen Pinsel in den Schatten zu versetzen. Wer wolte nun, wegen dieser unschädlichen Simulation des Autoris, da wie ein Judaeus pro tempore, er ebraiziret; den Eydschwur ablegen: daß ein inwendig verborgener und dem HertzenDem Autori des Espion Turc. obgleich nicht der Vorhaut nach, beschnittener Jude er würcklich wäre? Wer das sinnreiche Buch: Espion Turc, mit Auffmercksamkeit gelesen, wird befunden haben: daß dessen Verfasser, die Religion nebst der Morale der Türcken und Morgenländer (dann seine Paradoxa in der Welt-Weißheit will nicht berühren) ungemein gelobet und dem Christlichen Glauben in vielen Stücken praeferiret. Würden aber die Gesetze der raisonnablen Liebe, nicht mit Füssen zutreten? Wann dieser rechtschaffene Christ: weil ad interim er einen Türckischen Bund auffgesetzet, und in seinen Brieffen eines Türcken Mundstück oder Sprach-Rohr abgiebet: für einen Mammeluck und Renegado passiren solte und müste. Das unchristliche Christenthum ist eine lesenswürdige Schrifft, in welcher, des unchristlichen Christenthums / von dem Autore unter dem Moralischen Kleide eines bekehrten Chinesers, das verderbte Leben der heutigen Christen, ohne Fürhang frey und treu offenbahret wird. Wer nun, unter dem mit unächten Golde bezogenem Schein-Grund: die Schrifft wäre aus dem gottlosen Absehen entworffen, die wahre Religion ridicule und den Heyden zum Stein des Anstosses zu machen; ihn, wie einen veritablen Unchristen, aus der Christlichen Gesellschafft und Brüderschafft bannisiren wolte: würde durch dieses Beginnen, die Unklugheit vernünfftig zu schliessen; zu seiner grösten Confusion verrathen. Diejenige müßige Gemüther, welche für ein Gottgefälligesdes Julii Caesaris Vanini Werck es halten, die Register der Ketzer und Atheisten zu verfertigen: haben den Julium Caesarem Vaninum jederzeit mit dahin rangiret. In-

Wie dann für die Rechtmäßigkeit meiner Defension 4) viele herrliche21. 4) Daß er andrer Gelehrten Exempel gefolget sey. Praejudicia auftreten, die Beweißthümer anführen: daß eine Menge von Gelehrten, unter angenommenen Moral-Personen, diese und jene heterodoxische, verdammte und dangereuses Theses Philosophicas & Theologicas, nebst derer Patronen und Folgern: in ihren edirten operibus ingenii, wieder rege gemachet, gelobet, verthädiget; ohne daß ihnen, oder ihren durch den Druck communicirten Arbeiten ein Processus Civilis aut Criminalis wäre an den Gürtel geworffen, oder sie wie Ketzer und Atheisten gebrandmarcket worden. Hat nicht der Autor derAls dem Autori des Entretiens &c. Entretiens sur divers sujets d’ Histoire de Litterature &c. &c. sich darinnen an einem Ort: in gewisser maasse wie einen Juden verstellet? Der seine Sorge seyn lässet, das Judenthum mit den schönsten Couleuren in das Licht, das Christenthum durch einen schwartzen Pinsel in den Schatten zu versetzen. Wer wolte nun, wegen dieser unschädlichen Simulation des Autoris, da wie ein Judaeus pro tempore, er ebraiziret; den Eydschwur ablegen: daß ein inwendig verborgener und dem HertzenDem Autori des Espion Turc. obgleich nicht der Vorhaut nach, beschnittener Jude er würcklich wäre? Wer das sinnreiche Buch: Espion Turc, mit Auffmercksamkeit gelesen, wird befunden haben: daß dessen Verfasser, die Religion nebst der Morale der Türcken und Morgenländer (dann seine Paradoxa in der Welt-Weißheit will nicht berühren) ungemein gelobet und dem Christlichen Glauben in vielen Stücken praeferiret. Würden aber die Gesetze der raisonnablen Liebe, nicht mit Füssen zutreten? Wann dieser rechtschaffene Christ: weil ad interim er einen Türckischen Bund auffgesetzet, und in seinen Brieffen eines Türcken Mundstück oder Sprach-Rohr abgiebet: für einen Mammeluck und Renegado passiren solte und müste. Das unchristliche Christenthum ist eine lesenswürdige Schrifft, in welcher, des unchristlichen Christenthums / von dem Autore unter dem Moralischen Kleide eines bekehrten Chinesers, das verderbte Leben der heutigen Christen, ohne Fürhang frey und treu offenbahret wird. Wer nun, unter dem mit unächten Golde bezogenem Schein-Grund: die Schrifft wäre aus dem gottlosen Absehen entworffen, die wahre Religion ridicule und den Heyden zum Stein des Anstosses zu machen; ihn, wie einen veritablen Unchristen, aus der Christlichen Gesellschafft und Brüderschafft bannisiren wolte: würde durch dieses Beginnen, die Unklugheit vernünfftig zu schliessen; zu seiner grösten Confusion verrathen. Diejenige müßige Gemüther, welche für ein Gottgefälligesdes Julii Caesaris Vanini Werck es halten, die Register der Ketzer und Atheisten zu verfertigen: haben den Julium Caesarem Vaninum jederzeit mit dahin rangiret. In-

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[279/0295] Wie dann für die Rechtmäßigkeit meiner Defension 4) viele herrliche Praejudicia auftreten, die Beweißthümer anführen: daß eine Menge von Gelehrten, unter angenommenen Moral-Personen, diese und jene heterodoxische, verdammte und dangereuses Theses Philosophicas & Theologicas, nebst derer Patronen und Folgern: in ihren edirten operibus ingenii, wieder rege gemachet, gelobet, verthädiget; ohne daß ihnen, oder ihren durch den Druck communicirten Arbeiten ein Processus Civilis aut Criminalis wäre an den Gürtel geworffen, oder sie wie Ketzer und Atheisten gebrandmarcket worden. Hat nicht der Autor der Entretiens sur divers sujets d’ Histoire de Litterature &c. &c. sich darinnen an einem Ort: in gewisser maasse wie einen Juden verstellet? Der seine Sorge seyn lässet, das Judenthum mit den schönsten Couleuren in das Licht, das Christenthum durch einen schwartzen Pinsel in den Schatten zu versetzen. Wer wolte nun, wegen dieser unschädlichen Simulation des Autoris, da wie ein Judaeus pro tempore, er ebraiziret; den Eydschwur ablegen: daß ein inwendig verborgener und dem Hertzen obgleich nicht der Vorhaut nach, beschnittener Jude er würcklich wäre? Wer das sinnreiche Buch: Espion Turc, mit Auffmercksamkeit gelesen, wird befunden haben: daß dessen Verfasser, die Religion nebst der Morale der Türcken und Morgenländer (dann seine Paradoxa in der Welt-Weißheit will nicht berühren) ungemein gelobet und dem Christlichen Glauben in vielen Stücken praeferiret. Würden aber die Gesetze der raisonnablen Liebe, nicht mit Füssen zutreten? Wann dieser rechtschaffene Christ: weil ad interim er einen Türckischen Bund auffgesetzet, und in seinen Brieffen eines Türcken Mundstück oder Sprach-Rohr abgiebet: für einen Mammeluck und Renegado passiren solte und müste. Das unchristliche Christenthum ist eine lesenswürdige Schrifft, in welcher, von dem Autore unter dem Moralischen Kleide eines bekehrten Chinesers, das verderbte Leben der heutigen Christen, ohne Fürhang frey und treu offenbahret wird. Wer nun, unter dem mit unächten Golde bezogenem Schein-Grund: die Schrifft wäre aus dem gottlosen Absehen entworffen, die wahre Religion ridicule und den Heyden zum Stein des Anstosses zu machen; ihn, wie einen veritablen Unchristen, aus der Christlichen Gesellschafft und Brüderschafft bannisiren wolte: würde durch dieses Beginnen, die Unklugheit vernünfftig zu schliessen; zu seiner grösten Confusion verrathen. Diejenige müßige Gemüther, welche für ein Gottgefälliges Werck es halten, die Register der Ketzer und Atheisten zu verfertigen: haben den Julium Caesarem Vaninum jederzeit mit dahin rangiret. In- 21. 4) Daß er andrer Gelehrten Exempel gefolget sey. Als dem Autori des Entretiens &c. Dem Autori des Espion Turc. des unchristlichen Christenthums / des Julii Caesaris Vanini

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/295>, abgerufen am 22.11.2024.