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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723.

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Denn daß dieses von denen drauff folgenden Tagen und nicht von dem tempore partus zu verstehen sey, weiset nicht alleine der contextus, da der Praeceptor selbst sagt, und es wiederhohlet, daß Anna die Käse-Mutter zu sich hohlen lassen, sondern es bezeugen es auch der Köchin und Zoffe Ihre Aussage.

Vol. 1. fol. 33. b. ubi die Köchin: Frühe Morgens hätte niemand zu Ihr der Tochter gedurfft, sondern die Mutter alleine wäre bey Ihr zu und abgegangen, auffer das Gänse-Mägdgen, so bey Ihr blieben, weil der Herr und Frau gespeiset. Item die Zoffe fol. 55. a. Frühe Morgens hätte zwar niemand zur Tochter gedurfft, ob aber die Mutter bey ihr gewesen, wisse Sie nicht, das Gänse-Mägdgen wäre bey Ihr blieben, wenn Herr und Frau gespeiset.

Ob es nun gleich an dem, daß Anna nebst Ihrer Mutter POST PARTVM Ihre Schwangerschafft und Geburth heimlich gehalten, so kan doch hieraus kein indicium genommen werden, weil der Imperator bloß de celatione impraegnationis ante partum & partus ipsius redet, und dessen Verordnung tanquam poenalis odiosa auff diesen casum nicht extendiret werden kan, zumahlen auch hierbey keine ratio connexionis mit unterläufft, daß man schliessen könte: Inquisita hat nach der Geburt solche heimlich gehalten, Ergo hat Sie das Kind umbgebracht. Vielmehr ist daraus zuschliessen, daß dieses deßhalben geschehen, damit die Schande, die durch das todtgebohrne Kind nicht public worden, ferner verborgen bliebe, welches auch die Inquisitae selbst gar wahrscheinlich suppeditiren

Anna ad art. 40. Vol. 2. fol. 69. b. Weil das Kind einmahl todt gewesen, hätte Sie gemeinet, würde es nicht viel zu bedeuten haben, und die Leute würden es nicht groß mercken, daß ein Kind da gewesen wäre. Frau Maria ad artic. 39. d. Vol. 2. fol. 66. a. Ja freylich sey es darumb geschehen, daß Ihrer Tochter Schande verschwiegen bliebe

(3) So kan auch daher nicht gesagt werden, daß Anna Ihr Kind heimlich zur Welt gebracht, weil Ihre Mutter Frau Maria bey ihr gewesen

per conclus. 2. supra p. 62.

denn wolte man gleich sagen, daß der in Gegenwart der Mutter geschehener partus ebenfalls pro clandestino zu halten sey, weil die Mutter solchergestalt, und weil Sie niemand zur Geburth beruffen, selbst des infanticidii verdächtig, so könte doch dieser Einwurff gar leichte beantwortet werden, daß nirgend in Constitutione Criminali versehen, daß pro infanticidii indicio respectu aviae gehalten werden solte, wenn selbige alleine bey der Tochter Ihren partu wäre, und ist über dieses schon oben ausgeführet worden, daß in actis sonsten nicht das geringste indicium verhanden, welches mit Bestand auff die Mutter appliciret werden und Sie graviren könte: man müste denn anführen wollen, daß die Mutter deßhalben verdächtig sey, weil die Tochter verdächtig wäre, und Sie bey derselben alleine gewesen: Allein dieses ist eben itzo in quaestione, ob die Tochter verdächtig sey, und wenn demnach die Mutter nicht eher verdächtig ist, als wenn ein indicium grave auff die Tochter ge-

Denn daß dieses von denen drauff folgenden Tagen und nicht von dem tempore partus zu verstehen sey, weiset nicht alleine der contextus, da der Praeceptor selbst sagt, und es wiederhohlet, daß Anna die Käse-Mutter zu sich hohlen lassen, sondern es bezeugen es auch der Köchin und Zoffe Ihre Aussage.

Vol. 1. fol. 33. b. ubi die Köchin: Frühe Morgens hätte niemand zu Ihr der Tochter gedurfft, sondern die Mutter alleine wäre bey Ihr zu und abgegangen, auffer das Gänse-Mägdgen, so bey Ihr blieben, weil der Herr und Frau gespeiset. Item die Zoffe fol. 55. a. Frühe Morgens hätte zwar niemand zur Tochter gedurfft, ob aber die Mutter bey ihr gewesen, wisse Sie nicht, das Gänse-Mägdgen wäre bey Ihr blieben, wenn Herr und Frau gespeiset.

Ob es nun gleich an dem, daß Anna nebst Ihrer Mutter POST PARTVM Ihre Schwangerschafft und Geburth heimlich gehalten, so kan doch hieraus kein indicium genommen werden, weil der Imperator bloß de celatione impraegnationis ante partum & partus ipsius redet, und dessen Verordnung tanquam poenalis odiosa auff diesen casum nicht extendiret werden kan, zumahlen auch hierbey keine ratio connexionis mit unterläufft, daß man schliessen könte: Inquisita hat nach der Geburt solche heimlich gehalten, Ergo hat Sie das Kind umbgebracht. Vielmehr ist daraus zuschliessen, daß dieses deßhalben geschehen, damit die Schande, die durch das todtgebohrne Kind nicht public worden, ferner verborgen bliebe, welches auch die Inquisitae selbst gar wahrscheinlich suppeditiren

Anna ad art. 40. Vol. 2. fol. 69. b. Weil das Kind einmahl todt gewesen, hätte Sie gemeinet, würde es nicht viel zu bedeuten haben, und die Leute würden es nicht groß mercken, daß ein Kind da gewesen wäre. Frau Maria ad artic. 39. d. Vol. 2. fol. 66. a. Ja freylich sey es darumb geschehen, daß Ihrer Tochter Schande verschwiegen bliebe

(3) So kan auch daher nicht gesagt werden, daß Anna Ihr Kind heimlich zur Welt gebracht, weil Ihre Mutter Frau Maria bey ihr gewesen

per conclus. 2. supra p. 62.

denn wolte man gleich sagen, daß der in Gegenwart der Mutter geschehener partus ebenfalls pro clandestino zu halten sey, weil die Mutter solchergestalt, und weil Sie niemand zur Geburth beruffen, selbst des infanticidii verdächtig, so könte doch dieser Einwurff gar leichte beantwortet werden, daß nirgend in Constitutione Criminali versehen, daß pro infanticidii indicio respectu aviae gehalten werden solte, wenn selbige alleine bey der Tochter Ihren partu wäre, und ist über dieses schon oben ausgeführet worden, daß in actis sonsten nicht das geringste indicium verhanden, welches mit Bestand auff die Mutter appliciret werden und Sie graviren könte: man müste denn anführen wollen, daß die Mutter deßhalben verdächtig sey, weil die Tochter verdächtig wäre, und Sie bey derselben alleine gewesen: Allein dieses ist eben itzo in quaestione, ob die Tochter verdächtig sey, und wenn demnach die Mutter nicht eher verdächtig ist, als wenn ein indicium grave auff die Tochter ge-

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        <l>Frau Maria ad artic. 39. d. Vol. 2. fol. 66. a. Ja freylich sey es darumb                      geschehen, daß Ihrer Tochter Schande verschwiegen bliebe</l>
        <p>(3) So kan auch daher nicht gesagt werden, daß Anna Ihr Kind heimlich zur Welt                      gebracht, weil Ihre Mutter Frau Maria bey ihr gewesen</p>
        <l>per conclus. 2. supra p. 62.</l>
        <p>denn wolte man gleich sagen, daß der in Gegenwart der Mutter geschehener partus                      ebenfalls pro clandestino zu halten sey, weil die Mutter solchergestalt, und                      weil Sie niemand zur Geburth beruffen, selbst des infanticidii verdächtig, so                      könte doch dieser Einwurff gar leichte beantwortet werden, daß nirgend in                      Constitutione Criminali versehen, daß pro infanticidii indicio respectu aviae                      gehalten werden solte, wenn selbige alleine bey der Tochter Ihren partu wäre,                      und ist über dieses schon oben ausgeführet worden, daß in actis sonsten nicht                      das geringste indicium verhanden, welches mit Bestand auff die Mutter appliciret                      werden und Sie graviren könte: man müste denn anführen wollen, daß die Mutter                      deßhalben verdächtig sey, weil die Tochter verdächtig wäre, und Sie bey                      derselben alleine gewesen: Allein dieses ist eben itzo in quaestione, ob die                      Tochter verdächtig sey, und wenn demnach die Mutter nicht eher verdächtig ist,                      als wenn ein indicium grave auff die Tochter ge-
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[67/0083] Denn daß dieses von denen drauff folgenden Tagen und nicht von dem tempore partus zu verstehen sey, weiset nicht alleine der contextus, da der Praeceptor selbst sagt, und es wiederhohlet, daß Anna die Käse-Mutter zu sich hohlen lassen, sondern es bezeugen es auch der Köchin und Zoffe Ihre Aussage. Vol. 1. fol. 33. b. ubi die Köchin: Frühe Morgens hätte niemand zu Ihr der Tochter gedurfft, sondern die Mutter alleine wäre bey Ihr zu und abgegangen, auffer das Gänse-Mägdgen, so bey Ihr blieben, weil der Herr und Frau gespeiset. Item die Zoffe fol. 55. a. Frühe Morgens hätte zwar niemand zur Tochter gedurfft, ob aber die Mutter bey ihr gewesen, wisse Sie nicht, das Gänse-Mägdgen wäre bey Ihr blieben, wenn Herr und Frau gespeiset. Ob es nun gleich an dem, daß Anna nebst Ihrer Mutter POST PARTVM Ihre Schwangerschafft und Geburth heimlich gehalten, so kan doch hieraus kein indicium genommen werden, weil der Imperator bloß de celatione impraegnationis ante partum & partus ipsius redet, und dessen Verordnung tanquam poenalis odiosa auff diesen casum nicht extendiret werden kan, zumahlen auch hierbey keine ratio connexionis mit unterläufft, daß man schliessen könte: Inquisita hat nach der Geburt solche heimlich gehalten, Ergo hat Sie das Kind umbgebracht. Vielmehr ist daraus zuschliessen, daß dieses deßhalben geschehen, damit die Schande, die durch das todtgebohrne Kind nicht public worden, ferner verborgen bliebe, welches auch die Inquisitae selbst gar wahrscheinlich suppeditiren Anna ad art. 40. Vol. 2. fol. 69. b. Weil das Kind einmahl todt gewesen, hätte Sie gemeinet, würde es nicht viel zu bedeuten haben, und die Leute würden es nicht groß mercken, daß ein Kind da gewesen wäre. Frau Maria ad artic. 39. d. Vol. 2. fol. 66. a. Ja freylich sey es darumb geschehen, daß Ihrer Tochter Schande verschwiegen bliebe (3) So kan auch daher nicht gesagt werden, daß Anna Ihr Kind heimlich zur Welt gebracht, weil Ihre Mutter Frau Maria bey ihr gewesen per conclus. 2. supra p. 62. denn wolte man gleich sagen, daß der in Gegenwart der Mutter geschehener partus ebenfalls pro clandestino zu halten sey, weil die Mutter solchergestalt, und weil Sie niemand zur Geburth beruffen, selbst des infanticidii verdächtig, so könte doch dieser Einwurff gar leichte beantwortet werden, daß nirgend in Constitutione Criminali versehen, daß pro infanticidii indicio respectu aviae gehalten werden solte, wenn selbige alleine bey der Tochter Ihren partu wäre, und ist über dieses schon oben ausgeführet worden, daß in actis sonsten nicht das geringste indicium verhanden, welches mit Bestand auff die Mutter appliciret werden und Sie graviren könte: man müste denn anführen wollen, daß die Mutter deßhalben verdächtig sey, weil die Tochter verdächtig wäre, und Sie bey derselben alleine gewesen: Allein dieses ist eben itzo in quaestione, ob die Tochter verdächtig sey, und wenn demnach die Mutter nicht eher verdächtig ist, als wenn ein indicium grave auff die Tochter ge-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Erster Theil. Halle, 1723, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte01_1723/83>, abgerufen am 23.11.2024.