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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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den, daß (1) das Christophen imputirte crimen nicht pro rapina oder vi publica, sondern pro delicto leviori zu halten, (2) wenn es gleich rapina oder vis publica wäre, dennoch das corpus delicti annoch ermangelte, (3) der Schüler als Denuncianten in causa propria, und die nicht wenige Vermuthung bey dieser Sache wieder sich haben, ihre Aussage pro testimonio fide digno nicht zu achten, (4) Buchners Zeugniß aber entweder Inquisiten wenig graviret, oder doch nur pro testimonio testis unici super indicio aliquo non super delicto ipso zu halten, (5) wie ingleichen Georgens letzte Aussage per suggessionem des Thalvoigts entstanden, in vielen Stücken Christophen zu statten komme, im übrigen aber mit Buchners, des Zeugen Aussage nicht übereinstimme, und (6) per negligentiam des Thalvoigts, daß er die Principal-Person bey diesem Handel nicht arrestiren lassen, Christophen nichts praejudiciret werden könne; Als hoffet man, die neuen Herren Urtheilfasser werden Inquisiten mit Zuerkänntniß der tortur verschonen, und entweder gäntzlich absolviren, oder doch zum wenigsten mit einer linderen Sentenz ansehen; und bittet, daferne über verhoffen noch keine sententia definitiva erfolgen solte; zugleich hierüber mit zu erkennen: Ob nicht Inquisit, der sein bißgen Brodt für sein Weib und Kind in der Halle mit Handarbeit kümmerlich suchen muß, und wegen der langwierigen Gefängniß in die äusserste Armuth gerathen, gestalten Sachen nach gegen einer gemäßigten caution der Hafft zu erlassen?

§. XIIX. Es kan aber auch vielleicht dieses die Haupt-Ursache gewesenAllerhand wiedrige Urtheile von derselben. seyn, warum man die defension nicht wieder zurücke gegeben, weil man dieselbige für so ungeschickt gehalten, daß darauf unmöglich für Christophen eine gelindere Sentenz würde erfolgen können, und mithin die gesammten Halleute mir aufden Halß würden gehetzt werden können. Denn es fanden sich etliche Tage nach der übergebenen und angenommenen defension die ehemahls von der Brüderschafft der Halleute an mich geschickte Deputirte wieder bey mir ein, und querulirten, daß Sie von vielen vornehmen Leuten wären gewarnet worden, daß die übergebene defension so nicht beschaffen wäre, daß Christoph sich eines gelinderen Urtheils würde zu getrösten haben, und fragten gar beweglich bey mir an, wie sie sich hierinnen zu verhalten hätten. Ich konte ihnen hierauf keine andere Antwort ertheilen; als, sie müsten die vornehmen Leute reden lassen, und inzwischen vorher das neue Urtheil erwarten. Ja ich wurde sonsten von vertrauter Hand berichtet, wie gedachte von mir verfertigte defension in consessu illustris Regiminis von etlichen Herren Räthen wäre examiniret und absonderlich daran getadelt worden, daß so wenig Latein, id est, so wenig allegata legum & doctorum darinnen anzutreffen wären, daß man sich billig verwundern müste, daß ich von meiner Erfah

den, daß (1) das Christophen imputirte crimen nicht pro rapina oder vi publica, sondern pro delicto leviori zu halten, (2) wenn es gleich rapina oder vis publica wäre, dennoch das corpus delicti annoch ermangelte, (3) der Schüler als Denuncianten in causa propria, und die nicht wenige Vermuthung bey dieser Sache wieder sich haben, ihre Aussage pro testimonio fide digno nicht zu achten, (4) Buchners Zeugniß aber entweder Inquisiten wenig graviret, oder doch nur pro testimonio testis unici super indicio aliquo non super delicto ipso zu halten, (5) wie ingleichen Georgens letzte Aussage per suggessionem des Thalvoigts entstanden, in vielen Stücken Christophen zu statten komme, im übrigen aber mit Buchners, des Zeugen Aussage nicht übereinstimme, und (6) per negligentiam des Thalvoigts, daß er die Principal-Person bey diesem Handel nicht arrestiren lassen, Christophen nichts praejudiciret werden könne; Als hoffet man, die neuen Herren Urtheilfasser werden Inquisiten mit Zuerkänntniß der tortur verschonen, und entweder gäntzlich absolviren, oder doch zum wenigsten mit einer linderen Sentenz ansehen; und bittet, daferne über verhoffen noch keine sententia definitiva erfolgen solte; zugleich hierüber mit zu erkennen: Ob nicht Inquisit, der sein bißgen Brodt für sein Weib und Kind in der Halle mit Handarbeit kümmerlich suchen muß, und wegen der langwierigen Gefängniß in die äusserste Armuth gerathen, gestalten Sachen nach gegen einer gemäßigten caution der Hafft zu erlassen?

§. XIIX. Es kan aber auch vielleicht dieses die Haupt-Ursache gewesenAllerhand wiedrige Urtheile von derselben. seyn, warum man die defension nicht wieder zurücke gegeben, weil man dieselbige für so ungeschickt gehalten, daß darauf unmöglich für Christophen eine gelindere Sentenz würde erfolgen können, und mithin die gesammten Halleute mir aufden Halß würden gehetzt werden können. Denn es fanden sich etliche Tage nach der übergebenen und angenommenen defension die ehemahls von der Brüderschafft der Halleute an mich geschickte Deputirte wieder bey mir ein, und querulirten, daß Sie von vielen vornehmen Leuten wären gewarnet worden, daß die übergebene defension so nicht beschaffen wäre, daß Christoph sich eines gelinderen Urtheils würde zu getrösten haben, und fragten gar beweglich bey mir an, wie sie sich hierinnen zu verhalten hätten. Ich konte ihnen hierauf keine andere Antwort ertheilen; als, sie müsten die vornehmen Leute reden lassen, und inzwischen vorher das neue Urtheil erwarten. Ja ich wurde sonsten von vertrauter Hand berichtet, wie gedachte von mir verfertigte defension in consessu illustris Regiminis von etlichen Herren Räthen wäre examiniret und absonderlich daran getadelt worden, daß so wenig Latein, id est, so wenig allegata legum & doctorum darinnen anzutreffen wären, daß man sich billig verwundern müste, daß ich von meiner Erfah

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[93/0101] den, daß (1) das Christophen imputirte crimen nicht pro rapina oder vi publica, sondern pro delicto leviori zu halten, (2) wenn es gleich rapina oder vis publica wäre, dennoch das corpus delicti annoch ermangelte, (3) der Schüler als Denuncianten in causa propria, und die nicht wenige Vermuthung bey dieser Sache wieder sich haben, ihre Aussage pro testimonio fide digno nicht zu achten, (4) Buchners Zeugniß aber entweder Inquisiten wenig graviret, oder doch nur pro testimonio testis unici super indicio aliquo non super delicto ipso zu halten, (5) wie ingleichen Georgens letzte Aussage per suggessionem des Thalvoigts entstanden, in vielen Stücken Christophen zu statten komme, im übrigen aber mit Buchners, des Zeugen Aussage nicht übereinstimme, und (6) per negligentiam des Thalvoigts, daß er die Principal-Person bey diesem Handel nicht arrestiren lassen, Christophen nichts praejudiciret werden könne; Als hoffet man, die neuen Herren Urtheilfasser werden Inquisiten mit Zuerkänntniß der tortur verschonen, und entweder gäntzlich absolviren, oder doch zum wenigsten mit einer linderen Sentenz ansehen; und bittet, daferne über verhoffen noch keine sententia definitiva erfolgen solte; zugleich hierüber mit zu erkennen: Ob nicht Inquisit, der sein bißgen Brodt für sein Weib und Kind in der Halle mit Handarbeit kümmerlich suchen muß, und wegen der langwierigen Gefängniß in die äusserste Armuth gerathen, gestalten Sachen nach gegen einer gemäßigten caution der Hafft zu erlassen? §. XIIX. Es kan aber auch vielleicht dieses die Haupt-Ursache gewesen seyn, warum man die defension nicht wieder zurücke gegeben, weil man dieselbige für so ungeschickt gehalten, daß darauf unmöglich für Christophen eine gelindere Sentenz würde erfolgen können, und mithin die gesammten Halleute mir aufden Halß würden gehetzt werden können. Denn es fanden sich etliche Tage nach der übergebenen und angenommenen defension die ehemahls von der Brüderschafft der Halleute an mich geschickte Deputirte wieder bey mir ein, und querulirten, daß Sie von vielen vornehmen Leuten wären gewarnet worden, daß die übergebene defension so nicht beschaffen wäre, daß Christoph sich eines gelinderen Urtheils würde zu getrösten haben, und fragten gar beweglich bey mir an, wie sie sich hierinnen zu verhalten hätten. Ich konte ihnen hierauf keine andere Antwort ertheilen; als, sie müsten die vornehmen Leute reden lassen, und inzwischen vorher das neue Urtheil erwarten. Ja ich wurde sonsten von vertrauter Hand berichtet, wie gedachte von mir verfertigte defension in consessu illustris Regiminis von etlichen Herren Räthen wäre examiniret und absonderlich daran getadelt worden, daß so wenig Latein, id est, so wenig allegata legum & doctorum darinnen anzutreffen wären, daß man sich billig verwundern müste, daß ich von meiner Erfah Allerhand wiedrige Urtheile von derselben.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/101>, abgerufen am 28.11.2024.