Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.V. Handel. Von denen Kennzeichen und Vorsichtigkeit eines politischen Artztes / der etwan zur Verkürtzung der langwierigen Processe nützlich zu gebrauchen. §. I. ICh bin gesonnen, dasjenige, so von der Beschaffenheit eines Gelehrten,Die Ursachen / warum gegenwärtige Arbeit vergeblich zuseyn scheinet. dessen Raths man sich wegen der langweiligen Verwaltung der Justiz etwa bedienen wolte, zu anderer Zeit a) mit wenigem erinnert worden, weitläufftiger auszuführen und zu beweisen. Wobey uns gleich Anfangs dieser Zweiffel vorfället, ob eine so grosse Gelehrsamkeit, dergleichen damahls angezeuget worden, bey dem Rathgeber, ingleichen ob so vieler Weitläufftigkeit, als ich eben daselbst gedacht, in den Rathschlägen selbst von nöthen sey, und ob nicht vielmehr ein jeder vernünfftiger Mensch, der nur einen mittelmäßigen gesunden Verstand und Judicium besitzet, wenn er alle Umwege derer Processe gleichsam mita) de emend admin justit: difficult. §. ult. einem Hieb abschneidet, und sonst nichts, als was alleine zur Wahrheit einer geschehenen Sache gehöret, zuläßt, weit geschickter sey, die längst gewünschte Verkürtzung derer bißhero in Teutschland üblichen Processe in Stand zubringen. Denn dieses ist nicht zu leugnen, daß die verdrießlichen Processe durch die Gelehrten in Teutschland eingeführet, und daß durch eben dieselben, und durch die von ihnen bißhero vergeblich versuchte Hülffs-Mittel dieses Ubel allenthalben mehr und mehr zugenommen: So könne auch entweder mit Salomonis Exempel, oder, wenn man sich sonst einen Handel von einer Personal- oder Real-Klage vorstellete, deutlich gewiesen werden, daß auch Streit-Händel, so schwer zu beweisen sind, wenn nur ein redlicher Richter den Proceß nach seinen Gutdüncken führen dürffe, oder wenn die Partheyen selbst eine geschwinde Entscheidung ihres Streits eyfrig suchten, in sehr kurtzer Zeit, und ordentlich in einer Monats-Frist könne zu Ende gebracht werden. Jedoch glauben wir nicht, daß dieses alles unserm Zweiffel einige Gewißheit geben solte, ob ich gleich befinde, daß dergleichen Ursachen einen weiland hochberühmten Juristen und fast gemeinen Lehrer von gantz Teutschland bewogen, von diesem Vornehmen also zuschreiben. b) Daß mehr Hoffnung übrig sey, wenn im Rech V. Handel. Von denen Kennzeichen und Vorsichtigkeit eines politischen Artztes / der etwan zur Verkürtzung der langwierigen Processe nützlich zu gebrauchen. §. I. ICh bin gesonnen, dasjenige, so von der Beschaffenheit eines Gelehrten,Die Ursachen / warum gegenwärtige Arbeit vergeblich zuseyn scheinet. dessen Raths man sich wegen der langweiligen Verwaltung der Justiz etwa bedienen wolte, zu anderer Zeit a) mit wenigem erinnert worden, weitläufftiger auszuführen und zu beweisen. Wobey uns gleich Anfangs dieser Zweiffel vorfället, ob eine so grosse Gelehrsamkeit, dergleichen damahls angezeuget worden, bey dem Rathgeber, ingleichen ob so vieler Weitläufftigkeit, als ich eben daselbst gedacht, in den Rathschlägen selbst von nöthen sey, und ob nicht vielmehr ein jeder vernünfftiger Mensch, der nur einen mittelmäßigen gesunden Verstand und Judicium besitzet, wenn er alle Umwege derer Processe gleichsam mita) de emend admin justit: difficult. §. ult. einem Hieb abschneidet, und sonst nichts, als was alleine zur Wahrheit einer geschehenen Sache gehöret, zuläßt, weit geschickter sey, die längst gewünschte Verkürtzung derer bißhero in Teutschland üblichen Processe in Stand zubringen. Denn dieses ist nicht zu leugnen, daß die verdrießlichen Processe durch die Gelehrten in Teutschland eingeführet, und daß durch eben dieselben, und durch die von ihnen bißhero vergeblich versuchte Hülffs-Mittel dieses Ubel allenthalben mehr und mehr zugenommen: So könne auch entweder mit Salomonis Exempel, oder, wenn man sich sonst einen Handel von einer Personal- oder Real-Klage vorstellete, deutlich gewiesen werden, daß auch Streit-Händel, so schwer zu beweisen sind, wenn nur ein redlicher Richter den Proceß nach seinen Gutdüncken führen dürffe, oder wenn die Partheyen selbst eine geschwinde Entscheidung ihres Streits eyfrig suchten, in sehr kurtzer Zeit, und ordentlich in einer Monats-Frist könne zu Ende gebracht werden. Jedoch glauben wir nicht, daß dieses alles unserm Zweiffel einige Gewißheit geben solte, ob ich gleich befinde, daß dergleichen Ursachen einen weiland hochberühmten Juristen und fast gemeinen Lehrer von gantz Teutschland bewogen, von diesem Vornehmen also zuschreiben. b) Daß mehr Hoffnung übrig sey, wenn im Rech <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0169" n="161"/> </div> <div> <head>V. Handel. Von denen Kennzeichen und Vorsichtigkeit eines politischen Artztes / der etwan zur Verkürtzung der langwierigen Processe nützlich zu gebrauchen.</head><lb/> </div> <div> <head>§. I.</head><lb/> <p>ICh bin gesonnen, dasjenige, so von der Beschaffenheit eines Gelehrten,<note place="right">Die Ursachen / warum gegenwärtige Arbeit vergeblich zuseyn scheinet.</note> dessen Raths man sich wegen der langweiligen Verwaltung der Justiz etwa bedienen wolte, zu anderer Zeit a) mit wenigem erinnert worden, weitläufftiger auszuführen und zu beweisen. 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Denn dieses ist nicht zu leugnen, daß die verdrießlichen Processe durch die Gelehrten in Teutschland eingeführet, und daß durch eben dieselben, und durch die von ihnen bißhero vergeblich versuchte Hülffs-Mittel dieses Ubel allenthalben mehr und mehr zugenommen: So könne auch entweder mit Salomonis Exempel, oder, wenn man sich sonst einen Handel von einer Personal- oder Real-Klage vorstellete, deutlich gewiesen werden, daß auch Streit-Händel, so schwer zu beweisen sind, wenn nur ein redlicher Richter den Proceß nach seinen Gutdüncken führen dürffe, oder wenn die Partheyen selbst eine geschwinde Entscheidung ihres Streits eyfrig suchten, in sehr kurtzer Zeit, und ordentlich in einer Monats-Frist könne zu Ende gebracht werden. Jedoch glauben wir nicht, daß dieses alles unserm Zweiffel einige Gewißheit geben solte, ob ich gleich befinde, daß dergleichen Ursachen einen weiland hochberühmten Juristen und fast gemeinen Lehrer von gantz Teutschland bewogen, von diesem Vornehmen also zuschreiben. b) Daß mehr Hoffnung übrig sey, wenn im Rech </p> </div> </body> </text> </TEI> [161/0169]
V. Handel. Von denen Kennzeichen und Vorsichtigkeit eines politischen Artztes / der etwan zur Verkürtzung der langwierigen Processe nützlich zu gebrauchen.
§. I.
ICh bin gesonnen, dasjenige, so von der Beschaffenheit eines Gelehrten, dessen Raths man sich wegen der langweiligen Verwaltung der Justiz etwa bedienen wolte, zu anderer Zeit a) mit wenigem erinnert worden, weitläufftiger auszuführen und zu beweisen. Wobey uns gleich Anfangs dieser Zweiffel vorfället, ob eine so grosse Gelehrsamkeit, dergleichen damahls angezeuget worden, bey dem Rathgeber, ingleichen ob so vieler Weitläufftigkeit, als ich eben daselbst gedacht, in den Rathschlägen selbst von nöthen sey, und ob nicht vielmehr ein jeder vernünfftiger Mensch, der nur einen mittelmäßigen gesunden Verstand und Judicium besitzet, wenn er alle Umwege derer Processe gleichsam mit einem Hieb abschneidet, und sonst nichts, als was alleine zur Wahrheit einer geschehenen Sache gehöret, zuläßt, weit geschickter sey, die längst gewünschte Verkürtzung derer bißhero in Teutschland üblichen Processe in Stand zubringen. Denn dieses ist nicht zu leugnen, daß die verdrießlichen Processe durch die Gelehrten in Teutschland eingeführet, und daß durch eben dieselben, und durch die von ihnen bißhero vergeblich versuchte Hülffs-Mittel dieses Ubel allenthalben mehr und mehr zugenommen: So könne auch entweder mit Salomonis Exempel, oder, wenn man sich sonst einen Handel von einer Personal- oder Real-Klage vorstellete, deutlich gewiesen werden, daß auch Streit-Händel, so schwer zu beweisen sind, wenn nur ein redlicher Richter den Proceß nach seinen Gutdüncken führen dürffe, oder wenn die Partheyen selbst eine geschwinde Entscheidung ihres Streits eyfrig suchten, in sehr kurtzer Zeit, und ordentlich in einer Monats-Frist könne zu Ende gebracht werden. Jedoch glauben wir nicht, daß dieses alles unserm Zweiffel einige Gewißheit geben solte, ob ich gleich befinde, daß dergleichen Ursachen einen weiland hochberühmten Juristen und fast gemeinen Lehrer von gantz Teutschland bewogen, von diesem Vornehmen also zuschreiben. b) Daß mehr Hoffnung übrig sey, wenn im Rech
Die Ursachen / warum gegenwärtige Arbeit vergeblich zuseyn scheinet.
a) de emend admin justit: difficult. §. ult.
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/169>, abgerufen am 16.07.2024. |