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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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die Gewalt u. Gerechtsame derer Stände, solche Rechte oder Gewohnheiten und Proceß-Ordnungen, die von denen gemeinen, durch Reichs-Abschiede bekräfftigten, Rechten und von denen Cammer- und Hof-Gerichts-Ordnungen, wie Himmel und Erde unterschieden sind, in ihren Landen einzuführen oder zu behalten; die Macht und die Gültigkeit der Landstände und deren Stimme, so fern sie zu Einführung eines neuen Rechts in denen Landen derer Reichs-Stände nöthig sind oder nicht, nicht wohl bekannt sind. Daß aber solches nöthig sey, wird ein jeglicher leicht erkennen, welcher wahrgenommen oder wahrnehmen wird, daß solches auf denen Catholischen Academien entweder gar nicht oder doch irrig gelehret wird, auf denen meisten Protestantischen Universitäten aber die Standes-Personen und adeliche Jugend so wohl, als die meisten bürgerlichen Studiosi, ob sie gleich mit der Zeit in Städten oder bey grossen Herren Räthe zu werden gedencken, das Studium des Staats Rechts zur lincken Hand liegen lassen, und es also kein Wunder sey, daß sie hernach als Räthe auch solche Rathschläge von der Verbesserung der Justiz geben, die emweder gar nichts taugen, oder wenn sie auch sonst an sich selbst sehr gut wären, sich doch gar nicht auf den Zustand des Regiments reimen. Uber dieses muß auch unser Artzt die Macht seines Principals wohl in Betrachtung ziehen. Denn ob wohl Recht und Macht sehr unterschieden sind, so ist doch gewiß, daß gleich wie Macht ohne Recht eine Rauberey, also Recht ohne Macht ein unkräfftiges Recht sey. So erinnert auch der Apostel, daß nicht alles / was wir Macht zu thun haben, auch nützlich sey. Wir werden an seinem Orte erweisen, daß der vornehmste Ursprung der Verzögerung der Justiz das Jus Canonicum sey; das werden aber die Catholischen Juristen langsam erkennen, dahero auch in Ansehung ihrer vorietzo keine nachdrückliche Ausmertzung dieses Ubels in denen höchsten Reichs-Gerichten zu hoffen; vielmehr ist zu befürchten, daß die Anbeter des Canonischen Rechts alle Mühe anwenden werden, daß wenn die vor denen Ständen, so die vom Canonischen Recht verursachte Verlängerung verbessern wollen, geführte Acta in Form einer Appellation an diese höchsten Gerichte kommen, sie die Abschiede erster Instantz nach dem Canonischen Recht ändern, wenn nicht diese Reichs-Stände mächtiger sind, oder das Recht haben, daß von ihnen nicht kan appelliret werden, u. s. w.

Antwort auf den Einwurf

§. XVIII. Ich kan aber leicht zuvor sehen, daß diejenigen, welche davor halten, die Verbesserung und Verkürtzung derer Proceße sey politice und moraliter unmöglich, gedencken werden, sie bekämen aus dem,

die Gewalt u. Gerechtsame derer Stände, solche Rechte oder Gewohnheiten und Proceß-Ordnungen, die von denen gemeinen, durch Reichs-Abschiede bekräfftigten, Rechten und von denen Cammer- und Hof-Gerichts-Ordnungen, wie Himmel und Erde unterschieden sind, in ihren Landen einzuführen oder zu behalten; die Macht und die Gültigkeit der Landstände und deren Stimme, so fern sie zu Einführung eines neuen Rechts in denen Landen derer Reichs-Stände nöthig sind oder nicht, nicht wohl bekannt sind. Daß aber solches nöthig sey, wird ein jeglicher leicht erkennen, welcher wahrgenommen oder wahrnehmen wird, daß solches auf denen Catholischen Academien entweder gar nicht oder doch irrig gelehret wird, auf denen meisten Protestantischen Universitäten aber die Standes-Personen und adeliche Jugend so wohl, als die meisten bürgerlichen Studiosi, ob sie gleich mit der Zeit in Städten oder bey grossen Herren Räthe zu werden gedencken, das Studium des Staats Rechts zur lincken Hand liegen lassen, und es also kein Wunder sey, daß sie hernach als Räthe auch solche Rathschläge von der Verbesserung der Justiz geben, die emweder gar nichts taugen, oder wenn sie auch sonst an sich selbst sehr gut wären, sich doch gar nicht auf den Zustand des Regiments reimen. Uber dieses muß auch unser Artzt die Macht seines Principals wohl in Betrachtung ziehen. Denn ob wohl Recht und Macht sehr unterschieden sind, so ist doch gewiß, daß gleich wie Macht ohne Recht eine Rauberey, also Recht ohne Macht ein unkräfftiges Recht sey. So erinnert auch der Apostel, daß nicht alles / was wir Macht zu thun haben, auch nützlich sey. Wir werden an seinem Orte erweisen, daß der vornehmste Ursprung der Verzögerung der Justiz das Jus Canonicum sey; das werden aber die Catholischen Juristen langsam erkennen, dahero auch in Ansehung ihrer vorietzo keine nachdrückliche Ausmertzung dieses Ubels in denen höchsten Reichs-Gerichten zu hoffen; vielmehr ist zu befürchten, daß die Anbeter des Canonischen Rechts alle Mühe anwenden werden, daß wenn die vor denen Ständen, so die vom Canonischen Recht verursachte Verlängerung verbessern wollen, geführte Acta in Form einer Appellation an diese höchsten Gerichte kommen, sie die Abschiede erster Instantz nach dem Canonischen Recht ändern, wenn nicht diese Reichs-Stände mächtiger sind, oder das Recht haben, daß von ihnen nicht kan appelliret werden, u. s. w.

Antwort auf den Einwurf

§. XVIII. Ich kan aber leicht zuvor sehen, daß diejenigen, welche davor halten, die Verbesserung und Verkürtzung derer Proceße sey politice und moraliter unmöglich, gedencken werden, sie bekämen aus dem,

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[184/0192] die Gewalt u. Gerechtsame derer Stände, solche Rechte oder Gewohnheiten und Proceß-Ordnungen, die von denen gemeinen, durch Reichs-Abschiede bekräfftigten, Rechten und von denen Cammer- und Hof-Gerichts-Ordnungen, wie Himmel und Erde unterschieden sind, in ihren Landen einzuführen oder zu behalten; die Macht und die Gültigkeit der Landstände und deren Stimme, so fern sie zu Einführung eines neuen Rechts in denen Landen derer Reichs-Stände nöthig sind oder nicht, nicht wohl bekannt sind. Daß aber solches nöthig sey, wird ein jeglicher leicht erkennen, welcher wahrgenommen oder wahrnehmen wird, daß solches auf denen Catholischen Academien entweder gar nicht oder doch irrig gelehret wird, auf denen meisten Protestantischen Universitäten aber die Standes-Personen und adeliche Jugend so wohl, als die meisten bürgerlichen Studiosi, ob sie gleich mit der Zeit in Städten oder bey grossen Herren Räthe zu werden gedencken, das Studium des Staats Rechts zur lincken Hand liegen lassen, und es also kein Wunder sey, daß sie hernach als Räthe auch solche Rathschläge von der Verbesserung der Justiz geben, die emweder gar nichts taugen, oder wenn sie auch sonst an sich selbst sehr gut wären, sich doch gar nicht auf den Zustand des Regiments reimen. Uber dieses muß auch unser Artzt die Macht seines Principals wohl in Betrachtung ziehen. Denn ob wohl Recht und Macht sehr unterschieden sind, so ist doch gewiß, daß gleich wie Macht ohne Recht eine Rauberey, also Recht ohne Macht ein unkräfftiges Recht sey. So erinnert auch der Apostel, daß nicht alles / was wir Macht zu thun haben, auch nützlich sey. Wir werden an seinem Orte erweisen, daß der vornehmste Ursprung der Verzögerung der Justiz das Jus Canonicum sey; das werden aber die Catholischen Juristen langsam erkennen, dahero auch in Ansehung ihrer vorietzo keine nachdrückliche Ausmertzung dieses Ubels in denen höchsten Reichs-Gerichten zu hoffen; vielmehr ist zu befürchten, daß die Anbeter des Canonischen Rechts alle Mühe anwenden werden, daß wenn die vor denen Ständen, so die vom Canonischen Recht verursachte Verlängerung verbessern wollen, geführte Acta in Form einer Appellation an diese höchsten Gerichte kommen, sie die Abschiede erster Instantz nach dem Canonischen Recht ändern, wenn nicht diese Reichs-Stände mächtiger sind, oder das Recht haben, daß von ihnen nicht kan appelliret werden, u. s. w. §. XVIII. Ich kan aber leicht zuvor sehen, daß diejenigen, welche davor halten, die Verbesserung und Verkürtzung derer Proceße sey politice und moraliter unmöglich, gedencken werden, sie bekämen aus dem,

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/192>, abgerufen am 21.11.2024.