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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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Teutschland klagen könne. Viele Practici aber und Verfertiger derer neueren Rechts-Ordnungen, so im vorigen Seculo in mancherley Ländern unterschiedener Reichs-Stände gemacht worden, sind recht wunderlich und läppisch wegen vieler andern Titel im Römischen Recht, welche die Meynung, daß auf blosse Zusagungen nicht könne Klage erhobenwerden, zum Grunde setzen, einander zuwieder, welches alles aus Unwissenheit dieses Zusammenhangs herrühret. Also hat die Unwissenheit, wie die meisten Lehren vom Ehestande im Canonischen Recht mit der Grund-Regel derer Canonisten, daß der Ehestand ein Sacrament sey, zusammenhängen, gemacht, daß die meisten Meynungen daraus in denen Gerichten derer Protestanten beybehalten worden, ob gleich der Hauptsatz, daß die Ehe ein Sacrament sey, vorlängsten verworffen worden. So ist auch ferner ausgemacht, daß die dem ersten Ansehen nach sonderbahre, nach genauer Betrachtung aber falsch befundene und nur erdichtete Hirn-Billigkeit die vornehmste Ursache sey, daß wo nicht alle, doch die meisten Verordnungen des Justinianischen, u. Canonischen Rechts von denen Universitäten in die Policey- und Proceß-Ordnung gebracht worden, woraus freylich ein höchst ungewisses und verworrenes Recht und ein höchstverdrüßlicher Proceß entstehen müssen. Also lehret ja, daß ich nur ein einig Exempel gebe, die gesunde Vernunfft, daß wenige, kurtze und deutliche, auch auf alle Fälle eingerichtete Gesetze seyn müssen, und daß bey denenselben nur wenige deutliche und handgreifliche Erklährungen, Einschränckungen und Ausnahmen beygefüget werden, die ein jeder Bürger, er sey wes Standes er wolle, leicht verstehen kan, und die nicht des Richters Willkühr unterworffen sind. So waren ehemahl die teutschen Gesetze beschaffen, wie aus dem Sachsen-Spiegel erhellet: hingegen wird in dem grösten Theil des Justinianischen Rechts und fast im gantzen Canonischen diese Grund-Lehre der Klugheit Gesetze zu geben sehr überschritten, sintemahl fast kein Gesetz zu finden, dabey nicht ein Hauffen dunckele, und auf einer blossen Hirnbilligkeit beruhende Auslegungen und Einschränckungen angehangen sind, denen man wiederum andere neue Einschränckungen (sublimitationes) und auch diesen ihre Einschränckungen angehefftet, die eben so dunckel und ungewiß sind, als die ersten, wie solches aus Mascardi, Menochii, Farinacii und anderer Rechts-Gelehrten Büchern vor Augen liegt. Zum Beweiß will ich nur das einzige SCtum Vellejanum anführen, und was die Ausläger von dessen Erklährung und Einschränckung, ingleichen von denen Eigenschafften der Entsagung und Begebung desselben insgemein vorbringen, davon ich in der Dissertation von dem schlechten Nutzen des SCti

Teutschland klagen könne. Viele Practici aber und Verfertiger derer neueren Rechts-Ordnungen, so im vorigen Seculo in mancherley Ländern unterschiedener Reichs-Stände gemacht worden, sind recht wunderlich und läppisch wegen vieler andern Titel im Römischen Recht, welche die Meynung, daß auf blosse Zusagungen nicht könne Klage erhobenwerden, zum Grunde setzen, einander zuwieder, welches alles aus Unwissenheit dieses Zusammenhangs herrühret. Also hat die Unwissenheit, wie die meisten Lehren vom Ehestande im Canonischen Recht mit der Grund-Regel derer Canonisten, daß der Ehestand ein Sacrament sey, zusammenhängen, gemacht, daß die meisten Meynungen daraus in denen Gerichten derer Protestanten beybehalten worden, ob gleich der Hauptsatz, daß die Ehe ein Sacrament sey, vorlängsten verworffen worden. So ist auch ferner ausgemacht, daß die dem ersten Ansehen nach sonderbahre, nach genauer Betrachtung aber falsch befundene und nur erdichtete Hirn-Billigkeit die vornehmste Ursache sey, daß wo nicht alle, doch die meisten Verordnungen des Justinianischen, u. Canonischen Rechts von denen Universitäten in die Policey- und Proceß-Ordnung gebracht worden, woraus freylich ein höchst ungewisses und verworrenes Recht und ein höchstverdrüßlicher Proceß entstehen müssen. Also lehret ja, daß ich nur ein einig Exempel gebe, die gesunde Vernunfft, daß wenige, kurtze und deutliche, auch auf alle Fälle eingerichtete Gesetze seyn müssen, und daß bey denenselben nur wenige deutliche und handgreifliche Erklährungen, Einschränckungen und Ausnahmen beygefüget werden, die ein jeder Bürger, er sey wes Standes er wolle, leicht verstehen kan, und die nicht des Richters Willkühr unterworffen sind. So waren ehemahl die teutschen Gesetze beschaffen, wie aus dem Sachsen-Spiegel erhellet: hingegen wird in dem grösten Theil des Justinianischen Rechts und fast im gantzen Canonischen diese Grund-Lehre der Klugheit Gesetze zu geben sehr überschritten, sintemahl fast kein Gesetz zu finden, dabey nicht ein Hauffen dunckele, und auf einer blossen Hirnbilligkeit beruhende Auslegungen und Einschränckungen angehangen sind, denen man wiederum andere neue Einschränckungen (sublimitationes) und auch diesen ihre Einschränckungen angehefftet, die eben so dunckel und ungewiß sind, als die ersten, wie solches aus Mascardi, Menochii, Farinacii und anderer Rechts-Gelehrten Büchern vor Augen liegt. Zum Beweiß will ich nur das einzige SCtum Vellejanum anführen, und was die Ausläger von dessen Erklährung und Einschränckung, ingleichen von denen Eigenschafften der Entsagung und Begebung desselben insgemein vorbringen, davon ich in der Dissertation von dem schlechten Nutzen des SCti

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[198/0206] Teutschland klagen könne. Viele Practici aber und Verfertiger derer neueren Rechts-Ordnungen, so im vorigen Seculo in mancherley Ländern unterschiedener Reichs-Stände gemacht worden, sind recht wunderlich und läppisch wegen vieler andern Titel im Römischen Recht, welche die Meynung, daß auf blosse Zusagungen nicht könne Klage erhobenwerden, zum Grunde setzen, einander zuwieder, welches alles aus Unwissenheit dieses Zusammenhangs herrühret. Also hat die Unwissenheit, wie die meisten Lehren vom Ehestande im Canonischen Recht mit der Grund-Regel derer Canonisten, daß der Ehestand ein Sacrament sey, zusammenhängen, gemacht, daß die meisten Meynungen daraus in denen Gerichten derer Protestanten beybehalten worden, ob gleich der Hauptsatz, daß die Ehe ein Sacrament sey, vorlängsten verworffen worden. So ist auch ferner ausgemacht, daß die dem ersten Ansehen nach sonderbahre, nach genauer Betrachtung aber falsch befundene und nur erdichtete Hirn-Billigkeit die vornehmste Ursache sey, daß wo nicht alle, doch die meisten Verordnungen des Justinianischen, u. Canonischen Rechts von denen Universitäten in die Policey- und Proceß-Ordnung gebracht worden, woraus freylich ein höchst ungewisses und verworrenes Recht und ein höchstverdrüßlicher Proceß entstehen müssen. Also lehret ja, daß ich nur ein einig Exempel gebe, die gesunde Vernunfft, daß wenige, kurtze und deutliche, auch auf alle Fälle eingerichtete Gesetze seyn müssen, und daß bey denenselben nur wenige deutliche und handgreifliche Erklährungen, Einschränckungen und Ausnahmen beygefüget werden, die ein jeder Bürger, er sey wes Standes er wolle, leicht verstehen kan, und die nicht des Richters Willkühr unterworffen sind. So waren ehemahl die teutschen Gesetze beschaffen, wie aus dem Sachsen-Spiegel erhellet: hingegen wird in dem grösten Theil des Justinianischen Rechts und fast im gantzen Canonischen diese Grund-Lehre der Klugheit Gesetze zu geben sehr überschritten, sintemahl fast kein Gesetz zu finden, dabey nicht ein Hauffen dunckele, und auf einer blossen Hirnbilligkeit beruhende Auslegungen und Einschränckungen angehangen sind, denen man wiederum andere neue Einschränckungen (sublimitationes) und auch diesen ihre Einschränckungen angehefftet, die eben so dunckel und ungewiß sind, als die ersten, wie solches aus Mascardi, Menochii, Farinacii und anderer Rechts-Gelehrten Büchern vor Augen liegt. Zum Beweiß will ich nur das einzige SCtum Vellejanum anführen, und was die Ausläger von dessen Erklährung und Einschränckung, ingleichen von denen Eigenschafften der Entsagung und Begebung desselben insgemein vorbringen, davon ich in der Dissertation von dem schlechten Nutzen des SCti

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/206>, abgerufen am 23.11.2024.