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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

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§. XV. Es ist bekannt, daß sich der ehrliche D. Georgius CalixtusWie sich D. Strauch zu diesem Gezäncke eingedränget. zu Helmstädt sehr bemühete, die drey im Römischen Reich geduldete, sonderlich aber die beyden Evangelischen Religionen zu vereinigen. Ob nun wohl der gute Mann nicht begriffe, daß die Sache wegen vieler Ursachen mit denen Catholischen nicht practicable wäre, und dannenhero glimpfliche Erinnerungen wohl meritirte, so verfielen doch seine Wiedersacher, sonderlich D. Calov und dessen Anhang nach dem damahligen ungehobelten Zustand vieler Theologorum, mit ihm in ein recht ärgerliches Gezäncke, worzu auch der greuliche Haß, den die Calovianer wieder die Reformirten hatten, nicht wenig contribuirte, und währete dieses Gezäncke viele Jahre, dergestalt / daß man bey nahe ein gantzes repositorium mit diesen ärgerlichen Streit-Schrifften vom Syncretismo anfüllen könte. Und da Calixtus und seine Parthey, die sehr grob von ihrem Gegentheil angegriffen war, auch irritirt wurde, und so glimpflich als sie sonst zu schreiben gewohnt ware, nicht mehr schriebe, machten es die Calovianer immer gröber, und führete sich nach Calixti Tode unter ihnen der gleichfalls bekannte D. AEgydius Strauch am allerungezogensten auf; ja da Calixti Sohn D. Friederich Ulrich Calixtus als ein junger hitziger Mann seines Vaters Wiederfachern auch nichts schuldig bliebe, wurden die Schrifften auf beyden Theilen immer scandalöser. Unter andern hatte F. U. Calixtus in einer erwehnet, daß er in Rom keinen Lutheraner angetroffen. Dem D. Strauch zur Antwort gab: Mirum non est, quod in Gallorum & Italorum Tabernis Vinariis, vel fornicibus etiam invenire eos (Lutheranos) non potuerit dissentiens (Calixtus.). Dieses nahm Calixtus für eine Injurie auf, als wenn er ihn beschuldiget hätte, daß er die Hur-Häuser (fornices) besucht hätte, und ließ Anno 668. eine so genannte abgenöthigte Retorsion Schrifft wieder D. Strauchen publiciren, dem D. Strauch eine Gegen-Retorsion entgegen setzte, indem er vorgab, er hätte per fornices kein Huren-Hauß, sondern Gewölbe, Cabarette, oder öffentliche Wirthshäuser verstanden, auch seine Gegen-Retorsion durch drey beygelegte Responsa von denen Juristen-Facultäten zu Leipzig, Wittenberg und Jena justificiren wolte. Calixtus justificirte seine Retorsion wieder in einem scripto, und bezoge sich auf ein von der Juristen-Facultät zu Rinteln erhaltenes Responsum. Hierwieder schrieb D. Strauch eine neue anzügliche Schrifft, der er den Titulgab: Der justificirte Calixtus. In dieser hatte er unter andern wegen des Rintelischen Responsi sich dieser Worte bedienet. Es haben auf der Universität Rinteln die Leute nicht

§. XV. Es ist bekannt, daß sich der ehrliche D. Georgius CalixtusWie sich D. Strauch zu diesem Gezäncke eingedränget. zu Helmstädt sehr bemühete, die drey im Römischen Reich geduldete, sonderlich aber die beyden Evangelischen Religionen zu vereinigen. Ob nun wohl der gute Mann nicht begriffe, daß die Sache wegen vieler Ursachen mit denen Catholischen nicht practicable wäre, und dannenhero glimpfliche Erinnerungen wohl meritirte, so verfielen doch seine Wiedersacher, sonderlich D. Calov und dessen Anhang nach dem damahligen ungehobelten Zustand vieler Theologorum, mit ihm in ein recht ärgerliches Gezäncke, worzu auch der greuliche Haß, den die Calovianer wieder die Reformirten hatten, nicht wenig contribuirte, und währete dieses Gezäncke viele Jahre, dergestalt / daß man bey nahe ein gantzes repositorium mit diesen ärgerlichen Streit-Schrifften vom Syncretismo anfüllen könte. Und da Calixtus und seine Parthey, die sehr grob von ihrem Gegentheil angegriffen war, auch irritirt wurde, und so glimpflich als sie sonst zu schreiben gewohnt ware, nicht mehr schriebe, machten es die Calovianer immer gröber, und führete sich nach Calixti Tode unter ihnen der gleichfalls bekannte D. AEgydius Strauch am allerungezogensten auf; ja da Calixti Sohn D. Friederich Ulrich Calixtus als ein junger hitziger Mann seines Vaters Wiederfachern auch nichts schuldig bliebe, wurden die Schrifften auf beyden Theilen immer scandalöser. Unter andern hatte F. U. Calixtus in einer erwehnet, daß er in Rom keinen Lutheraner angetroffen. Dem D. Strauch zur Antwort gab: Mirum non est, quod in Gallorum & Italorum Tabernis Vinariis, vel fornicibus etiam invenire eos (Lutheranos) non potuerit dissentiens (Calixtus.). Dieses nahm Calixtus für eine Injurie auf, als wenn er ihn beschuldiget hätte, daß er die Hur-Häuser (fornices) besucht hätte, und ließ Anno 668. eine so genannte abgenöthigte Retorsion Schrifft wieder D. Strauchen publiciren, dem D. Strauch eine Gegen-Retorsion entgegen setzte, indem er vorgab, er hätte per fornices kein Huren-Hauß, sondern Gewölbe, Cabarette, oder öffentliche Wirthshäuser verstanden, auch seine Gegen-Retorsion durch drey beygelegte Responsa von denen Juristen-Facultäten zu Leipzig, Wittenberg und Jena justificiren wolte. Calixtus justificirte seine Retorsion wieder in einem scripto, und bezoge sich auf ein von der Juristen-Facultät zu Rinteln erhaltenes Responsum. Hierwieder schrieb D. Strauch eine neue anzügliche Schrifft, der er den Titulgab: Der justificirte Calixtus. In dieser hatte er unter andern wegen des Rintelischen Responsi sich dieser Worte bedienet. Es haben auf der Universität Rinteln die Leute nicht

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[277/0285] §. XV. Es ist bekannt, daß sich der ehrliche D. Georgius Calixtus zu Helmstädt sehr bemühete, die drey im Römischen Reich geduldete, sonderlich aber die beyden Evangelischen Religionen zu vereinigen. Ob nun wohl der gute Mann nicht begriffe, daß die Sache wegen vieler Ursachen mit denen Catholischen nicht practicable wäre, und dannenhero glimpfliche Erinnerungen wohl meritirte, so verfielen doch seine Wiedersacher, sonderlich D. Calov und dessen Anhang nach dem damahligen ungehobelten Zustand vieler Theologorum, mit ihm in ein recht ärgerliches Gezäncke, worzu auch der greuliche Haß, den die Calovianer wieder die Reformirten hatten, nicht wenig contribuirte, und währete dieses Gezäncke viele Jahre, dergestalt / daß man bey nahe ein gantzes repositorium mit diesen ärgerlichen Streit-Schrifften vom Syncretismo anfüllen könte. Und da Calixtus und seine Parthey, die sehr grob von ihrem Gegentheil angegriffen war, auch irritirt wurde, und so glimpflich als sie sonst zu schreiben gewohnt ware, nicht mehr schriebe, machten es die Calovianer immer gröber, und führete sich nach Calixti Tode unter ihnen der gleichfalls bekannte D. AEgydius Strauch am allerungezogensten auf; ja da Calixti Sohn D. Friederich Ulrich Calixtus als ein junger hitziger Mann seines Vaters Wiederfachern auch nichts schuldig bliebe, wurden die Schrifften auf beyden Theilen immer scandalöser. Unter andern hatte F. U. Calixtus in einer erwehnet, daß er in Rom keinen Lutheraner angetroffen. Dem D. Strauch zur Antwort gab: Mirum non est, quod in Gallorum & Italorum Tabernis Vinariis, vel fornicibus etiam invenire eos (Lutheranos) non potuerit dissentiens (Calixtus.). Dieses nahm Calixtus für eine Injurie auf, als wenn er ihn beschuldiget hätte, daß er die Hur-Häuser (fornices) besucht hätte, und ließ Anno 668. eine so genannte abgenöthigte Retorsion Schrifft wieder D. Strauchen publiciren, dem D. Strauch eine Gegen-Retorsion entgegen setzte, indem er vorgab, er hätte per fornices kein Huren-Hauß, sondern Gewölbe, Cabarette, oder öffentliche Wirthshäuser verstanden, auch seine Gegen-Retorsion durch drey beygelegte Responsa von denen Juristen-Facultäten zu Leipzig, Wittenberg und Jena justificiren wolte. Calixtus justificirte seine Retorsion wieder in einem scripto, und bezoge sich auf ein von der Juristen-Facultät zu Rinteln erhaltenes Responsum. Hierwieder schrieb D. Strauch eine neue anzügliche Schrifft, der er den Titulgab: Der justificirte Calixtus. In dieser hatte er unter andern wegen des Rintelischen Responsi sich dieser Worte bedienet. Es haben auf der Universität Rinteln die Leute nicht Wie sich D. Strauch zu diesem Gezäncke eingedränget.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/285>, abgerufen am 24.11.2024.