Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

muß. Welches billig nicht seyn solte, und darum auch bey vielen wohlverfaßten4) Daß keiner / der in Rechts- und Justiz-Collegiis sitzt sich des Advocirens gebrauchen dürffe. Republiquen mit Ernst abgestellet ist, damit in allen Rechts- und Gerichts Handlungen ein jeder seine freye Stimme hat, und keiner durch das Verständnüß der gefreundten gehindert oder überstimmet wird. Um einer andern moralischen oder vielmehr contramoralischen Verwandnüß aber, welche Richter und Advocaten miteinander haben und gleichergestalt nicht viel gutes mit sich bringet, wäre 4) die Anordnung zu thun, und darüber zu halten, daß keiner, so in denen zumal höhern Rechts- und Justiz Collegiis sitzt, sich zugleich des advocirens gebrauchen dürffe, weil es nicht allein infra dignitatem ist, sondern auch den stetigen Verdacht, und viele Gelegenheit zu dergleichen bösen Dingen giebet, welchen data occasione das menschliche Vermögen zu wiedersprechen abermahls zu schwach ist. Nicht weniger bedarff es quoad constitutionem judiciorum5) Daß über 4. oder 6. Persohnen zu einem Collegio oder judicio nicht admitiret würden. in personalibus, da sich die Vielheit derer Persohnen findet, 5) des zwar schon berührten remedii contra abundantiam, weil durch viel Hirten der Heerde offters nur übler vorgestanden und gewartet wird, u. wann man nach dem bisherigen Eventu reden will, so ist durch die beschehene Vermehrung der Persohnen in denen Rechts-Collegiis der Zustand der Justiz nicht befördert, sondern vielmehr dieselbe eine mit würckende Ursach derer Dinge worden, so einer andern Einrichtung gar nöhtig bedürffen. Dahero denn auch wohl so nöthig ferner als nützlich seyn wird, auf eine solche Mittelmasse zu dencken, daß die überflüßige Anzahl so wo hl an Räthen und Assessoren, als denen Subalternen bey denen Judiciis nach Befindung zur Helffte oder Drittentheile eingezogen und aus denenselben ein solcher Selectus gemacht würde, die denen täglich vorfallenden Geschäfften sufficient seyn könten. Dann dieses facilitiret nicht nur den ordentlichen Unterhalt derer Collegiorum bey der Kammer, oder wo sie sonsten solchen zu gewarten hätten, sondern macht auch offt die Arbeit leichter, und fördersamer, als wenn sie unter der Vielheit steckt, darzu gleich die divetsitas, singularitas, ja ipsa etiam perversitas ingeniorum, und das geflissentliche / ursprünglich aber ex ambitione herrührende studium cotradicendi vel etiam nonnunquam dicendi inania, den Fortgang der negotiorum schwerer und langsamer macht, und geschiehet noch zu dem offt / daß sich einer auf den andern verläst, und also dasjenige nicht oder doch nachläßig thut, was er sonst vor sich mit besserem Fleiß und Applica ion thun würde. Zum wenigsten aber ist gewiß, und bezeuget die Erfahrung selbsten, daß wann 3. 4. biß zum höchsten 5. oder 6. Persohnen täglich sitzen und treulich an einem Strange ziehen, oder ein

muß. Welches billig nicht seyn solte, und darum auch bey vielen wohlverfaßten4) Daß keiner / der in Rechts- und Justiz-Collegiis sitzt sich des Advocirens gebrauchen dürffe. Republiquen mit Ernst abgestellet ist, damit in allen Rechts- und Gerichts Handlungen ein jeder seine freye Stimme hat, und keiner durch das Verständnüß der gefreundten gehindert oder überstimmet wird. Um einer andern moralischen oder vielmehr contramoralischen Verwandnüß aber, welche Richter und Advocaten miteinander haben und gleichergestalt nicht viel gutes mit sich bringet, wäre 4) die Anordnung zu thun, und darüber zu halten, daß keiner, so in denen zumal höhern Rechts- und Justiz Collegiis sitzt, sich zugleich des advocirens gebrauchen dürffe, weil es nicht allein infra dignitatem ist, sondern auch den stetigen Verdacht, und viele Gelegenheit zu dergleichen bösen Dingen giebet, welchen data occasione das menschliche Vermögen zu wiedersprechen abermahls zu schwach ist. Nicht weniger bedarff es quoad constitutionem judiciorum5) Daß über 4. oder 6. Persohnen zu einem Collegio oder judicio nicht admitiret würden. in personalibus, da sich die Vielheit derer Persohnen findet, 5) des zwar schon berührten remedii contra abundantiam, weil durch viel Hirten der Heerde offters nur übler vorgestanden und gewartet wird, u. wann man nach dem bisherigen Eventu reden will, so ist durch die beschehene Vermehrung der Persohnen in denen Rechts-Collegiis der Zustand der Justiz nicht befördert, sondern vielmehr dieselbe eine mit würckende Ursach derer Dinge worden, so einer andern Einrichtung gar nöhtig bedürffen. Dahero denn auch wohl so nöthig ferner als nützlich seyn wird, auf eine solche Mittelmasse zu dencken, daß die überflüßige Anzahl so wo hl an Räthen und Assessoren, als denen Subalternen bey denen Judiciis nach Befindung zur Helffte oder Drittentheile eingezogen und aus denenselben ein solcher Selectus gemacht würde, die denen täglich vorfallenden Geschäfften sufficient seyn könten. Dann dieses facilitiret nicht nur den ordentlichen Unterhalt derer Collegiorum bey der Kammer, oder wo sie sonsten solchen zu gewarten hätten, sondern macht auch offt die Arbeit leichter, und fördersamer, als wenn sie unter der Vielheit steckt, darzu gleich die divetsitas, singularitas, ja ipsa etiam perversitas ingeniorum, und das geflissentliche / ursprünglich aber ex ambitione herrührende studium cotradicendi vel etiam nonnunquam dicendi inania, den Fortgang der negotiorum schwerer und langsamer macht, und geschiehet noch zu dem offt / daß sich einer auf den andern verläst, und also dasjenige nicht oder doch nachläßig thut, was er sonst vor sich mit besserem Fleiß und Applica ion thun würde. Zum wenigsten aber ist gewiß, und bezeuget die Erfahrung selbsten, daß wann 3. 4. biß zum höchsten 5. oder 6. Persohnen täglich sitzen und treulich an einem Strange ziehen, oder ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0033" n="25"/>
muß. Welches billig                      nicht seyn solte, und darum auch bey vielen wohlverfaßten<note place="right">4) Daß keiner / der in Rechts- und <hi rendition="#i">Justiz-Collegiis</hi> sitzt sich des <hi rendition="#i">Advocir</hi>ens                          gebrauchen dürffe.</note> Republiquen mit Ernst abgestellet ist, damit in                      allen Rechts- und Gerichts Handlungen ein jeder seine freye Stimme hat, und                      keiner durch das Verständnüß der gefreundten gehindert oder überstimmet wird. Um                      einer andern moralischen oder vielmehr contramoralischen Verwandnüß aber, welche                      Richter und Advocaten miteinander haben und gleichergestalt nicht viel gutes mit                      sich bringet, wäre 4) die Anordnung zu thun, und darüber zu halten, daß keiner,                      so in denen zumal höhern Rechts- und Justiz Collegiis sitzt, sich zugleich des                      advocirens gebrauchen dürffe, weil es nicht allein infra dignitatem ist, sondern                      auch den stetigen Verdacht, und viele Gelegenheit zu dergleichen bösen Dingen                      giebet, welchen data occasione das menschliche Vermögen zu wiedersprechen                      abermahls zu schwach ist. Nicht weniger bedarff es quoad constitutionem                          judiciorum<note place="right">5) Daß über 4. oder 6. Persohnen zu                          einem <hi rendition="#i">Collegio</hi> oder <hi rendition="#i">judicio</hi> nicht <hi rendition="#i">admitir</hi>et würden.</note> in personalibus,                      da sich die Vielheit derer Persohnen findet, 5) des zwar schon berührten remedii                      contra abundantiam, weil durch viel Hirten der Heerde offters nur übler                      vorgestanden und gewartet wird, u. wann man nach dem bisherigen Eventu reden                      will, so ist durch die beschehene Vermehrung der Persohnen in denen                      Rechts-Collegiis der Zustand der Justiz nicht befördert, sondern vielmehr                      dieselbe eine mit würckende Ursach derer Dinge worden, so einer andern                      Einrichtung gar nöhtig bedürffen. Dahero denn auch wohl so nöthig ferner als                      nützlich seyn wird, auf eine solche Mittelmasse zu dencken, daß die überflüßige                      Anzahl so wo hl an Räthen und Assessoren, als denen Subalternen bey denen                      Judiciis nach Befindung zur Helffte oder Drittentheile eingezogen und aus                      denenselben ein solcher Selectus gemacht würde, die denen täglich vorfallenden                      Geschäfften sufficient seyn könten. Dann dieses facilitiret nicht nur den                      ordentlichen Unterhalt derer Collegiorum bey der Kammer, oder wo sie sonsten                      solchen zu gewarten hätten, sondern macht auch offt die Arbeit leichter, und                      fördersamer, als wenn sie unter der Vielheit steckt, darzu gleich die                      divetsitas, singularitas, ja ipsa etiam perversitas ingeniorum, und das                      geflissentliche / ursprünglich aber ex ambitione herrührende studium                      cotradicendi vel etiam nonnunquam dicendi inania, den Fortgang der negotiorum                      schwerer und langsamer macht, und geschiehet noch zu dem offt / daß sich einer                      auf den andern verläst, und also dasjenige nicht oder doch nachläßig thut, was                      er sonst vor sich mit besserem Fleiß und Applica ion thun würde. Zum wenigsten                      aber ist gewiß, und bezeuget die Erfahrung selbsten, daß wann 3. 4. biß zum                      höchsten 5. oder 6. Persohnen täglich sitzen und treulich an einem Strange                      ziehen, oder ein
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0033] muß. Welches billig nicht seyn solte, und darum auch bey vielen wohlverfaßten Republiquen mit Ernst abgestellet ist, damit in allen Rechts- und Gerichts Handlungen ein jeder seine freye Stimme hat, und keiner durch das Verständnüß der gefreundten gehindert oder überstimmet wird. Um einer andern moralischen oder vielmehr contramoralischen Verwandnüß aber, welche Richter und Advocaten miteinander haben und gleichergestalt nicht viel gutes mit sich bringet, wäre 4) die Anordnung zu thun, und darüber zu halten, daß keiner, so in denen zumal höhern Rechts- und Justiz Collegiis sitzt, sich zugleich des advocirens gebrauchen dürffe, weil es nicht allein infra dignitatem ist, sondern auch den stetigen Verdacht, und viele Gelegenheit zu dergleichen bösen Dingen giebet, welchen data occasione das menschliche Vermögen zu wiedersprechen abermahls zu schwach ist. Nicht weniger bedarff es quoad constitutionem judiciorum in personalibus, da sich die Vielheit derer Persohnen findet, 5) des zwar schon berührten remedii contra abundantiam, weil durch viel Hirten der Heerde offters nur übler vorgestanden und gewartet wird, u. wann man nach dem bisherigen Eventu reden will, so ist durch die beschehene Vermehrung der Persohnen in denen Rechts-Collegiis der Zustand der Justiz nicht befördert, sondern vielmehr dieselbe eine mit würckende Ursach derer Dinge worden, so einer andern Einrichtung gar nöhtig bedürffen. Dahero denn auch wohl so nöthig ferner als nützlich seyn wird, auf eine solche Mittelmasse zu dencken, daß die überflüßige Anzahl so wo hl an Räthen und Assessoren, als denen Subalternen bey denen Judiciis nach Befindung zur Helffte oder Drittentheile eingezogen und aus denenselben ein solcher Selectus gemacht würde, die denen täglich vorfallenden Geschäfften sufficient seyn könten. Dann dieses facilitiret nicht nur den ordentlichen Unterhalt derer Collegiorum bey der Kammer, oder wo sie sonsten solchen zu gewarten hätten, sondern macht auch offt die Arbeit leichter, und fördersamer, als wenn sie unter der Vielheit steckt, darzu gleich die divetsitas, singularitas, ja ipsa etiam perversitas ingeniorum, und das geflissentliche / ursprünglich aber ex ambitione herrührende studium cotradicendi vel etiam nonnunquam dicendi inania, den Fortgang der negotiorum schwerer und langsamer macht, und geschiehet noch zu dem offt / daß sich einer auf den andern verläst, und also dasjenige nicht oder doch nachläßig thut, was er sonst vor sich mit besserem Fleiß und Applica ion thun würde. Zum wenigsten aber ist gewiß, und bezeuget die Erfahrung selbsten, daß wann 3. 4. biß zum höchsten 5. oder 6. Persohnen täglich sitzen und treulich an einem Strange ziehen, oder ein 4) Daß keiner / der in Rechts- und Justiz-Collegiis sitzt sich des Advocirens gebrauchen dürffe. 5) Daß über 4. oder 6. Persohnen zu einem Collegio oder judicio nicht admitiret würden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/33
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/33>, abgerufen am 03.12.2024.