Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

Leute tou chiret.auch kein ärgerlicher Excess dabey fürgegangen, hat er alsobald darauf in einer Leich-Predigt, mit Beschimpffung seines heil. Amts ohne alle gegebene Ursache diese unsre zulaßliche Lust, auf die Cantzel gebracht, fürnehmlich Herrn Bürgemeister St. dem er doch aus vielfältigen Ursachen Respect und Ehrerbietung schuldig, recht ärgerlich für dem gemeinen Volck als einen alten Narren prostituiret, auch die übrige gantze Gesellschafft und folgbar auch mich, als Narren, die sich mit Schellen behiengen, 4) Wegen gantz unvernünfftiger applicirung dessen / was in Januario von Chrestophilo gedacht wird / auf sich selbstwieder alle göttliche und weltliche Rechte, gescholten. Wiewohl nun dieses alles, so jetzo angeführet, mich vielleicht würde entschuldigen können, wenn ich aus menschlicher Schwachheit bey so vielfältigen Zunöthigungen, auch wieder einen Excess begangen hätte, so kan ich doch wohl sagen, daß ich von Hertzen erschrocken bin, als ich vernommen, daß Herr D. Carpzov, was ich in Januario meiner teutschen Gespräche von Chrestophilo gemeldet, auf sich zöge, auch (weiln ich keiner Schlittenfahrt erwehne, und in übrigen in meiner Erzehlung viel andere Umstände mit seyn, die sich auf seine ärgerliche Predigt gantz nicht appliciren lassen) keinen andern Grund dieser application gegen andere erwehnet, als daß die Beschreibung des Chrestophili ihme gleich käme, denn er pflegte alle Leichen-Predigten anzunehmen, und thäte freylich dadurch seiner Gesundheit Schaden, er thäte aber dieses seinen Collegen zu weisen, daß es nicht nach ihren Köpffen gehen müste u. s. w. Ich läugne nicht, ich habe dieses anfangs nicht anders als eine grosse Ubereilung angenommen, und gemeynet, Herr D. Carpzov würde sich bald eines bessern besinnen. Denn entweder das im Januario befindliche portrait des Chrestophili ist ihm ähnlich oder nicht. Wenn dieses ist, warum und aus was für fundament nimmt er sich denn desselbigen an? Ist es ihm aber ähnlich, so dächte ich, Herr D. Carpzov thäte besser, daß er gantz heimlich sich besserte, als daß er durch dessen applicirung auf sich, sich für der gantzen ehrbahrn Welt prostituirete, in Ansehen die Beschreibung Und deßhalb Wieder den Autorem erregten und contituirten gegenwärti-des Chrestophili einen formalen Atheisten abbildet, der nicht einer, sondern hundert Inquisitionen schuldig ist. Wie dem allen aber, so hat dennoch Herr C. bloß wegen dieser Beschreibung des Chrestophili alle gegenwärtige Uneinigkeit angefangen, und von der Zeit an seine unversöhnliche Rachgier in vielen Gelegenheiten blicken lassen, indem er 1) die von dem Ministerio unterschriebene hatte und höchstanzügliche Denunciation entweder selbst concipiret, oder doch concipiren lassen, 2) in dieselbige noch viel härtere terminos gesetzet, als jetzo darinnen befunden werden, 3) folgends auf der Cantzel theils mich, als ob ich ihm

Leute tou chiret.auch kein ärgerlicher Excess dabey fürgegangen, hat er alsobald darauf in einer Leich-Predigt, mit Beschimpffung seines heil. Amts ohne alle gegebene Ursache diese unsre zulaßliche Lust, auf die Cantzel gebracht, fürnehmlich Herrn Bürgemeister St. dem er doch aus vielfältigen Ursachen Respect und Ehrerbietung schuldig, recht ärgerlich für dem gemeinen Volck als einen alten Narren prostituiret, auch die übrige gantze Gesellschafft und folgbar auch mich, als Narren, die sich mit Schellen behiengen, 4) Wegen gantz unvernünfftiger applicirung dessen / was in Januario von Chrestophilo gedacht wird / auf sich selbstwieder alle göttliche und weltliche Rechte, gescholten. Wiewohl nun dieses alles, so jetzo angeführet, mich vielleicht würde entschuldigen können, wenn ich aus menschlicher Schwachheit bey so vielfältigen Zunöthigungen, auch wieder einen Excess begangen hätte, so kan ich doch wohl sagen, daß ich von Hertzen erschrocken bin, als ich vernommen, daß Herr D. Carpzov, was ich in Januario meiner teutschen Gespräche von Chrestophilo gemeldet, auf sich zöge, auch (weiln ich keiner Schlittenfahrt erwehne, und in übrigen in meiner Erzehlung viel andere Umstände mit seyn, die sich auf seine ärgerliche Predigt gantz nicht appliciren lassen) keinen andern Grund dieser application gegen andere erwehnet, als daß die Beschreibung des Chrestophili ihme gleich käme, denn er pflegte alle Leichen-Predigten anzunehmen, und thäte freylich dadurch seiner Gesundheit Schaden, er thäte aber dieses seinen Collegen zu weisen, daß es nicht nach ihren Köpffen gehen müste u. s. w. Ich läugne nicht, ich habe dieses anfangs nicht anders als eine grosse Ubereilung angenommen, und gemeynet, Herr D. Carpzov würde sich bald eines bessern besinnen. Denn entweder das im Januario befindliche portrait des Chrestophili ist ihm ähnlich oder nicht. Wenn dieses ist, warum und aus was für fundament nimmt er sich denn desselbigen an? Ist es ihm aber ähnlich, so dächte ich, Herr D. Carpzov thäte besser, daß er gantz heimlich sich besserte, als daß er durch dessen applicirung auf sich, sich für der gantzen ehrbahrn Welt prostituirete, in Ansehen die Beschreibung Und deßhalb Wieder den Autorem erregten und contituirten gegenwärti-des Chrestophili einen formalen Atheisten abbildet, der nicht einer, sondern hundert Inquisitionen schuldig ist. Wie dem allen aber, so hat dennoch Herr C. bloß wegen dieser Beschreibung des Chrestophili alle gegenwärtige Uneinigkeit angefangen, und von der Zeit an seine unversöhnliche Rachgier in vielen Gelegenheiten blicken lassen, indem er 1) die von dem Ministerio unterschriebene hatte und höchstanzügliche Denunciation entweder selbst concipiret, oder doch concipiren lassen, 2) in dieselbige noch viel härtere terminos gesetzet, als jetzo darinnen befunden werden, 3) folgends auf der Cantzel theils mich, als ob ich ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0132" n="126"/><note place="left">Leute <hi rendition="#i">tou chir</hi>et.</note>auch                      kein ärgerlicher Excess dabey fürgegangen, hat er alsobald darauf in einer                      Leich-Predigt, mit Beschimpffung seines heil. Amts ohne alle gegebene Ursache                      diese unsre zulaßliche Lust, auf die Cantzel gebracht, fürnehmlich Herrn                      Bürgemeister St. dem er doch aus vielfältigen Ursachen Respect und Ehrerbietung                      schuldig, recht ärgerlich für dem gemeinen Volck als einen alten Narren                      prostituiret, auch die übrige gantze Gesellschafft und folgbar auch mich, als                      Narren, die sich mit Schellen behiengen, <note place="left">4) Wegen                          gantz unvernünfftiger <hi rendition="#i">applicir</hi>ung dessen / was in <hi rendition="#i">Januario</hi> von <hi rendition="#i">Chrestophilo</hi> gedacht wird / auf sich selbst</note>wieder alle                      göttliche und weltliche Rechte, gescholten. Wiewohl nun dieses alles, so jetzo                      angeführet, mich vielleicht würde entschuldigen können, wenn ich aus                      menschlicher Schwachheit bey so vielfältigen Zunöthigungen, auch wieder einen                      Excess begangen hätte, so kan ich doch wohl sagen, daß ich von Hertzen                      erschrocken bin, als ich vernommen, daß Herr D. Carpzov, was ich in Januario                      meiner teutschen Gespräche von Chrestophilo gemeldet, auf sich zöge, auch (weiln                      ich keiner Schlittenfahrt erwehne, und in übrigen in meiner Erzehlung viel                      andere Umstände mit seyn, die sich auf seine ärgerliche Predigt gantz nicht                      appliciren lassen) keinen andern Grund dieser application gegen andere erwehnet,                      als daß die Beschreibung des Chrestophili ihme gleich käme, denn er pflegte alle                      Leichen-Predigten anzunehmen, und thäte freylich dadurch seiner Gesundheit                      Schaden, er thäte aber dieses seinen Collegen zu weisen, daß es nicht nach ihren                      Köpffen gehen müste u. s. w. Ich läugne nicht, ich habe dieses anfangs nicht                      anders als eine grosse Ubereilung angenommen, und gemeynet, Herr D. Carpzov                      würde sich bald eines bessern besinnen. Denn entweder das im Januario                      befindliche portrait des Chrestophili ist ihm ähnlich oder nicht. Wenn dieses                      ist, warum und aus was für fundament nimmt er sich denn desselbigen an? Ist es                      ihm aber ähnlich, so dächte ich, Herr D. Carpzov thäte besser, daß er gantz                      heimlich sich besserte, als daß er durch dessen applicirung auf sich, sich für                      der gantzen ehrbahrn Welt prostituirete, in Ansehen die Beschreibung <note place="left">Und deßhalb Wieder den <hi rendition="#i">Autorem</hi> erregten und <hi rendition="#i">contituirt</hi>en gegenwärti-</note>des                      Chrestophili einen formalen Atheisten abbildet, der nicht einer, sondern hundert                      Inquisitionen schuldig ist. Wie dem allen aber, so hat dennoch Herr C. bloß                      wegen dieser Beschreibung des Chrestophili alle gegenwärtige Uneinigkeit                      angefangen, und von der Zeit an seine unversöhnliche Rachgier in vielen                      Gelegenheiten blicken lassen, indem er 1) die von dem Ministerio unterschriebene                      hatte und höchstanzügliche Denunciation entweder selbst concipiret, oder doch                      concipiren lassen, 2) in dieselbige noch viel härtere terminos gesetzet, als                      jetzo darinnen befunden werden, 3) folgends auf der Cantzel theils mich, als ob                      ich ihm
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0132] auch kein ärgerlicher Excess dabey fürgegangen, hat er alsobald darauf in einer Leich-Predigt, mit Beschimpffung seines heil. Amts ohne alle gegebene Ursache diese unsre zulaßliche Lust, auf die Cantzel gebracht, fürnehmlich Herrn Bürgemeister St. dem er doch aus vielfältigen Ursachen Respect und Ehrerbietung schuldig, recht ärgerlich für dem gemeinen Volck als einen alten Narren prostituiret, auch die übrige gantze Gesellschafft und folgbar auch mich, als Narren, die sich mit Schellen behiengen, wieder alle göttliche und weltliche Rechte, gescholten. Wiewohl nun dieses alles, so jetzo angeführet, mich vielleicht würde entschuldigen können, wenn ich aus menschlicher Schwachheit bey so vielfältigen Zunöthigungen, auch wieder einen Excess begangen hätte, so kan ich doch wohl sagen, daß ich von Hertzen erschrocken bin, als ich vernommen, daß Herr D. Carpzov, was ich in Januario meiner teutschen Gespräche von Chrestophilo gemeldet, auf sich zöge, auch (weiln ich keiner Schlittenfahrt erwehne, und in übrigen in meiner Erzehlung viel andere Umstände mit seyn, die sich auf seine ärgerliche Predigt gantz nicht appliciren lassen) keinen andern Grund dieser application gegen andere erwehnet, als daß die Beschreibung des Chrestophili ihme gleich käme, denn er pflegte alle Leichen-Predigten anzunehmen, und thäte freylich dadurch seiner Gesundheit Schaden, er thäte aber dieses seinen Collegen zu weisen, daß es nicht nach ihren Köpffen gehen müste u. s. w. Ich läugne nicht, ich habe dieses anfangs nicht anders als eine grosse Ubereilung angenommen, und gemeynet, Herr D. Carpzov würde sich bald eines bessern besinnen. Denn entweder das im Januario befindliche portrait des Chrestophili ist ihm ähnlich oder nicht. Wenn dieses ist, warum und aus was für fundament nimmt er sich denn desselbigen an? Ist es ihm aber ähnlich, so dächte ich, Herr D. Carpzov thäte besser, daß er gantz heimlich sich besserte, als daß er durch dessen applicirung auf sich, sich für der gantzen ehrbahrn Welt prostituirete, in Ansehen die Beschreibung des Chrestophili einen formalen Atheisten abbildet, der nicht einer, sondern hundert Inquisitionen schuldig ist. Wie dem allen aber, so hat dennoch Herr C. bloß wegen dieser Beschreibung des Chrestophili alle gegenwärtige Uneinigkeit angefangen, und von der Zeit an seine unversöhnliche Rachgier in vielen Gelegenheiten blicken lassen, indem er 1) die von dem Ministerio unterschriebene hatte und höchstanzügliche Denunciation entweder selbst concipiret, oder doch concipiren lassen, 2) in dieselbige noch viel härtere terminos gesetzet, als jetzo darinnen befunden werden, 3) folgends auf der Cantzel theils mich, als ob ich ihm Leute tou chiret. 4) Wegen gantz unvernünfftiger applicirung dessen / was in Januario von Chrestophilo gedacht wird / auf sich selbst Und deßhalb Wieder den Autorem erregten und contituirten gegenwärti-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/132
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/132>, abgerufen am 23.11.2024.