Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

gesetzten Eusebium tractir et er so verächtlich / als wenn er Eusebius, und Eusebius Chrestophilus wäre. Seine Untern regierer ex auf solche Weise, als wenn ein Imperium despoticum in der Chrißlichen Kirche seyn müste; das ihm anvertraute Amt vorwalret et nicht, wenn er soll, sondern wenn es ihm beliebt, weil er wohl weiß, daß ihm seine Einkünffre niemand wegnimmet, im Gegentheil, wo er seinen armen Mit Brüdern ein accidens Wegnehmen kan, da liesse er keine Gelegenheit aus Händen gehen, und wenn es gleich mit Gefahr seiner Gesundheit gesehehen solte; wenn das Volck zu einer betrübten oder ernsthafften Andachr soll gereitzet werden, will er dieselbe mit unflätigen Zoten / oder lächerlichen Redens-Arten erwecken, daß er öffters genöthiger wird, für dem allgemeinen Gelächter seiner Zuhörer innen zu halten; und wenn er einen schmähen will, thut er solches in seinen homilien gantz ungescheuet, und ist doch hernach so unverschämt / oder so verzagt, daß er bey denen erschrecklichsten Schwüren sich vermißt, er habe denjenigen, den er doch so demlich beschreibt, als wenn er ihn mit Nahmen genennet hätte, gantz nicht gemeynet. Und wie solte er Privat Personen verschonen, da er sich nicht entziehet, hohe Häupter selbsten ehrenrührig anzugreiffen: Solte ich aber von seinen privat-Leben und denen darinnen vorlauffenden unzehlichen prostitationen und Aergernüssen, die durch viele Zeugen erwiesen werden können, ja die der gantzen Stadt bekandt sind, anfangen zu erzehlen, würde ich heute nicht fertig werden. Jedoch erzehlte mir Socrates etliche davon / an denen ich so viel zu hören hatte, daß mir beyde Ohren gälleten. Ich sprach: desto meht Ursache hätre Socrates, die erwiesene Schmach an Chrestophilo zu rächen. Er antwortete aber: Mein lieber Herr Fontange, er ist noch jung und unerfahren, mit Mehrung der Jahre wird er gantz anderer Meynung werden. Solte ich mir den Tort anthun, mich mit Chrestophilo in einen Zanck und offenbahre collision einzulassen, und meine Gemüths-Ruhe zu stören. Wie viel Stunden müste ich verderben, die ich zu Fortsetzung und Endigung desselben anwenden müste, zumahl ich mit einen solchen Manne würde zu thun kriegen, der nicht unterlassen würde, alles auf das äusserste zu treiben, und so unverschämt ist, daß er alle Wochen an statt seiner Predigrendem Volck unsern Proceßher erzehlen, und auf

gesetzten Eusebium tractir et er so verächtlich / als wenn er Eusebius, und Eusebius Chrestophilus wäre. Seine Untern regierer ex auf solche Weise, als wenn ein Imperium despoticum in der Chrißlichen Kirche seyn müste; das ihm anvertraute Amt vorwalret et nicht, wenn er soll, sondern wenn es ihm beliebt, weil er wohl weiß, daß ihm seine Einkünffre niemand wegnimmet, im Gegentheil, wo er seinen armen Mit Brüdern ein accidens Wegnehmen kan, da liesse er keine Gelegenheit aus Händen gehen, und wenn es gleich mit Gefahr seiner Gesundheit gesehehen solte; wenn das Volck zu einer betrübten oder ernsthafften Andachr soll gereitzet werden, will er dieselbe mit unflätigen Zoten / oder lächerlichen Redens-Arten erwecken, daß er öffters genöthiger wird, für dem allgemeinen Gelächter seiner Zuhörer innen zu halten; und wenn er einen schmähen will, thut er solches in seinen homilien gantz ungescheuet, und ist doch hernach so unverschämt / oder so verzagt, daß er bey denen erschrecklichsten Schwüren sich vermißt, er habe denjenigen, den er doch so demlich beschreibt, als wenn er ihn mit Nahmen genennet hätte, gantz nicht gemeynet. Und wie solte er Privat Personen verschonen, da er sich nicht entziehet, hohe Häupter selbsten ehrenrührig anzugreiffen: Solte ich aber von seinen privat-Leben und denen darinnen vorlauffenden unzehlichen prostitationen und Aergernüssen, die durch viele Zeugen erwiesen werden können, ja die der gantzen Stadt bekandt sind, anfangen zu erzehlen, würde ich heute nicht fertig werden. Jedoch erzehlte mir Socrates etliche davon / an denen ich so viel zu hören hatte, daß mir beyde Ohren gälleten. Ich sprach: desto meht Ursache hätre Socrates, die erwiesene Schmach an Chrestophilo zu rächen. Er antwortete aber: Mein lieber Herr Fontange, er ist noch jung und unerfahren, mit Mehrung der Jahre wird er gantz anderer Meynung werden. Solte ich mir den Tort anthun, mich mit Chrestophilo in einen Zanck und offenbahre collision einzulassen, und meine Gemüths-Ruhe zu stören. Wie viel Stunden müste ich verderben, die ich zu Fortsetzung und Endigung desselben anwenden müste, zumahl ich mit einen solchen Manne würde zu thun kriegen, der nicht unterlassen würde, alles auf das äusserste zu treiben, und so unverschämt ist, daß er alle Wochen an statt seiner Predigrendem Volck unsern Proceßher erzehlen, und auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0067" n="61"/>
gesetzten <hi rendition="#i">Eusebium tractir</hi> et er so verächtlich / als wenn er <hi rendition="#i">Eusebius</hi>, und <hi rendition="#i">Eusebius                      Chrestophilus</hi> wäre. Seine Untern regierer ex auf solche Weise, als wenn ein <hi rendition="#i">Imperium despoticum</hi> in der Chrißlichen Kirche seyn                      müste; das ihm anvertraute Amt vorwalret et nicht, wenn er soll, sondern wenn es                      ihm beliebt, weil er wohl weiß, daß ihm seine Einkünffre niemand wegnimmet, im                      Gegentheil, wo er seinen armen Mit Brüdern ein <hi rendition="#i">accidens</hi> Wegnehmen kan, da liesse er keine Gelegenheit aus Händen gehen, und wenn es                      gleich mit Gefahr seiner Gesundheit gesehehen solte; wenn das Volck zu einer                      betrübten oder ernsthafften Andachr soll gereitzet werden, will er dieselbe mit                      unflätigen Zoten / oder lächerlichen Redens-Arten erwecken, daß er öffters                      genöthiger wird, für dem allgemeinen Gelächter seiner Zuhörer innen zu halten;                      und wenn er einen schmähen will, thut er solches in seinen <hi rendition="#i">homili</hi>en gantz ungescheuet, und ist doch hernach so unverschämt / oder                      so verzagt, daß er bey denen erschrecklichsten Schwüren sich vermißt, er habe                      denjenigen, den er doch so demlich beschreibt, als wenn er ihn mit Nahmen                      genennet hätte, gantz nicht gemeynet. Und wie solte er <hi rendition="#i">Privat</hi> Personen verschonen, da er sich nicht entziehet, hohe Häupter                      selbsten ehrenrührig anzugreiffen: Solte ich aber von seinen <hi rendition="#i">privat</hi>-Leben und denen darinnen vorlauffenden unzehlichen <hi rendition="#i">prostitation</hi>en und Aergernüssen, die durch viele Zeugen                      erwiesen werden können, ja die der gantzen Stadt bekandt sind, anfangen zu                      erzehlen, würde ich heute nicht fertig werden. Jedoch erzehlte mir <hi rendition="#i">Socrates</hi> etliche davon / an denen ich so viel zu hören                      hatte, daß mir beyde Ohren gälleten. Ich sprach: desto meht Ursache hätre <hi rendition="#i">Socrates</hi>, die erwiesene Schmach an <hi rendition="#i">Chrestophilo</hi> zu rächen. Er antwortete aber: Mein lieber Herr <hi rendition="#i">Fontange</hi>, er ist noch jung und unerfahren, mit Mehrung                      der Jahre wird er gantz anderer Meynung werden. Solte ich mir den Tort anthun,                      mich mit <hi rendition="#i">Chrestophilo</hi> in einen Zanck und offenbahre <hi rendition="#i">collision</hi> einzulassen, und meine Gemüths-Ruhe zu stören.                      Wie viel Stunden müste ich verderben, die ich zu Fortsetzung und Endigung                      desselben anwenden müste, zumahl ich mit einen solchen Manne würde zu thun                      kriegen, der nicht unterlassen würde, alles auf das äusserste zu treiben, und so                      unverschämt ist, daß er alle Wochen an statt seiner Predigrendem Volck unsern <hi rendition="#i">Proceß</hi>her erzehlen, und auf
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0067] gesetzten Eusebium tractir et er so verächtlich / als wenn er Eusebius, und Eusebius Chrestophilus wäre. Seine Untern regierer ex auf solche Weise, als wenn ein Imperium despoticum in der Chrißlichen Kirche seyn müste; das ihm anvertraute Amt vorwalret et nicht, wenn er soll, sondern wenn es ihm beliebt, weil er wohl weiß, daß ihm seine Einkünffre niemand wegnimmet, im Gegentheil, wo er seinen armen Mit Brüdern ein accidens Wegnehmen kan, da liesse er keine Gelegenheit aus Händen gehen, und wenn es gleich mit Gefahr seiner Gesundheit gesehehen solte; wenn das Volck zu einer betrübten oder ernsthafften Andachr soll gereitzet werden, will er dieselbe mit unflätigen Zoten / oder lächerlichen Redens-Arten erwecken, daß er öffters genöthiger wird, für dem allgemeinen Gelächter seiner Zuhörer innen zu halten; und wenn er einen schmähen will, thut er solches in seinen homilien gantz ungescheuet, und ist doch hernach so unverschämt / oder so verzagt, daß er bey denen erschrecklichsten Schwüren sich vermißt, er habe denjenigen, den er doch so demlich beschreibt, als wenn er ihn mit Nahmen genennet hätte, gantz nicht gemeynet. Und wie solte er Privat Personen verschonen, da er sich nicht entziehet, hohe Häupter selbsten ehrenrührig anzugreiffen: Solte ich aber von seinen privat-Leben und denen darinnen vorlauffenden unzehlichen prostitationen und Aergernüssen, die durch viele Zeugen erwiesen werden können, ja die der gantzen Stadt bekandt sind, anfangen zu erzehlen, würde ich heute nicht fertig werden. Jedoch erzehlte mir Socrates etliche davon / an denen ich so viel zu hören hatte, daß mir beyde Ohren gälleten. Ich sprach: desto meht Ursache hätre Socrates, die erwiesene Schmach an Chrestophilo zu rächen. Er antwortete aber: Mein lieber Herr Fontange, er ist noch jung und unerfahren, mit Mehrung der Jahre wird er gantz anderer Meynung werden. Solte ich mir den Tort anthun, mich mit Chrestophilo in einen Zanck und offenbahre collision einzulassen, und meine Gemüths-Ruhe zu stören. Wie viel Stunden müste ich verderben, die ich zu Fortsetzung und Endigung desselben anwenden müste, zumahl ich mit einen solchen Manne würde zu thun kriegen, der nicht unterlassen würde, alles auf das äusserste zu treiben, und so unverschämt ist, daß er alle Wochen an statt seiner Predigrendem Volck unsern Proceßher erzehlen, und auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/67
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/67>, abgerufen am 21.11.2024.