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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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Systematica dergleichen Hoff-Kirchen pflegen Ecclesiae incompletae genemet zu werden. Voetius Polit. Eccles. Part I. Tract. 1. l. 1. c. 5. p. 76. Da nun ein Hoff Prediger so unverschämt seyn solte, daß er gegen seinen Fürsten den Binde-Schlüssel brauchen oder denselben nur damit betrohen wolte, würde solches eben so unverschämt ja nach unförmlicher herauskommen, als wenn ein armer Praeceptor, den ein ehrlicher Bürger angenommen hätte, ihm und seinen Kindern und Gesinde die Postille zu lesen oder auch aus seinen eigenen Kopffe die Evangelia zu erklähren sich eines Straff-Amts gegen diesen ehrlichen Mann, der ihn alle Augenblick die Schippe geben könte, und dem er seine subsistenz zudancken hätte, unterfangen, ihn hoffmeistern, reprimendiren, und von seinen Weib und Kindern bey Lesung der Postille absondern wollte; gesetzt auch daß dieser Praeceptor (wie es nicht eben unmöglich ist) zu dieser function wäre ordiniret worden.

Wolte nun etwann jemand hierbey einwenden, daß dieser Satz,(VII) Noch weniger kan ein Evangelischer Fürst von H. Abendmahl ausgeschlossen werden, wenn er gleich in faveur der Päbstischen Religion etwas begienge. von der Unbefugnüß des Predig-Amts ihre Principes zu excommuniciren, zwar quoad regulam ihre Richtigkeit habe, aber doch, wie insgemein alle Reguln, ihre exceptiones leide, und sonderlich eine Ausnahme davon gemacht werden müsse, wenn ein Evangelischer Fürst etwas begehe, das der Päbstischen Religion favorisire, und daraus der Lutherischen Religion ein grosses praejudicium zu wachsen könne, so wäre doch VII. auch hierauff leichtlich zu antworten; 1) daß diese exceptio mit nichts bewiesen werden könne, und es eben so absurd sey, an diese exception zu gedencken, als wenn man deliberiren wolte, ob ein Mensch den die eine Hand abgehauen wäre, doch nicht in gewissen Fällen damit zugreiffen könte. Was aber etwann oben ex numero V. rationum dubitandi zu colorirung dieser exception angeführet werden könte, darauf soll schon unten gebührend geantwortet werden. 2) Da nun diejenigen, so sich auff diese exception beruffen dörfften, dieselbe zu beweisen unvermögend sind, darff es uns eben nicht zugemuthet werden das Gegentheil zu beweisen, indem es genug ist, daß wir die bißher ad nauseam usque demonstrirte Regul für uns haben. 3) Es kan aber dennoch zum Uberfluß gar leichte gezeiget werden, daß Evangelische Prediger sich auch sub hoc praetextu, und zwar noch weniger, als wegen andrer Ursachen, des Binde-Schlüssels contra Principem anmassen können. Denn ob es wohl an dem ist, daß der Zwiespalt und die Uneinigkeit zwischen denen Teutschen Reichs-Ständen fast eintzig und alleine denen unterschiedenen Religionen auch in denen Reichs-

Systematica dergleichen Hoff-Kirchen pflegen Ecclesiae incompletae genemet zu werden. Voëtius Polit. Eccles. Part I. Tract. 1. l. 1. c. 5. p. 76. Da nun ein Hoff Prediger so unverschämt seyn solte, daß er gegen seinen Fürsten den Binde-Schlüssel brauchen oder denselben nur damit betrohen wolte, würde solches eben so unverschämt ja nach unförmlicher herauskommen, als wenn ein armer Praeceptor, den ein ehrlicher Bürger angenommen hätte, ihm und seinen Kindern und Gesinde die Postille zu lesen oder auch aus seinen eigenen Kopffe die Evangelia zu erklähren sich eines Straff-Amts gegen diesen ehrlichen Mann, der ihn alle Augenblick die Schippe geben könte, und dem er seine subsistenz zudancken hätte, unterfangen, ihn hoffmeistern, reprimendiren, und von seinen Weib und Kindern bey Lesung der Postille absondern wollte; gesetzt auch daß dieser Praeceptor (wie es nicht eben unmöglich ist) zu dieser function wäre ordiniret worden.

Wolte nun etwann jemand hierbey einwenden, daß dieser Satz,(VII) Noch weniger kan ein Evangelischer Fürst von H. Abendmahl ausgeschlossen werden, wenn er gleich in faveur der Päbstischen Religion etwas begienge. von der Unbefugnüß des Predig-Amts ihre Principes zu excommuniciren, zwar quoad regulam ihre Richtigkeit habe, aber doch, wie insgemein alle Reguln, ihre exceptiones leide, und sonderlich eine Ausnahme davon gemacht werden müsse, wenn ein Evangelischer Fürst etwas begehe, das der Päbstischen Religion favorisire, und daraus der Lutherischen Religion ein grosses praejudicium zu wachsen könne, so wäre doch VII. auch hierauff leichtlich zu antworten; 1) daß diese exceptio mit nichts bewiesen werden könne, und es eben so absurd sey, an diese exception zu gedencken, als wenn man deliberiren wolte, ob ein Mensch den die eine Hand abgehauen wäre, doch nicht in gewissen Fällen damit zugreiffen könte. Was aber etwann oben ex numero V. rationum dubitandi zu colorirung dieser exception angeführet werden könte, darauf soll schon unten gebührend geantwortet werden. 2) Da nun diejenigen, so sich auff diese exception beruffen dörfften, dieselbe zu beweisen unvermögend sind, darff es uns eben nicht zugemuthet werden das Gegentheil zu beweisen, indem es genug ist, daß wir die bißher ad nauseam usque demonstrirte Regul für uns haben. 3) Es kan aber dennoch zum Uberfluß gar leichte gezeiget werden, daß Evangelische Prediger sich auch sub hoc praetextu, und zwar noch weniger, als wegen andrer Ursachen, des Binde-Schlüssels contra Principem anmassen können. Denn ob es wohl an dem ist, daß der Zwiespalt und die Uneinigkeit zwischen denen Teutschen Reichs-Ständen fast eintzig und alleine denen unterschiedenen Religionen auch in denen Reichs-

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[153/0161] Systematica dergleichen Hoff-Kirchen pflegen Ecclesiae incompletae genemet zu werden. Voëtius Polit. Eccles. Part I. Tract. 1. l. 1. c. 5. p. 76. Da nun ein Hoff Prediger so unverschämt seyn solte, daß er gegen seinen Fürsten den Binde-Schlüssel brauchen oder denselben nur damit betrohen wolte, würde solches eben so unverschämt ja nach unförmlicher herauskommen, als wenn ein armer Praeceptor, den ein ehrlicher Bürger angenommen hätte, ihm und seinen Kindern und Gesinde die Postille zu lesen oder auch aus seinen eigenen Kopffe die Evangelia zu erklähren sich eines Straff-Amts gegen diesen ehrlichen Mann, der ihn alle Augenblick die Schippe geben könte, und dem er seine subsistenz zudancken hätte, unterfangen, ihn hoffmeistern, reprimendiren, und von seinen Weib und Kindern bey Lesung der Postille absondern wollte; gesetzt auch daß dieser Praeceptor (wie es nicht eben unmöglich ist) zu dieser function wäre ordiniret worden. Wolte nun etwann jemand hierbey einwenden, daß dieser Satz, von der Unbefugnüß des Predig-Amts ihre Principes zu excommuniciren, zwar quoad regulam ihre Richtigkeit habe, aber doch, wie insgemein alle Reguln, ihre exceptiones leide, und sonderlich eine Ausnahme davon gemacht werden müsse, wenn ein Evangelischer Fürst etwas begehe, das der Päbstischen Religion favorisire, und daraus der Lutherischen Religion ein grosses praejudicium zu wachsen könne, so wäre doch VII. auch hierauff leichtlich zu antworten; 1) daß diese exceptio mit nichts bewiesen werden könne, und es eben so absurd sey, an diese exception zu gedencken, als wenn man deliberiren wolte, ob ein Mensch den die eine Hand abgehauen wäre, doch nicht in gewissen Fällen damit zugreiffen könte. Was aber etwann oben ex numero V. rationum dubitandi zu colorirung dieser exception angeführet werden könte, darauf soll schon unten gebührend geantwortet werden. 2) Da nun diejenigen, so sich auff diese exception beruffen dörfften, dieselbe zu beweisen unvermögend sind, darff es uns eben nicht zugemuthet werden das Gegentheil zu beweisen, indem es genug ist, daß wir die bißher ad nauseam usque demonstrirte Regul für uns haben. 3) Es kan aber dennoch zum Uberfluß gar leichte gezeiget werden, daß Evangelische Prediger sich auch sub hoc praetextu, und zwar noch weniger, als wegen andrer Ursachen, des Binde-Schlüssels contra Principem anmassen können. Denn ob es wohl an dem ist, daß der Zwiespalt und die Uneinigkeit zwischen denen Teutschen Reichs-Ständen fast eintzig und alleine denen unterschiedenen Religionen auch in denen Reichs- (VII) Noch weniger kan ein Evangelischer Fürst von H. Abendmahl ausgeschlossen werden, wenn er gleich in faveur der Päbstischen Religion etwas begienge.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/161>, abgerufen am 23.11.2024.