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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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vehantur in dissentientes & in Imperio religionis intuitu receptos. Dn. Auch die Ketzermacherey eine von denen gröbsten Brocken des politischen Pabstthums ist.de Rhez de jure princ. circa sacra cap. 4. n. 7. p. 76. Derowegen, wenn man Evangelischen Predigern nur dieses einräumen würde, daß sie um Religions-Sachen oder Ketzerey willen die hohe Landes-Obrigkeit excommuniciren könte, würde das völlige Pabstthum unter uns einreissen, denn dadurch hat der Pabst seine Thranney am meisten befestiget, daß er erstlich dem Volck weiß gemacht, die Ketzerey sey das allerschändlichste Laster, und ärger als der Teuffel selbst, indem man noch niemahln den Teuffel einen Ketzer gescholten; und nach dieser persuasion vermittelst der Päbstischen oder Spanischen Inquisition viel tausend arme unschuldige Seelen zum Feuer verdammt, und jämmerlich verbrennen lassen; auch unter dem praetext der Ketzerey Könige und Fürsten excommuniciret hat. Denn da er einmahl das arme Volck durch den Popantz der Ketzerey hatte zu fürchten gemacht, war er hernach capable alle ehrliche Leute unter diesen praetext zu verfolgen, indem auch dieses für eine Ketzerey gehalten wurde, wenn man sich nur des juris Regii annehmen und behaupten wolte, daß der Pabst die Könige nicht in Bann thun könte, oder auch nur sonst in geringsten nach des Pabsts und seiner Clerisey Pfeiffe zu tantzen sich wegerte. Petrus Molinaeus de poenitentia lib. 8. cap. 29. ubi rem plurimis exemplis demonstrat. So werden auch von denen Orthodoxesten und eyffrigsten Lehrern selbst nicht alle Papisten mit ihrer Religion für so arge und greuliche Ketzer gehalten, daß man ihrenthalben so ein Lermen in der Kirche mit excommuniciren und dergleichen wüten machen solte.

Dieses wird mit einen merckwürdigen casu erläutert bey welchen die Theologi Wittebergenses den Unfug dergleichen Ketzermacherey erkennet.

Es ist der casus sehr merckwürdig, der sich anno 1561. zu Bautzen zugetragen, daselbst hatte ein Catholischer Closter-Vogt, der in der Päbstischen Religion erzogen und gebohren war, sonst aber die Lutherischen Kirchen besuchte, auch daselbst zum öfftern zu Gevattern gestanden, seinem Eheweib nicht verstatten wollen, daß sie das Nachtmahl unter beyderley Gestalt nehmen solte, und sie drüber ohne Empfang des Abendmahls sterben lassen, wie er denn selbst beständig das Abendmahl unter einerley Gestalt in einen Catholischen Kloster gebrauchte. Die serhalben hatten ihn die Evangelische Prediger zu Bautzen von ihrer Kirche, daß er daselbst nicht mehr Predigt hören noch zu Gevattern stehen solte, excommuniciret, der Klostervogt aber hatte dieses, wie billich, als eine weltliche Befchimpffung angenommen, und es dahin gebracht, daß denen Evangelischen Predigern so lange ihre accidentia, die

vehantur in dissentientes & in Imperio religionis intuitu receptos. Dn. Auch die Ketzermacherey eine von denen gröbsten Brocken des politischen Pabstthums ist.de Rhez de jure princ. circa sacra cap. 4. n. 7. p. 76. Derowegen, wenn man Evangelischen Predigern nur dieses einräumen würde, daß sie um Religions-Sachen oder Ketzerey willen die hohe Landes-Obrigkeit excommuniciren könte, würde das völlige Pabstthum unter uns einreissen, denn dadurch hat der Pabst seine Thranney am meisten befestiget, daß er erstlich dem Volck weiß gemacht, die Ketzerey sey das allerschändlichste Laster, und ärger als der Teuffel selbst, indem man noch niemahln den Teuffel einen Ketzer gescholten; und nach dieser persuasion vermittelst der Päbstischen oder Spanischen Inquisition viel tausend arme unschuldige Seelen zum Feuer verdammt, und jämmerlich verbrennen lassen; auch unter dem praetext der Ketzerey Könige und Fürsten excommuniciret hat. Denn da er einmahl das arme Volck durch den Popantz der Ketzerey hatte zu fürchten gemacht, war er hernach capable alle ehrliche Leute unter diesen praetext zu verfolgen, indem auch dieses für eine Ketzerey gehalten wurde, wenn man sich nur des juris Regii annehmen und behaupten wolte, daß der Pabst die Könige nicht in Bann thun könte, oder auch nur sonst in geringsten nach des Pabsts und seiner Clerisey Pfeiffe zu tantzen sich wegerte. Petrus Molinaeus de poenitentia lib. 8. cap. 29. ubi rem plurimis exemplis demonstrat. So werden auch von denen Orthodoxesten und eyffrigsten Lehrern selbst nicht alle Papisten mit ihrer Religion für so arge und greuliche Ketzer gehalten, daß man ihrenthalben so ein Lermen in der Kirche mit excommuniciren und dergleichen wüten machen solte.

Dieses wird mit einen merckwürdigen casu erläutert bey welchen die Theologi Wittebergenses den Unfug dergleichen Ketzermacherey erkennet.

Es ist der casus sehr merckwürdig, der sich anno 1561. zu Bautzen zugetragen, daselbst hatte ein Catholischer Closter-Vogt, der in der Päbstischen Religion erzogen und gebohren war, sonst aber die Lutherischen Kirchen besuchte, auch daselbst zum öfftern zu Gevattern gestanden, seinem Eheweib nicht verstatten wollen, daß sie das Nachtmahl unter beyderley Gestalt nehmen solte, und sie drüber ohne Empfang des Abendmahls sterben lassen, wie er denn selbst beständig das Abendmahl unter einerley Gestalt in einen Catholischen Kloster gebrauchte. Die serhalben hatten ihn die Evangelische Prediger zu Bautzen von ihrer Kirche, daß er daselbst nicht mehr Predigt hören noch zu Gevattern stehen solte, excommuniciret, der Klostervogt aber hatte dieses, wie billich, als eine weltliche Befchimpffung angenommen, und es dahin gebracht, daß denen Evangelischen Predigern so lange ihre accidentia, die

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[156/0164] vehantur in dissentientes & in Imperio religionis intuitu receptos. Dn. de Rhez de jure princ. circa sacra cap. 4. n. 7. p. 76. Derowegen, wenn man Evangelischen Predigern nur dieses einräumen würde, daß sie um Religions-Sachen oder Ketzerey willen die hohe Landes-Obrigkeit excommuniciren könte, würde das völlige Pabstthum unter uns einreissen, denn dadurch hat der Pabst seine Thranney am meisten befestiget, daß er erstlich dem Volck weiß gemacht, die Ketzerey sey das allerschändlichste Laster, und ärger als der Teuffel selbst, indem man noch niemahln den Teuffel einen Ketzer gescholten; und nach dieser persuasion vermittelst der Päbstischen oder Spanischen Inquisition viel tausend arme unschuldige Seelen zum Feuer verdammt, und jämmerlich verbrennen lassen; auch unter dem praetext der Ketzerey Könige und Fürsten excommuniciret hat. Denn da er einmahl das arme Volck durch den Popantz der Ketzerey hatte zu fürchten gemacht, war er hernach capable alle ehrliche Leute unter diesen praetext zu verfolgen, indem auch dieses für eine Ketzerey gehalten wurde, wenn man sich nur des juris Regii annehmen und behaupten wolte, daß der Pabst die Könige nicht in Bann thun könte, oder auch nur sonst in geringsten nach des Pabsts und seiner Clerisey Pfeiffe zu tantzen sich wegerte. Petrus Molinaeus de poenitentia lib. 8. cap. 29. ubi rem plurimis exemplis demonstrat. So werden auch von denen Orthodoxesten und eyffrigsten Lehrern selbst nicht alle Papisten mit ihrer Religion für so arge und greuliche Ketzer gehalten, daß man ihrenthalben so ein Lermen in der Kirche mit excommuniciren und dergleichen wüten machen solte. Auch die Ketzermacherey eine von denen gröbsten Brocken des politischen Pabstthums ist. Es ist der casus sehr merckwürdig, der sich anno 1561. zu Bautzen zugetragen, daselbst hatte ein Catholischer Closter-Vogt, der in der Päbstischen Religion erzogen und gebohren war, sonst aber die Lutherischen Kirchen besuchte, auch daselbst zum öfftern zu Gevattern gestanden, seinem Eheweib nicht verstatten wollen, daß sie das Nachtmahl unter beyderley Gestalt nehmen solte, und sie drüber ohne Empfang des Abendmahls sterben lassen, wie er denn selbst beständig das Abendmahl unter einerley Gestalt in einen Catholischen Kloster gebrauchte. Die serhalben hatten ihn die Evangelische Prediger zu Bautzen von ihrer Kirche, daß er daselbst nicht mehr Predigt hören noch zu Gevattern stehen solte, excommuniciret, der Klostervogt aber hatte dieses, wie billich, als eine weltliche Befchimpffung angenommen, und es dahin gebracht, daß denen Evangelischen Predigern so lange ihre accidentia, die

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/164>, abgerufen am 24.11.2024.