Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

es gründet sich auf eigene Freyheit, und will nur nicht gezwungen seyn, dieses aber will andre Leute binden und zwingen. Wenn die Beichte von Christo eingesetzt wäre, möchten die Prediger sich wohl damit entschuldigen, daß sie ja keiner Gewalt sich anmasseten, wenn sie einen nicht absolvireten, sondern nur dasjenige nicht thäten, was sie nach ihren Gewissen nicht thun könten, und wenn auch ihr conscientia erronea seyn solte, solte man sich doch ihrer erbarmen und nicht in sie dringen, daß sie wider ihr Gewissen handelten. Dieweil aber der Beichtstuhl als vorher gezeiget worden, in der Kirche wegen guter Ordnung von Menschen erfunden ist, und dabey hergebracht, daß es sich nicht schicke, einen unabsolvirten zur Beichte zu lassen, hat das Pabstthum dadurch Gelegenheit genommen, einen eben durch die Versagung der Absolution von Abendmahl zu stossen, und actum positivum cum negativo zu cumuliren, auch so dann den praetext des Gewissens zum öfftern zum Deckel der Boßheit zu gebrauchen, und aus der Versagung der Beichte einen Binde-Schlüssel und actum jurisdictionis sich zu schmieden. Man kan aber bald erkennen, ob ein Prediger ex conscientia etiamKennzeichen eines aus Schwachheit irrenden Predigers, errante jemand die Absolution versaget, ohne sich eines Zwanges anzumassen, der wird bescheidentliche Vorstellung bey seiner Obrigkeit thun, warum er solches nicht thun könne, er wird bitten und flehen, man solle ihn nicht nöthigen, wider sein Gewissen etwas zu thun, er wird sich erklähren, daß er denen Befehlen der Obrigkeit nicht widerstreben wolle, weil er aber wegen seines Gewissens solches nicht thun könne, wird er demüthig bitten, ihn lieber honeste zu dimittiren u. s. w. Ist er aberUnd einestrotzigen Gern-Pabsts. von denen Principiis des Pabstthums eingenommen, so setzet er alle Bescheidenheit gegen die Obrigkeit beyseit, er fraget dieselbe nicht, was zu thun sey, sondern er trotzet auf sein Amt und Binde Schlüssel, er fängt ab executione an, er trotzet, daß er sich lieber 1000mahl wolle absetzen lassen, als der Obrigkeit Befehlen gehorchen, er macht auff der Cantzel das Volck wieder die Obrigkeit rege, und schilt auff die Obrigkeitlichen Befehle und Verordnungen, sonderlich aber wenn man ihn seines Amts erlassen will: oder wenn er ja es so grob nicht macht, so sucht er doch mit ausgekünstelten Seuffzen und Klagen, und dabey gemißbrauchten Oertern der heiligen Schrifft das Volck wieder die Herrschafft zu erregen, welches, wie es hämischer als das erste ist, also ist es auch desto gefährlicher, und straffwürdiger.

es gründet sich auf eigene Freyheit, und will nur nicht gezwungen seyn, dieses aber will andre Leute binden und zwingen. Wenn die Beichte von Christo eingesetzt wäre, möchten die Prediger sich wohl damit entschuldigen, daß sie ja keiner Gewalt sich anmasseten, wenn sie einen nicht absolvireten, sondern nur dasjenige nicht thäten, was sie nach ihren Gewissen nicht thun könten, und wenn auch ihr conscientia erronea seyn solte, solte man sich doch ihrer erbarmen und nicht in sie dringen, daß sie wider ihr Gewissen handelten. Dieweil aber der Beichtstuhl als vorher gezeiget worden, in der Kirche wegen guter Ordnung von Menschen erfunden ist, und dabey hergebracht, daß es sich nicht schicke, einen unabsolvirten zur Beichte zu lassen, hat das Pabstthum dadurch Gelegenheit genommen, einen eben durch die Versagung der Absolution von Abendmahl zu stossen, und actum positivum cum negativo zu cumuliren, auch so dann den praetext des Gewissens zum öfftern zum Deckel der Boßheit zu gebrauchen, und aus der Versagung der Beichte einen Binde-Schlüssel und actum jurisdictionis sich zu schmieden. Man kan aber bald erkennen, ob ein Prediger ex conscientia etiamKeñzeichen eines aus Schwachheit irrenden Predigers, errante jemand die Absolution versaget, ohne sich eines Zwanges anzumassen, der wird bescheidentliche Vorstellung bey seiner Obrigkeit thun, warum er solches nicht thun könne, er wird bitten und flehen, man solle ihn nicht nöthigen, wider sein Gewissen etwas zu thun, er wird sich erklähren, daß er denen Befehlen der Obrigkeit nicht widerstreben wolle, weil er aber wegen seines Gewissens solches nicht thun könne, wird er demüthig bitten, ihn lieber honeste zu dimittiren u. s. w. Ist er aberUnd einestrotzigen Gern-Pabsts. von denen Principiis des Pabstthums eingenommen, so setzet er alle Bescheidenheit gegen die Obrigkeit beyseit, er fraget dieselbe nicht, was zu thun sey, sondern er trotzet auf sein Amt und Binde Schlüssel, er fängt ab executione an, er trotzet, daß er sich lieber 1000mahl wolle absetzen lassen, als der Obrigkeit Befehlen gehorchen, er macht auff der Cantzel das Volck wieder die Obrigkeit rege, und schilt auff die Obrigkeitlichen Befehle und Verordnungen, sonderlich aber wenn man ihn seines Amts erlassen will: oder wenn er ja es so grob nicht macht, so sucht er doch mit ausgekünstelten Seuffzen und Klagen, und dabey gemißbrauchten Oertern der heiligen Schrifft das Volck wieder die Herrschafft zu erregen, welches, wie es hämischer als das erste ist, also ist es auch desto gefährlicher, und straffwürdiger.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0181" n="173"/>
es gründet sich auf eigene                      Freyheit, und will nur nicht gezwungen seyn, dieses aber will andre Leute binden                      und zwingen. Wenn die Beichte von Christo eingesetzt wäre, möchten die Prediger                      sich wohl damit entschuldigen, daß sie ja keiner Gewalt sich anmasseten, wenn                      sie einen nicht absolvireten, sondern nur dasjenige nicht thäten, was sie nach                      ihren Gewissen nicht thun könten, und wenn auch ihr conscientia erronea seyn                      solte, solte man sich doch ihrer erbarmen und nicht in sie dringen, daß sie                      wider ihr Gewissen handelten. Dieweil aber der Beichtstuhl als vorher gezeiget                      worden, in der Kirche wegen guter Ordnung von Menschen erfunden ist, und dabey                      hergebracht, daß es sich nicht schicke, einen unabsolvirten zur Beichte zu                      lassen, hat das Pabstthum dadurch Gelegenheit genommen, einen eben durch die                      Versagung der Absolution von Abendmahl zu stossen, und actum positivum cum                      negativo zu cumuliren, auch so dann den praetext des Gewissens zum öfftern zum                      Deckel der Boßheit zu gebrauchen, und aus der Versagung der Beichte einen                      Binde-Schlüssel und actum jurisdictionis sich zu schmieden. Man kan aber bald                      erkennen, ob ein Prediger ex conscientia etiam<note place="right">Ken&#x0303;zeichen eines aus Schwachheit irrenden Predigers,</note> errante                      jemand die Absolution versaget, ohne sich eines Zwanges anzumassen, der wird                      bescheidentliche Vorstellung bey seiner Obrigkeit thun, warum er solches nicht                      thun könne, er wird bitten und flehen, man solle ihn nicht nöthigen, wider sein                      Gewissen etwas zu thun, er wird sich erklähren, daß er denen Befehlen der                      Obrigkeit nicht widerstreben wolle, weil er aber wegen seines Gewissens solches                      nicht thun könne, wird er demüthig bitten, ihn lieber honeste zu dimittiren u.                      s. w. Ist er aber<note place="right">Und einestrotzigen Gern-Pabsts.</note> von                      denen Principiis des Pabstthums eingenommen, so setzet er alle Bescheidenheit                      gegen die Obrigkeit beyseit, er fraget dieselbe nicht, was zu thun sey, sondern                      er trotzet auf sein Amt und Binde Schlüssel, er fängt ab executione an, er                      trotzet, daß er sich lieber 1000mahl wolle absetzen lassen, als der Obrigkeit                      Befehlen gehorchen, er macht auff der Cantzel das Volck wieder die Obrigkeit                      rege, und schilt auff die Obrigkeitlichen Befehle und Verordnungen, sonderlich                      aber wenn man ihn seines Amts erlassen will: oder wenn er ja es so grob nicht                      macht, so sucht er doch mit ausgekünstelten Seuffzen und Klagen, und dabey                      gemißbrauchten Oertern der heiligen Schrifft das Volck wieder die Herrschafft zu                      erregen, welches, wie es hämischer als das erste ist, also ist es auch desto                      gefährlicher, und straffwürdiger.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0181] es gründet sich auf eigene Freyheit, und will nur nicht gezwungen seyn, dieses aber will andre Leute binden und zwingen. Wenn die Beichte von Christo eingesetzt wäre, möchten die Prediger sich wohl damit entschuldigen, daß sie ja keiner Gewalt sich anmasseten, wenn sie einen nicht absolvireten, sondern nur dasjenige nicht thäten, was sie nach ihren Gewissen nicht thun könten, und wenn auch ihr conscientia erronea seyn solte, solte man sich doch ihrer erbarmen und nicht in sie dringen, daß sie wider ihr Gewissen handelten. Dieweil aber der Beichtstuhl als vorher gezeiget worden, in der Kirche wegen guter Ordnung von Menschen erfunden ist, und dabey hergebracht, daß es sich nicht schicke, einen unabsolvirten zur Beichte zu lassen, hat das Pabstthum dadurch Gelegenheit genommen, einen eben durch die Versagung der Absolution von Abendmahl zu stossen, und actum positivum cum negativo zu cumuliren, auch so dann den praetext des Gewissens zum öfftern zum Deckel der Boßheit zu gebrauchen, und aus der Versagung der Beichte einen Binde-Schlüssel und actum jurisdictionis sich zu schmieden. Man kan aber bald erkennen, ob ein Prediger ex conscientia etiam errante jemand die Absolution versaget, ohne sich eines Zwanges anzumassen, der wird bescheidentliche Vorstellung bey seiner Obrigkeit thun, warum er solches nicht thun könne, er wird bitten und flehen, man solle ihn nicht nöthigen, wider sein Gewissen etwas zu thun, er wird sich erklähren, daß er denen Befehlen der Obrigkeit nicht widerstreben wolle, weil er aber wegen seines Gewissens solches nicht thun könne, wird er demüthig bitten, ihn lieber honeste zu dimittiren u. s. w. Ist er aber von denen Principiis des Pabstthums eingenommen, so setzet er alle Bescheidenheit gegen die Obrigkeit beyseit, er fraget dieselbe nicht, was zu thun sey, sondern er trotzet auf sein Amt und Binde Schlüssel, er fängt ab executione an, er trotzet, daß er sich lieber 1000mahl wolle absetzen lassen, als der Obrigkeit Befehlen gehorchen, er macht auff der Cantzel das Volck wieder die Obrigkeit rege, und schilt auff die Obrigkeitlichen Befehle und Verordnungen, sonderlich aber wenn man ihn seines Amts erlassen will: oder wenn er ja es so grob nicht macht, so sucht er doch mit ausgekünstelten Seuffzen und Klagen, und dabey gemißbrauchten Oertern der heiligen Schrifft das Volck wieder die Herrschafft zu erregen, welches, wie es hämischer als das erste ist, also ist es auch desto gefährlicher, und straffwürdiger. Keñzeichen eines aus Schwachheit irrenden Predigers, Und einestrotzigen Gern-Pabsts.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/181
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/181>, abgerufen am 25.11.2024.