Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.theologicum, suspensionem, excommunicationem minorem, oder Binden, so ist es allewege auf des Menschen Seeligkeit angesehen, wie die Versagung der Geneß-Mittel bey böser Diaet des Patienten nicht eine Straffe sondern liebreiche Vorsorge vor die Gesundheit des Krancken, und ein Hülffmittel zur Besserung ist. u. s. w. Nun will ich zwar eben nicht weitläufftig urgiren, daß der Autor sehr ungereimt den Bindeschlüssel in der einen Zeile bald für eine Artzeney, bald in der andern für eine Versagung der Artzeney und in der dritten wiederum die Versagung der Artzeney, für eine Artzeney und Hülffsmittel ausgiebt; sondern ich will nur bey dem bleiben, daß er die eigentlichen Straffen, und die moralischen Artzeneyen einander entgegen gesetzt. Hat denn der arme Mann nie gehöret, daß in moralibus & politicis alle eigentliche Straffen moralische Artzeneyen seyn sollen, und deßhalben auch poenae medicinales genennet werden? Ich glaube ja, wenn er nur an das Exempel eines Praeceptoris, der seinen ungezogenen Lesebengeln, (daß ich mich seiner Red-Art bediene) einen Schilling giebt, gedacht hätte; würde er erkant haben, daß zwar ein Schilling eine eigentliche Straffe sey, unerachtet der Praeceptor dabey intendirt oder doch intendiren soll, daß dieser Schilling zugleich eine moralische Artzney und ein Hülffsmittel zu des Knaben Besserung seyn solle, und ihn deßhalben vermahnet, er solle künfftig dergleichen Dinge, worum er gestrafft worden, nicht mehr thun. §. XIX. Wer hätte mir nun wohl zumuthen wollen, daß ich damahls mit Ausmistung dieses Augiae stabuli hätte die edle Zeit verderben sollen, indem die gantze Schrifft die in 6. Bogen und 94. Paginis bestand, mit dergleichen armseeligen Dingen angefüllet war. Jedoch wenn sie auch nicht so unvernünfftig und Affecten voll concipiret worden wäre, so bestand doch die Ursache meines damahligen Vorsatzes, mich damahls mit niemand wegen Vertheydigung dieses Bedenckens in Schrifften einzulassen, hauptsächlich darinnen, weil ich wohl erkannte, daß alle meine Gegner auf denen Universitäten, viel grobe Reliquien des Politischen Pabstthums zum Grunde ihrer Wissenschafft bona fide geleget hatten, und sich feste beredeten, daß nemlich die Lehren der Canonisten von geistlichen Personen, von geistlichen Dingen, von geistlichen Gerichten, von geistlichen Proceß-Sachen, von geistlichen Lastern, von geistlichen Straffen, nicht alleine in der gesunden Vernunfft sondern auch in heiliger Schrifft sich gründeten, unerachtet sie gantz unvernünfftig, und die Auslegung der Canonisten der heiligen Schrifft gantz theologicum, suspensionem, excommunicationem minorem, oder Binden, so ist es allewege auf des Menschen Seeligkeit angesehen, wie die Versagung der Geneß-Mittel bey böser Diaet des Patienten nicht eine Straffe sondern liebreiche Vorsorge vor die Gesundheit des Krancken, und ein Hülffmittel zur Besserung ist. u. s. w. Nun will ich zwar eben nicht weitläufftig urgiren, daß der Autor sehr ungereimt den Bindeschlüssel in der einen Zeile bald für eine Artzeney, bald in der andern für eine Versagung der Artzeney und in der dritten wiederum die Versagung der Artzeney, für eine Artzeney und Hülffsmittel ausgiebt; sondern ich will nur bey dem bleiben, daß er die eigentlichen Straffen, und die moralischen Artzeneyen einander entgegen gesetzt. Hat denn der arme Mann nie gehöret, daß in moralibus & politicis alle eigentliche Straffen moralische Artzeneyen seyn sollen, und deßhalben auch poenae medicinales genennet werden? Ich glaube ja, wenn er nur an das Exempel eines Praeceptoris, der seinen ungezogenen Lesebengeln, (daß ich mich seiner Red-Art bediene) einen Schilling giebt, gedacht hätte; würde er erkant haben, daß zwar ein Schilling eine eigentliche Straffe sey, unerachtet der Praeceptor dabey intendirt oder doch intendiren soll, daß dieser Schilling zugleich eine moralische Artzney und ein Hülffsmittel zu des Knaben Besserung seyn solle, und ihn deßhalben vermahnet, er solle künfftig dergleichen Dinge, worum er gestrafft worden, nicht mehr thun. §. XIX. Wer hätte mir nun wohl zumuthen wollen, daß ich damahls mit Ausmistung dieses Augiae stabuli hätte die edle Zeit verderben sollen, indem die gantze Schrifft die in 6. Bogen und 94. Paginis bestand, mit dergleichen armseeligen Dingen angefüllet war. Jedoch wenn sie auch nicht so unvernünfftig und Affecten voll concipiret worden wäre, so bestand doch die Ursache meines damahligen Vorsatzes, mich damahls mit niemand wegen Vertheydigung dieses Bedenckens in Schrifften einzulassen, hauptsächlich darinnen, weil ich wohl erkannte, daß alle meine Gegner auf denen Universitäten, viel grobe Reliquien des Politischen Pabstthums zum Grunde ihrer Wissenschafft bona fide geleget hatten, und sich feste beredeten, daß nemlich die Lehren der Canonisten von geistlichen Personen, von geistlichen Dingen, von geistlichen Gerichten, von geistlichen Proceß-Sachen, von geistlichen Lastern, von geistlichen Straffen, nicht alleine in der gesunden Vernunfft sondern auch in heiliger Schrifft sich gründeten, unerachtet sie gantz unvernünfftig, und die Auslegung der Canonisten der heiligen Schrifft gantz <TEI> <text> <body> <div> <p><hi rendition="#i"><pb facs="#f0212" n="204"/> theologicum, suspensionem, excommunicationem minorem</hi>, oder Binden, so ist es allewege auf des Menschen Seeligkeit angesehen, wie die Versagung der Geneß-Mittel bey böser <hi rendition="#i">Diaet</hi> des Patienten nicht eine Straffe sondern liebreiche Vorsorge vor die Gesundheit des Krancken, und ein Hülffmittel zur Besserung ist. u. s. w. Nun will ich zwar eben nicht weitläufftig urgiren, daß der Autor sehr ungereimt den Bindeschlüssel in der einen Zeile bald für eine Artzeney, bald in der andern für eine Versagung der Artzeney und in der dritten wiederum die Versagung der Artzeney, für eine Artzeney und Hülffsmittel ausgiebt; sondern ich will nur bey dem bleiben, daß er die eigentlichen Straffen, und die moralischen Artzeneyen einander entgegen gesetzt. Hat denn der arme Mann nie gehöret, daß in moralibus & politicis alle eigentliche Straffen moralische Artzeneyen seyn sollen, und deßhalben auch poenae medicinales genennet werden? Ich glaube ja, wenn er nur an das Exempel eines Praeceptoris, der seinen ungezogenen Lesebengeln, (daß ich mich seiner Red-Art bediene) einen Schilling giebt, gedacht hätte; würde er erkant haben, daß zwar ein Schilling eine eigentliche Straffe sey, unerachtet der Praeceptor dabey intendirt oder doch intendiren soll, daß dieser Schilling zugleich eine moralische Artzney und ein Hülffsmittel zu des Knaben Besserung seyn solle, und ihn deßhalben vermahnet, er solle künfftig dergleichen Dinge, worum er gestrafft worden, nicht mehr thun.</p> <note place="left">Haupt-Ursache, worum ich mir vorgenommen, denen die wider das Bedencken geschrieben, damahls nicht zu antworten.</note> <p>§. XIX. Wer hätte mir nun wohl zumuthen wollen, daß ich damahls mit Ausmistung dieses Augiae stabuli hätte die edle Zeit verderben sollen, indem die gantze Schrifft die in 6. Bogen und 94. Paginis bestand, mit dergleichen armseeligen Dingen angefüllet war. Jedoch wenn sie auch nicht so unvernünfftig und Affecten voll concipiret worden wäre, so bestand doch die Ursache meines damahligen Vorsatzes, mich damahls mit niemand wegen Vertheydigung dieses Bedenckens in Schrifften einzulassen, hauptsächlich darinnen, weil ich wohl erkannte, daß alle meine Gegner auf denen Universitäten, viel grobe Reliquien des Politischen Pabstthums zum Grunde ihrer Wissenschafft bona fide geleget hatten, und sich feste beredeten, daß nemlich die Lehren der Canonisten von geistlichen Personen, von geistlichen Dingen, von geistlichen Gerichten, von geistlichen Proceß-Sachen, von geistlichen Lastern, von geistlichen Straffen, nicht alleine in der gesunden Vernunfft sondern auch in heiliger Schrifft sich gründeten, unerachtet sie gantz unvernünfftig, und die Auslegung der Canonisten der heiligen Schrifft gantz </p> </div> </body> </text> </TEI> [204/0212]
theologicum, suspensionem, excommunicationem minorem, oder Binden, so ist es allewege auf des Menschen Seeligkeit angesehen, wie die Versagung der Geneß-Mittel bey böser Diaet des Patienten nicht eine Straffe sondern liebreiche Vorsorge vor die Gesundheit des Krancken, und ein Hülffmittel zur Besserung ist. u. s. w. Nun will ich zwar eben nicht weitläufftig urgiren, daß der Autor sehr ungereimt den Bindeschlüssel in der einen Zeile bald für eine Artzeney, bald in der andern für eine Versagung der Artzeney und in der dritten wiederum die Versagung der Artzeney, für eine Artzeney und Hülffsmittel ausgiebt; sondern ich will nur bey dem bleiben, daß er die eigentlichen Straffen, und die moralischen Artzeneyen einander entgegen gesetzt. Hat denn der arme Mann nie gehöret, daß in moralibus & politicis alle eigentliche Straffen moralische Artzeneyen seyn sollen, und deßhalben auch poenae medicinales genennet werden? Ich glaube ja, wenn er nur an das Exempel eines Praeceptoris, der seinen ungezogenen Lesebengeln, (daß ich mich seiner Red-Art bediene) einen Schilling giebt, gedacht hätte; würde er erkant haben, daß zwar ein Schilling eine eigentliche Straffe sey, unerachtet der Praeceptor dabey intendirt oder doch intendiren soll, daß dieser Schilling zugleich eine moralische Artzney und ein Hülffsmittel zu des Knaben Besserung seyn solle, und ihn deßhalben vermahnet, er solle künfftig dergleichen Dinge, worum er gestrafft worden, nicht mehr thun.
§. XIX. Wer hätte mir nun wohl zumuthen wollen, daß ich damahls mit Ausmistung dieses Augiae stabuli hätte die edle Zeit verderben sollen, indem die gantze Schrifft die in 6. Bogen und 94. Paginis bestand, mit dergleichen armseeligen Dingen angefüllet war. Jedoch wenn sie auch nicht so unvernünfftig und Affecten voll concipiret worden wäre, so bestand doch die Ursache meines damahligen Vorsatzes, mich damahls mit niemand wegen Vertheydigung dieses Bedenckens in Schrifften einzulassen, hauptsächlich darinnen, weil ich wohl erkannte, daß alle meine Gegner auf denen Universitäten, viel grobe Reliquien des Politischen Pabstthums zum Grunde ihrer Wissenschafft bona fide geleget hatten, und sich feste beredeten, daß nemlich die Lehren der Canonisten von geistlichen Personen, von geistlichen Dingen, von geistlichen Gerichten, von geistlichen Proceß-Sachen, von geistlichen Lastern, von geistlichen Straffen, nicht alleine in der gesunden Vernunfft sondern auch in heiliger Schrifft sich gründeten, unerachtet sie gantz unvernünfftig, und die Auslegung der Canonisten der heiligen Schrifft gantz
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI.
(2013-02-15T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss. Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription.
(2013-02-15T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |