Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.und unverdammliches gethan hätten. Also könte zum Exempel eine LutherischeReligion übergehen können. Privat-Person, wenn sie eine Catholische Person heyrathete, oder auch ohne Verheyrathung, bey Ubertretung zu der Catholischen Religion die Intention haben, ihrer Blösse und äussersten Dürfftigkeit damit zu statten zu kommen; durch das Vermögen des reichen Catholischen Ehegatten ihren armen Lutherischen Brüdern und Freunden in ihrer Noth beyzuspringen; armen nothleydenden Christen und Predigern dasselbige zuzuwenden; den Catholischen Ehegatten selbst, nach der Erinnerung Pauli 1. Cor. 7. zu heiligen und mit ihren guten Vorstellungen und Wandel seelig zu machen; ihren Vaterland ersprießliche Dienste zu leisten, oder es für Krieg und andrer Verfolgung zu bewahren. Bey Fürstlichen Personen können dergleichen Fälle und Umstände um so viel desto mehr vorkommen, ie mehrere Gelegenheit ihnen ihre Gewalt und Macht giebt andern Menschen zu schaden oder gutes zu thun. Und ist kein Zweiffel daß z. E. Heinricus IV. von dem bald Anfangs §. 3. Meldung geschehen, denen Protestirenden in Franckreich mehrere und nützlichere Dienste thun können, da er mit Changirung der Religion das Königreich mainteniret, als wenn er mit fernerer Widersetzlichkeit und Bleibung bey der protestirenden Religion dasselbige hätte quittiren müssen. XX. Wolte man auch gleich darwider einstreuen: Man müsseBeweiß, daß der Einwurf, man müße nichts Böses thun, wenn gleich etwas Gutes draus erfolgen könne, sich hieher nicht schicke. aber gleichwohl nichts Böses thun, wenn schon etwas Gutes draus erfolgen könne, denn sonst würde vergönnet seyn das Leder zu stehlen und die Schuhe um GOttes Willen hinzugeben; So ist doch aus Beantwortung der ersten Frage offenbahr daß dieser Einwurf auf gegenwärtigen Fall sich nicht schicke; Stehlen ist ohnstreitig unrecht und verdammlich: aber in der Catholischen Religion zu leben ist nichts verdammliches, wie oben bewiesen worden. Und was wolte man sich hiermit lange aufhalten und das Gewissen ohne Ursach ängstigen lassen. Ist nicht die Jüdische und Christliche Religion mehr von einander entfernet, als die Catholische und Lutherische? Wuste nicht Paulus dieses alles wohl? Verdammte er nicht selbst den Gewissens-Zwang, vermöge welches die Jüden die neuen Christen dahin halten wolten, daß sie sich müsten beschneiden lassen? Lehrte er nicht, man solte, wenn man bey einen Heyden zu Gaste wäre, kein Götzen-Opffer essen, wenn sich ein schwacher Bruder dran ärgerte? Rom. XIV. vers. 15. I. Corinth. 8. vers. 10. 11. und doch ließ er Timotheum beschneiden; er aß Götzen-Opffer, und lehrete auch, daß, der es ässe oder nicht ässe, darum nicht besser oder weniger seyn würde d. c. 8. v. 8. Ja er giebt in den Ursachen, die er desfalls anführet, uns eine schöne Lehre, und unverdammliches gethan hätten. Also könte zum Exempel eine LutherischeReligion übergehen können. Privat-Person, wenn sie eine Catholische Person heyrathete, oder auch ohne Verheyrathung, bey Ubertretung zu der Catholischen Religion die Intention haben, ihrer Blösse und äussersten Dürfftigkeit damit zu statten zu kommen; durch das Vermögen des reichen Catholischen Ehegatten ihren armen Lutherischen Brüdern und Freunden in ihrer Noth beyzuspringen; armen nothleydenden Christen und Predigern dasselbige zuzuwenden; den Catholischen Ehegatten selbst, nach der Erinnerung Pauli 1. Cor. 7. zu heiligen und mit ihren guten Vorstellungen und Wandel seelig zu machen; ihren Vaterland ersprießliche Dienste zu leisten, oder es für Krieg und andrer Verfolgung zu bewahren. Bey Fürstlichen Personen können dergleichen Fälle und Umstände um so viel desto mehr vorkommen, ie mehrere Gelegenheit ihnen ihre Gewalt und Macht giebt andern Menschen zu schaden oder gutes zu thun. Und ist kein Zweiffel daß z. E. Heinricus IV. von dem bald Anfangs §. 3. Meldung geschehen, denen Protestirenden in Franckreich mehrere und nützlichere Dienste thun können, da er mit Changirung der Religion das Königreich mainteniret, als wenn er mit fernerer Widersetzlichkeit und Bleibung bey der protestirenden Religion dasselbige hätte quittiren müssen. XX. Wolte man auch gleich darwider einstreuen: Man müsseBeweiß, daß der Einwurf, man müße nichts Böses thun, wenn gleich etwas Gutes draus erfolgen könne, sich hieher nicht schicke. aber gleichwohl nichts Böses thun, wenn schon etwas Gutes draus erfolgen könne, denn sonst würde vergönnet seyn das Leder zu stehlen und die Schuhe um GOttes Willen hinzugeben; So ist doch aus Beantwortung der ersten Frage offenbahr daß dieser Einwurf auf gegenwärtigen Fall sich nicht schicke; Stehlen ist ohnstreitig unrecht und verdammlich: aber in der Catholischen Religion zu leben ist nichts verdammliches, wie oben bewiesen worden. Und was wolte man sich hiermit lange aufhalten und das Gewissen ohne Ursach ängstigen lassen. Ist nicht die Jüdische und Christliche Religion mehr von einander entfernet, als die Catholische und Lutherische? Wuste nicht Paulus dieses alles wohl? Verdammte er nicht selbst den Gewissens-Zwang, vermöge welches die Jüden die neuen Christen dahin halten wolten, daß sie sich müsten beschneiden lassen? Lehrte er nicht, man solte, wenn man bey einen Heyden zu Gaste wäre, kein Götzen-Opffer essen, wenn sich ein schwacher Bruder dran ärgerte? Rom. XIV. vers. 15. I. Corinth. 8. vers. 10. 11. und doch ließ er Timotheum beschneiden; er aß Götzen-Opffer, und lehrete auch, daß, der es ässe oder nicht ässe, darum nicht besser oder weniger seyn würde d. c. 8. v. 8. Ja er giebt in den Ursachen, die er desfalls anführet, uns eine schöne Lehre, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0025" n="17"/> und unverdammliches gethan hätten. 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Heinricus IV. von dem bald Anfangs §. 3. Meldung geschehen, denen Protestirenden in Franckreich mehrere und nützlichere Dienste thun können, da er mit Changirung der Religion das Königreich mainteniret, als wenn er mit fernerer Widersetzlichkeit und Bleibung bey der protestirenden Religion dasselbige hätte quittiren müssen.</p> <p>XX. Wolte man auch gleich darwider einstreuen: Man müsse<note place="right">Beweiß, daß der Einwurf, man müße nichts Böses thun, wenn gleich etwas Gutes draus erfolgen könne, sich hieher nicht schicke.</note> aber gleichwohl nichts Böses thun, wenn schon etwas Gutes draus erfolgen könne, denn sonst würde vergönnet seyn das Leder zu stehlen und die Schuhe um GOttes Willen hinzugeben; So ist doch aus Beantwortung der ersten Frage offenbahr daß dieser Einwurf auf gegenwärtigen Fall sich nicht schicke; Stehlen ist ohnstreitig unrecht und verdammlich: aber in der Catholischen Religion zu leben ist nichts verdammliches, wie oben bewiesen worden. Und was wolte man sich hiermit lange aufhalten und das Gewissen ohne Ursach ängstigen lassen. Ist nicht die Jüdische und Christliche Religion mehr von einander entfernet, als die Catholische und Lutherische? Wuste nicht Paulus dieses alles wohl? Verdammte er nicht selbst den Gewissens-Zwang, vermöge welches die Jüden die neuen Christen dahin halten wolten, daß sie sich müsten beschneiden lassen? Lehrte er nicht, man solte, wenn man bey einen Heyden zu Gaste wäre, kein Götzen-Opffer essen, wenn sich ein schwacher Bruder dran ärgerte? Rom. XIV. vers. 15. I. Corinth. 8. vers. 10. 11. und doch ließ er Timotheum beschneiden; er aß Götzen-Opffer, und lehrete auch, daß, der es ässe oder nicht ässe, darum nicht besser oder weniger seyn würde d. c. 8. v. 8. Ja er giebt in den Ursachen, die er desfalls anführet, uns eine schöne Lehre, </p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0025]
und unverdammliches gethan hätten. Also könte zum Exempel eine Lutherische Privat-Person, wenn sie eine Catholische Person heyrathete, oder auch ohne Verheyrathung, bey Ubertretung zu der Catholischen Religion die Intention haben, ihrer Blösse und äussersten Dürfftigkeit damit zu statten zu kommen; durch das Vermögen des reichen Catholischen Ehegatten ihren armen Lutherischen Brüdern und Freunden in ihrer Noth beyzuspringen; armen nothleydenden Christen und Predigern dasselbige zuzuwenden; den Catholischen Ehegatten selbst, nach der Erinnerung Pauli 1. Cor. 7. zu heiligen und mit ihren guten Vorstellungen und Wandel seelig zu machen; ihren Vaterland ersprießliche Dienste zu leisten, oder es für Krieg und andrer Verfolgung zu bewahren. Bey Fürstlichen Personen können dergleichen Fälle und Umstände um so viel desto mehr vorkommen, ie mehrere Gelegenheit ihnen ihre Gewalt und Macht giebt andern Menschen zu schaden oder gutes zu thun. Und ist kein Zweiffel daß z. E. Heinricus IV. von dem bald Anfangs §. 3. Meldung geschehen, denen Protestirenden in Franckreich mehrere und nützlichere Dienste thun können, da er mit Changirung der Religion das Königreich mainteniret, als wenn er mit fernerer Widersetzlichkeit und Bleibung bey der protestirenden Religion dasselbige hätte quittiren müssen.
Religion übergehen können. XX. Wolte man auch gleich darwider einstreuen: Man müsse aber gleichwohl nichts Böses thun, wenn schon etwas Gutes draus erfolgen könne, denn sonst würde vergönnet seyn das Leder zu stehlen und die Schuhe um GOttes Willen hinzugeben; So ist doch aus Beantwortung der ersten Frage offenbahr daß dieser Einwurf auf gegenwärtigen Fall sich nicht schicke; Stehlen ist ohnstreitig unrecht und verdammlich: aber in der Catholischen Religion zu leben ist nichts verdammliches, wie oben bewiesen worden. Und was wolte man sich hiermit lange aufhalten und das Gewissen ohne Ursach ängstigen lassen. Ist nicht die Jüdische und Christliche Religion mehr von einander entfernet, als die Catholische und Lutherische? Wuste nicht Paulus dieses alles wohl? Verdammte er nicht selbst den Gewissens-Zwang, vermöge welches die Jüden die neuen Christen dahin halten wolten, daß sie sich müsten beschneiden lassen? Lehrte er nicht, man solte, wenn man bey einen Heyden zu Gaste wäre, kein Götzen-Opffer essen, wenn sich ein schwacher Bruder dran ärgerte? Rom. XIV. vers. 15. I. Corinth. 8. vers. 10. 11. und doch ließ er Timotheum beschneiden; er aß Götzen-Opffer, und lehrete auch, daß, der es ässe oder nicht ässe, darum nicht besser oder weniger seyn würde d. c. 8. v. 8. Ja er giebt in den Ursachen, die er desfalls anführet, uns eine schöne Lehre,
Beweiß, daß der Einwurf, man müße nichts Böses thun, wenn gleich etwas Gutes draus erfolgen könne, sich hieher nicht schicke.
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