Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

Frage, ob dergleichen Ubergang zu rathen.er möge nun von Privat-Personen oder von Hohen Fürstlichen Personen, so wohl männliches als weibliches Geschlechts geschehen, gerathen und approbiret hätte, oder vor indifferent hielte. Denn das ist eine gantz andere Frage, indem unzehlich viel Dinge seyn, die dem Menschen nicht an der Seeligkeit zu hindern aber deswegen doch nicht eben zu preisen und für andern zu recommendiren, oder indistincte allen Menschen zu rathen sind; Als z. E. Tage-Löhner Arbeit, Betteln, Hungern, Schul-Arbeit, Schulfüchserey, Universitäts-Collegia halten, Jagen, Reiten, Fechten, Springen, Tantzen, Ball spielen, Kauffmannschafft treiben, die Bet-Stunden besuchen, Autores Satyricos oder Polemicos & maxime Calovianos, oder Mysticos & Böhmysticos lesen und dergleichen unzehlig mehr. Ich glaube nicht, daß einer der diese Dinge thut dadurch die Seeligkeit verliehre; aber deshalben rathe ich es keinen, daß er eines von diesen Dingen thue, ich mißrathe es ihm auch nicht, daß er es unterlasse. Also wird man mir nicht übel nehmen, daß ich keinen Lutheraner rathe Catholisch zu werden, ja ich rathe auch nach meinem wenigen Verstand keinem Catholischen, daß er Lutherisch werden solle. Aber auch diese Assertion muß mir nicht, wie insgemein von denen Pedantisch-Gelehrten zu geschehen pflegt, anderwerts verdrehet werden; als wenn ich diejenigen tadelte, die von der Lutherischen Religion zur Catholischen, oder von der Catholischen sich zur Lutherischen gewendet, oder sich darzu wenden oder ihre Religion sonst changiren wolten. Alle Consilia und Rathschläge gründen sich auf viele veränderliche, oder nicht bey allen Menschen sich auf gleiche Weise befindliche Umstände; und mag dannenhero ein Gelehrter in solchen Fällen wohl anderer Meinung von eines andern Thun und Lassen, ob er es vor nützlich und wohl gethan halte, seyn, ohne daß er deshalb den, so es thut, tadele oder verachte: eben wie ein Rath nicht Ursache hat den andern, der in seinem Voto nicht seiner, sondern einer gantz andern Meynung ist, als seinen Feind oder Widerwärtigen anzusehen. Daß aber leider! unter denen Gelehrten diese beyderley bißher angemerckte Confusiones fast überall noch herrschen, ist nicht denen so genannten Politicis oder Hofleuten zuzuschreiben, sondern denen uhralten Schulfüchsereyen, nicht etwa der niedrigen, sondern der hohen Schulen und Universitäten. Und damit nicht jemand meynen möge, als stichelte ich hiermit auf die drey andern Facultäten, will ich mich offenhertzig erklähren, daß ich denenselben hiemit lediglich überlasse, daß sie selbst in ihren Busen greiffen und fühlen, ob sie noch dergleichen Unarten an sich haben; (denn meines Erachtens sind dieselbe sehr handgreiflich) von

Frage, ob dergleichen Ubergang zu rathen.er möge nun von Privat-Personen oder von Hohen Fürstlichen Personen, so wohl männliches als weibliches Geschlechts geschehen, gerathen und approbiret hätte, oder vor indifferent hielte. Denn das ist eine gantz andere Frage, indem unzehlich viel Dinge seyn, die dem Menschen nicht an der Seeligkeit zu hindern aber deswegen doch nicht eben zu preisen und für andern zu recommendiren, oder indistincte allen Menschen zu rathen sind; Als z. E. Tage-Löhner Arbeit, Betteln, Hungern, Schul-Arbeit, Schulfüchserey, Universitäts-Collegia halten, Jagen, Reiten, Fechten, Springen, Tantzen, Ball spielen, Kauffmannschafft treiben, die Bet-Stunden besuchen, Autores Satyricos oder Polemicos & maxime Calovianos, oder Mysticos & Böhmysticos lesen und dergleichen unzehlig mehr. Ich glaube nicht, daß einer der diese Dinge thut dadurch die Seeligkeit verliehre; aber deshalben rathe ich es keinen, daß er eines von diesen Dingen thue, ich mißrathe es ihm auch nicht, daß er es unterlasse. Also wird man mir nicht übel nehmen, daß ich keinen Lutheraner rathe Catholisch zu werden, ja ich rathe auch nach meinem wenigen Verstand keinem Catholischen, daß er Lutherisch werden solle. Aber auch diese Assertion muß mir nicht, wie insgemein von denen Pedantisch-Gelehrten zu geschehen pflegt, anderwerts verdrehet werden; als wenn ich diejenigen tadelte, die von der Lutherischen Religion zur Catholischen, oder von der Catholischen sich zur Lutherischen gewendet, oder sich darzu wenden oder ihre Religion sonst changiren wolten. Alle Consilia und Rathschläge gründen sich auf viele veränderliche, oder nicht bey allen Menschen sich auf gleiche Weise befindliche Umstände; und mag dannenhero ein Gelehrter in solchen Fällen wohl anderer Meinung von eines andern Thun und Lassen, ob er es vor nützlich und wohl gethan halte, seyn, ohne daß er deshalb den, so es thut, tadele oder verachte: eben wie ein Rath nicht Ursache hat den andern, der in seinem Voto nicht seiner, sondern einer gantz andern Meynung ist, als seinen Feind oder Widerwärtigen anzusehen. Daß aber leider! unter denen Gelehrten diese beyderley bißher angemerckte Confusiones fast überall noch herrschen, ist nicht denen so genannten Politicis oder Hofleuten zuzuschreiben, sondern denen uhralten Schulfüchsereyen, nicht etwa der niedrigen, sondern der hohen Schulen und Universitäten. Und damit nicht jemand meynen möge, als stichelte ich hiermit auf die drey andern Facultäten, will ich mich offenhertzig erklähren, daß ich denenselben hiemit lediglich überlasse, daß sie selbst in ihren Busen greiffen und fühlen, ob sie noch dergleichen Unarten an sich haben; (denn meines Erachtens sind dieselbe sehr handgreiflich) von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0030" n="22"/><note place="left">Frage, ob dergleichen Ubergang zu rathen.</note>er möge nun                      von Privat-Personen oder von Hohen Fürstlichen Personen, so wohl männliches als                      weibliches Geschlechts geschehen, gerathen und approbiret hätte, oder vor                      indifferent hielte. Denn das ist eine gantz andere Frage, indem unzehlich viel                      Dinge seyn, die dem Menschen nicht an der Seeligkeit zu hindern aber deswegen                      doch nicht eben zu preisen und für andern zu recommendiren, oder indistincte                      allen Menschen zu rathen sind; Als z. E. Tage-Löhner Arbeit, Betteln, Hungern,                      Schul-Arbeit, Schulfüchserey, Universitäts-Collegia halten, Jagen, Reiten,                      Fechten, Springen, Tantzen, Ball spielen, Kauffmannschafft treiben, die                      Bet-Stunden besuchen, Autores Satyricos oder Polemicos &amp; maxime Calovianos,                      oder Mysticos &amp; Böhmysticos lesen und dergleichen unzehlig mehr. Ich glaube                      nicht, daß einer der diese Dinge thut dadurch die Seeligkeit verliehre; aber                      deshalben rathe ich es keinen, daß er eines von diesen Dingen thue, ich mißrathe                      es ihm auch nicht, daß er es unterlasse. Also wird man mir nicht übel nehmen,                      daß ich keinen Lutheraner rathe Catholisch zu werden, ja ich rathe auch nach                      meinem wenigen Verstand keinem Catholischen, daß er Lutherisch werden solle.                      Aber auch diese Assertion muß mir nicht, wie insgemein von denen                      Pedantisch-Gelehrten zu geschehen pflegt, anderwerts verdrehet werden; als wenn                      ich diejenigen tadelte, die von der Lutherischen Religion zur Catholischen, oder                      von der Catholischen sich zur Lutherischen gewendet, oder sich darzu wenden oder                      ihre Religion sonst changiren wolten. Alle Consilia und Rathschläge gründen sich                      auf viele veränderliche, oder nicht bey allen Menschen sich auf gleiche Weise                      befindliche Umstände; und mag dannenhero ein Gelehrter in solchen Fällen wohl                      anderer Meinung von eines andern Thun und Lassen, ob er es vor nützlich und wohl                      gethan halte, seyn, ohne daß er deshalb den, so es thut, tadele oder verachte:                      eben wie ein Rath nicht Ursache hat den andern, der in seinem Voto nicht seiner,                      sondern einer gantz andern Meynung ist, als seinen Feind oder Widerwärtigen                      anzusehen. Daß aber leider! unter denen Gelehrten diese beyderley bißher                      angemerckte Confusiones fast überall noch herrschen, ist nicht denen so                      genannten Politicis oder Hofleuten zuzuschreiben, sondern denen uhralten                      Schulfüchsereyen, nicht etwa der niedrigen, sondern der hohen Schulen und                      Universitäten. Und damit nicht jemand meynen möge, als stichelte ich hiermit auf                      die drey andern Facultäten, will ich mich offenhertzig erklähren, daß ich                      denenselben hiemit lediglich überlasse, daß sie selbst in ihren Busen greiffen                      und fühlen, ob sie noch dergleichen Unarten an sich haben; (denn meines                      Erachtens sind dieselbe sehr handgreiflich) von
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0030] er möge nun von Privat-Personen oder von Hohen Fürstlichen Personen, so wohl männliches als weibliches Geschlechts geschehen, gerathen und approbiret hätte, oder vor indifferent hielte. Denn das ist eine gantz andere Frage, indem unzehlich viel Dinge seyn, die dem Menschen nicht an der Seeligkeit zu hindern aber deswegen doch nicht eben zu preisen und für andern zu recommendiren, oder indistincte allen Menschen zu rathen sind; Als z. E. Tage-Löhner Arbeit, Betteln, Hungern, Schul-Arbeit, Schulfüchserey, Universitäts-Collegia halten, Jagen, Reiten, Fechten, Springen, Tantzen, Ball spielen, Kauffmannschafft treiben, die Bet-Stunden besuchen, Autores Satyricos oder Polemicos & maxime Calovianos, oder Mysticos & Böhmysticos lesen und dergleichen unzehlig mehr. Ich glaube nicht, daß einer der diese Dinge thut dadurch die Seeligkeit verliehre; aber deshalben rathe ich es keinen, daß er eines von diesen Dingen thue, ich mißrathe es ihm auch nicht, daß er es unterlasse. Also wird man mir nicht übel nehmen, daß ich keinen Lutheraner rathe Catholisch zu werden, ja ich rathe auch nach meinem wenigen Verstand keinem Catholischen, daß er Lutherisch werden solle. Aber auch diese Assertion muß mir nicht, wie insgemein von denen Pedantisch-Gelehrten zu geschehen pflegt, anderwerts verdrehet werden; als wenn ich diejenigen tadelte, die von der Lutherischen Religion zur Catholischen, oder von der Catholischen sich zur Lutherischen gewendet, oder sich darzu wenden oder ihre Religion sonst changiren wolten. Alle Consilia und Rathschläge gründen sich auf viele veränderliche, oder nicht bey allen Menschen sich auf gleiche Weise befindliche Umstände; und mag dannenhero ein Gelehrter in solchen Fällen wohl anderer Meinung von eines andern Thun und Lassen, ob er es vor nützlich und wohl gethan halte, seyn, ohne daß er deshalb den, so es thut, tadele oder verachte: eben wie ein Rath nicht Ursache hat den andern, der in seinem Voto nicht seiner, sondern einer gantz andern Meynung ist, als seinen Feind oder Widerwärtigen anzusehen. Daß aber leider! unter denen Gelehrten diese beyderley bißher angemerckte Confusiones fast überall noch herrschen, ist nicht denen so genannten Politicis oder Hofleuten zuzuschreiben, sondern denen uhralten Schulfüchsereyen, nicht etwa der niedrigen, sondern der hohen Schulen und Universitäten. Und damit nicht jemand meynen möge, als stichelte ich hiermit auf die drey andern Facultäten, will ich mich offenhertzig erklähren, daß ich denenselben hiemit lediglich überlasse, daß sie selbst in ihren Busen greiffen und fühlen, ob sie noch dergleichen Unarten an sich haben; (denn meines Erachtens sind dieselbe sehr handgreiflich) von Frage, ob dergleichen Ubergang zu rathen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/30
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/30>, abgerufen am 21.11.2024.