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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

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duktion von 70 Lb Butter 5,54 Thlr. N 2/3 , dies macht
für ein Pfund 3,8 ß. Die Butter aus dieser Gegend
nach der Stadt zu fahren kostet 1,2 ß. Reicht nun die-
ser Kreis für das Bedürfniß der Stadt hin, so kann das
Pfund Butter zu 3,8 + 1,2 = 5 ß N 2/3 gekauft
werden.

Zwischen dem Fleisch und dem Getreide findet ein
gemeinschaftliches Maaß, nämlich das der Ernährungsfä-
higkeit statt, und wir müssen uns die Frage vorlegen, ob
denn der Preis des Fleisches, der Butter u. s. w. allein
durch die Kosten, die es verursacht diese Erzeugnisse zu
Markt zu bringen, und nicht auch durch das Verhältniß
der Ernährungsfähigkeit bestimmt werde.

Nun finden wir in der Wirklichkeit bei allen zivili-
sirten Nationen -- also mit Ausschluß der bloß Viehzucht
treibenden Nomadenvölker -- daß eine gleiche Nahrungs-
masse im Fleisch viel höher bezahlt werde als im Brodte.

Dieser höhere Preis des Fleisches entspringt aus zwei
Quellen,

1) Es findet eine allgemeine Vorliebe für Fleischspeisen
statt, und jeder der nicht in der äußersten Dürftigkeit
lebt, verwendet einen Theil seiner Einnahme auf die
Erlangung dieses wohlschmeckenden und kräftigen Nah-
rungsmittels.
2) Die Gemüse und die Kartoffeln sind -- mit allei-
niger Ausnahme der sehr großen Städte -- überall
ein weit wohlfeileres Nahrungsmittel, als das Brodt
und die aus dem Getreide bereiteten Mehlspeisen;
aber die Nahrungsmasse ist in ihnen zu wenig kon-
zentrirt, als daß sie das einzige Nahrungsmittel der
arbeitenden Klasse ausmachen könnten. Werden aber
bei der Speisung die Gemüse mit Fleisch, in wel-
chem die Nahrungsmasse noch viel konzentrirter als
im Getreide ist, verbunden: so ersetzt diese Verbin-
13*

duktion von 70 ℔ Butter 5,54 Thlr. N⅔, dies macht
fuͤr ein Pfund 3,8 ß. Die Butter aus dieſer Gegend
nach der Stadt zu fahren koſtet 1,2 ß. Reicht nun die-
ſer Kreis fuͤr das Beduͤrfniß der Stadt hin, ſo kann das
Pfund Butter zu 3,8 + 1,2 = 5 ß N⅔ gekauft
werden.

Zwiſchen dem Fleiſch und dem Getreide findet ein
gemeinſchaftliches Maaß, naͤmlich das der Ernaͤhrungsfaͤ-
higkeit ſtatt, und wir muͤſſen uns die Frage vorlegen, ob
denn der Preis des Fleiſches, der Butter u. ſ. w. allein
durch die Koſten, die es verurſacht dieſe Erzeugniſſe zu
Markt zu bringen, und nicht auch durch das Verhaͤltniß
der Ernaͤhrungsfaͤhigkeit beſtimmt werde.

Nun finden wir in der Wirklichkeit bei allen zivili-
ſirten Nationen — alſo mit Ausſchluß der bloß Viehzucht
treibenden Nomadenvoͤlker — daß eine gleiche Nahrungs-
maſſe im Fleiſch viel hoͤher bezahlt werde als im Brodte.

Dieſer hoͤhere Preis des Fleiſches entſpringt aus zwei
Quellen,

1) Es findet eine allgemeine Vorliebe fuͤr Fleiſchſpeiſen
ſtatt, und jeder der nicht in der aͤußerſten Duͤrftigkeit
lebt, verwendet einen Theil ſeiner Einnahme auf die
Erlangung dieſes wohlſchmeckenden und kraͤftigen Nah-
rungsmittels.
2) Die Gemuͤſe und die Kartoffeln ſind — mit allei-
niger Ausnahme der ſehr großen Staͤdte — uͤberall
ein weit wohlfeileres Nahrungsmittel, als das Brodt
und die aus dem Getreide bereiteten Mehlſpeiſen;
aber die Nahrungsmaſſe iſt in ihnen zu wenig kon-
zentrirt, als daß ſie das einzige Nahrungsmittel der
arbeitenden Klaſſe ausmachen koͤnnten. Werden aber
bei der Speiſung die Gemuͤſe mit Fleiſch, in wel-
chem die Nahrungsmaſſe noch viel konzentrirter als
im Getreide iſt, verbunden: ſo erſetzt dieſe Verbin-
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[195/0209] duktion von 70 ℔ Butter 5,54 Thlr. N⅔, dies macht fuͤr ein Pfund 3,8 ß. Die Butter aus dieſer Gegend nach der Stadt zu fahren koſtet 1,2 ß. Reicht nun die- ſer Kreis fuͤr das Beduͤrfniß der Stadt hin, ſo kann das Pfund Butter zu 3,8 + 1,2 = 5 ß N⅔ gekauft werden. Zwiſchen dem Fleiſch und dem Getreide findet ein gemeinſchaftliches Maaß, naͤmlich das der Ernaͤhrungsfaͤ- higkeit ſtatt, und wir muͤſſen uns die Frage vorlegen, ob denn der Preis des Fleiſches, der Butter u. ſ. w. allein durch die Koſten, die es verurſacht dieſe Erzeugniſſe zu Markt zu bringen, und nicht auch durch das Verhaͤltniß der Ernaͤhrungsfaͤhigkeit beſtimmt werde. Nun finden wir in der Wirklichkeit bei allen zivili- ſirten Nationen — alſo mit Ausſchluß der bloß Viehzucht treibenden Nomadenvoͤlker — daß eine gleiche Nahrungs- maſſe im Fleiſch viel hoͤher bezahlt werde als im Brodte. Dieſer hoͤhere Preis des Fleiſches entſpringt aus zwei Quellen, 1) Es findet eine allgemeine Vorliebe fuͤr Fleiſchſpeiſen ſtatt, und jeder der nicht in der aͤußerſten Duͤrftigkeit lebt, verwendet einen Theil ſeiner Einnahme auf die Erlangung dieſes wohlſchmeckenden und kraͤftigen Nah- rungsmittels. 2) Die Gemuͤſe und die Kartoffeln ſind — mit allei- niger Ausnahme der ſehr großen Staͤdte — uͤberall ein weit wohlfeileres Nahrungsmittel, als das Brodt und die aus dem Getreide bereiteten Mehlſpeiſen; aber die Nahrungsmaſſe iſt in ihnen zu wenig kon- zentrirt, als daß ſie das einzige Nahrungsmittel der arbeitenden Klaſſe ausmachen koͤnnten. Werden aber bei der Speiſung die Gemuͤſe mit Fleiſch, in wel- chem die Nahrungsmaſſe noch viel konzentrirter als im Getreide iſt, verbunden: ſo erſetzt dieſe Verbin- 13*

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Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/209>, abgerufen am 26.11.2024.