Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir wenden uns jetzt zu der Betrachtung eines mit
der Landwirthschaft natürlich verbundenen Gewerbes und
einiger Kulturzweige, deren im ersten Abschnitt, um den
Zusammenhang nicht zu unterbrechen, keine Erwähnung
geschehen ist, und die wir jetzt mit Beziehung auf die
Wirklichkeit durchgehen können.

§. 29.
Branntweinbrennerei.

Das Getreide kann, aus dem Kreise der Viehzucht
nicht mehr nach der Stadt geliefert werden, weil die Trans-
portkosten desselben zu hoch zu stehen kommen; verwan-
delt man aber das Getreide in ein Fabrikat, welches im
Verhältniß zu seinem Werth geringere Transportkosten er-
fordert: so kann der Ackerbau in dem nähern Theil dieses
Kreises noch mit Vortheil betrieben werden. Ein solches
Fabrikat ist nun der Branntwein, indem der Spiritus
der aus 100 Schfl. Rocken gewonnen wird, kaum das
Gewicht von 25 Schfl. Rocken hat.

Der Abfall der Brennerei, oder die Branntweins-
schlempe, wird am zweckmäßigsten zur Viehmastung be-
nutzt. Da nun der Kreis der Viehzucht ohnehin schon
auf Viehmastung angewiesen ist, und da hier das Getreide
und das Brennholz den möglichst niedrigsten Preis haben:
so vereinigt sich hier alles was Branntweinbrennerei vor-
theilhaft machen kann.

Der Branntwein kann deshalb von hier aus auch so
wohlfeil geliefert werden, daß keine andre Gegend des iso-
lirten Staats, viel weniger die Stadt selbst, die Konkur-
renz damit aushalten kann -- wenn vollkommne Gewerb-
freiheit statt findet: denn es ist leicht einzusehen, daß die
Hervorbringung des Branntweins in der Stadt, wo Korn
und Holz den dreifachen Preis haben und wo der Ar-
beitslohn viel höher ist, auch mindestens 2 bis 3 mal so

Wir wenden uns jetzt zu der Betrachtung eines mit
der Landwirthſchaft natuͤrlich verbundenen Gewerbes und
einiger Kulturzweige, deren im erſten Abſchnitt, um den
Zuſammenhang nicht zu unterbrechen, keine Erwaͤhnung
geſchehen iſt, und die wir jetzt mit Beziehung auf die
Wirklichkeit durchgehen koͤnnen.

§. 29.
Branntweinbrennerei.

Das Getreide kann, aus dem Kreiſe der Viehzucht
nicht mehr nach der Stadt geliefert werden, weil die Trans-
portkoſten deſſelben zu hoch zu ſtehen kommen; verwan-
delt man aber das Getreide in ein Fabrikat, welches im
Verhaͤltniß zu ſeinem Werth geringere Transportkoſten er-
fordert: ſo kann der Ackerbau in dem naͤhern Theil dieſes
Kreiſes noch mit Vortheil betrieben werden. Ein ſolches
Fabrikat iſt nun der Branntwein, indem der Spiritus
der aus 100 Schfl. Rocken gewonnen wird, kaum das
Gewicht von 25 Schfl. Rocken hat.

Der Abfall der Brennerei, oder die Branntweins-
ſchlempe, wird am zweckmaͤßigſten zur Viehmaſtung be-
nutzt. Da nun der Kreis der Viehzucht ohnehin ſchon
auf Viehmaſtung angewieſen iſt, und da hier das Getreide
und das Brennholz den moͤglichſt niedrigſten Preis haben:
ſo vereinigt ſich hier alles was Branntweinbrennerei vor-
theilhaft machen kann.

Der Branntwein kann deshalb von hier aus auch ſo
wohlfeil geliefert werden, daß keine andre Gegend des iſo-
lirten Staats, viel weniger die Stadt ſelbſt, die Konkur-
renz damit aushalten kann — wenn vollkommne Gewerb-
freiheit ſtatt findet: denn es iſt leicht einzuſehen, daß die
Hervorbringung des Branntweins in der Stadt, wo Korn
und Holz den dreifachen Preis haben und wo der Ar-
beitslohn viel hoͤher iſt, auch mindeſtens 2 bis 3 mal ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0230" n="216"/>
            <p>Wir wenden uns jetzt zu der Betrachtung eines mit<lb/>
der Landwirth&#x017F;chaft natu&#x0364;rlich verbundenen Gewerbes und<lb/>
einiger Kulturzweige, deren im er&#x017F;ten Ab&#x017F;chnitt, um den<lb/>
Zu&#x017F;ammenhang nicht zu unterbrechen, keine Erwa&#x0364;hnung<lb/>
ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, und die wir jetzt mit Beziehung auf die<lb/>
Wirklichkeit durchgehen ko&#x0364;nnen.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 29.<lb/><hi rendition="#g">Branntweinbrennerei</hi>.</head><lb/>
          <p>Das Getreide kann, aus dem Krei&#x017F;e der Viehzucht<lb/>
nicht mehr nach der Stadt geliefert werden, weil die Trans-<lb/>
portko&#x017F;ten de&#x017F;&#x017F;elben zu hoch zu &#x017F;tehen kommen; verwan-<lb/>
delt man aber das Getreide in ein Fabrikat, welches im<lb/>
Verha&#x0364;ltniß zu &#x017F;einem Werth geringere Transportko&#x017F;ten er-<lb/>
fordert: &#x017F;o kann der Ackerbau in dem na&#x0364;hern Theil die&#x017F;es<lb/>
Krei&#x017F;es noch mit Vortheil betrieben werden. Ein &#x017F;olches<lb/>
Fabrikat i&#x017F;t nun der Branntwein, indem der Spiritus<lb/>
der aus 100 Schfl. Rocken gewonnen wird, kaum das<lb/>
Gewicht von 25 Schfl. Rocken hat.</p><lb/>
          <p>Der Abfall der Brennerei, oder die Branntweins-<lb/>
&#x017F;chlempe, wird am zweckma&#x0364;ßig&#x017F;ten zur Viehma&#x017F;tung be-<lb/>
nutzt. Da nun der Kreis der Viehzucht ohnehin &#x017F;chon<lb/>
auf Viehma&#x017F;tung angewie&#x017F;en i&#x017F;t, und da hier das Getreide<lb/>
und das Brennholz den mo&#x0364;glich&#x017F;t niedrig&#x017F;ten Preis haben:<lb/>
&#x017F;o vereinigt &#x017F;ich hier alles was Branntweinbrennerei vor-<lb/>
theilhaft machen kann.</p><lb/>
          <p>Der Branntwein kann deshalb von hier aus auch &#x017F;o<lb/>
wohlfeil geliefert werden, daß keine andre Gegend des i&#x017F;o-<lb/>
lirten Staats, viel weniger die Stadt &#x017F;elb&#x017F;t, die Konkur-<lb/>
renz damit aushalten kann &#x2014; wenn vollkommne Gewerb-<lb/>
freiheit &#x017F;tatt findet: denn es i&#x017F;t leicht einzu&#x017F;ehen, daß die<lb/>
Hervorbringung des Branntweins in der Stadt, wo Korn<lb/>
und Holz den dreifachen Preis haben und wo der Ar-<lb/>
beitslohn viel ho&#x0364;her i&#x017F;t, auch minde&#x017F;tens 2 bis 3 mal &#x017F;o<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0230] Wir wenden uns jetzt zu der Betrachtung eines mit der Landwirthſchaft natuͤrlich verbundenen Gewerbes und einiger Kulturzweige, deren im erſten Abſchnitt, um den Zuſammenhang nicht zu unterbrechen, keine Erwaͤhnung geſchehen iſt, und die wir jetzt mit Beziehung auf die Wirklichkeit durchgehen koͤnnen. §. 29. Branntweinbrennerei. Das Getreide kann, aus dem Kreiſe der Viehzucht nicht mehr nach der Stadt geliefert werden, weil die Trans- portkoſten deſſelben zu hoch zu ſtehen kommen; verwan- delt man aber das Getreide in ein Fabrikat, welches im Verhaͤltniß zu ſeinem Werth geringere Transportkoſten er- fordert: ſo kann der Ackerbau in dem naͤhern Theil dieſes Kreiſes noch mit Vortheil betrieben werden. Ein ſolches Fabrikat iſt nun der Branntwein, indem der Spiritus der aus 100 Schfl. Rocken gewonnen wird, kaum das Gewicht von 25 Schfl. Rocken hat. Der Abfall der Brennerei, oder die Branntweins- ſchlempe, wird am zweckmaͤßigſten zur Viehmaſtung be- nutzt. Da nun der Kreis der Viehzucht ohnehin ſchon auf Viehmaſtung angewieſen iſt, und da hier das Getreide und das Brennholz den moͤglichſt niedrigſten Preis haben: ſo vereinigt ſich hier alles was Branntweinbrennerei vor- theilhaft machen kann. Der Branntwein kann deshalb von hier aus auch ſo wohlfeil geliefert werden, daß keine andre Gegend des iſo- lirten Staats, viel weniger die Stadt ſelbſt, die Konkur- renz damit aushalten kann — wenn vollkommne Gewerb- freiheit ſtatt findet: denn es iſt leicht einzuſehen, daß die Hervorbringung des Branntweins in der Stadt, wo Korn und Holz den dreifachen Preis haben und wo der Ar- beitslohn viel hoͤher iſt, auch mindeſtens 2 bis 3 mal ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/230
Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/230>, abgerufen am 24.11.2024.