Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

Es zeigt sich hier allgemein folgendes Gesetz:

Je mehr die Fruchtbarkeit des Bodens abnimmt, desto
kostbarer wird die Erzeugung des Korns -- und Boden
von geringer Fruchtbarkeit kann nur bei hohen Getreide-
preisen angebauet werden.



Ehe wir weiter gehen, müssen wir zuvor einen Blick
auf das bisher beobachtete Verfahren zurückwerfen, und
fragen, ob aus den, von einem Stadpunkte aus, gemach-
ten Beobachtungen, allgemein gültige Gesetze entwickelt
werden können.

Man kann und wird sagen:

"Die Berechnungen über die Kosten der Arbeit, über
"das Verhältniß des rohen zum reinen Ertrag, mögen
"mit noch so großer Genauigkeit aus der Wirklichkeit
"entnommen seyn: so sind sie doch nur für den einen
"Standpunkt, für dies eine Gut gültig. Schon auf dem
"benachbarten Gute ist alles anders: hier ist nicht mehr
"derselbe Boden, hier sind nicht mehr dieselben Arbeiter.
"Der Boden kann schwerer oder leichter zu bearbeiten
"seyn, die Arbeiter können mehr oder weniger thätig und
"kräftig seyn; der Boden selbst erfordert also eine größere
"oder geringere Quantität Arbeit, und die Arbeit selbst
"kann nach Verschiedenheit der arbeitenden Kräfte wohl-
"feiler oder kostbarer werden. Die von dem ersten Gute
"entlehnten Berechnungen werden hier also nirgends genau
"zutreffen, und die Richtigkeit derselben ist ganz an den
"Ort gebunden, von dem sie hervorgegangen sind. Aus
"dem, was nur an einem Orte und sonst nirgends gül-
"tig ist, können aber auch keine allgemein gültigen Ge-
"setze hervorgehen."

Ich antworte hierauf:

Es ist allerdings wahr, daß diese Berechnungen schon

Es zeigt ſich hier allgemein folgendes Geſetz:

Je mehr die Fruchtbarkeit des Bodens abnimmt, deſto
koſtbarer wird die Erzeugung des Korns — und Boden
von geringer Fruchtbarkeit kann nur bei hohen Getreide-
preiſen angebauet werden.



Ehe wir weiter gehen, muͤſſen wir zuvor einen Blick
auf das bisher beobachtete Verfahren zuruͤckwerfen, und
fragen, ob aus den, von einem Stadpunkte aus, gemach-
ten Beobachtungen, allgemein guͤltige Geſetze entwickelt
werden koͤnnen.

Man kann und wird ſagen:

«Die Berechnungen uͤber die Koſten der Arbeit, uͤber
«das Verhaͤltniß des rohen zum reinen Ertrag, moͤgen
«mit noch ſo großer Genauigkeit aus der Wirklichkeit
«entnommen ſeyn: ſo ſind ſie doch nur fuͤr den einen
«Standpunkt, fuͤr dies eine Gut guͤltig. Schon auf dem
«benachbarten Gute iſt alles anders: hier iſt nicht mehr
«derſelbe Boden, hier ſind nicht mehr dieſelben Arbeiter.
«Der Boden kann ſchwerer oder leichter zu bearbeiten
«ſeyn, die Arbeiter koͤnnen mehr oder weniger thaͤtig und
«kraͤftig ſeyn; der Boden ſelbſt erfordert alſo eine groͤßere
«oder geringere Quantitaͤt Arbeit, und die Arbeit ſelbſt
«kann nach Verſchiedenheit der arbeitenden Kraͤfte wohl-
«feiler oder koſtbarer werden. Die von dem erſten Gute
«entlehnten Berechnungen werden hier alſo nirgends genau
«zutreffen, und die Richtigkeit derſelben iſt ganz an den
«Ort gebunden, von dem ſie hervorgegangen ſind. Aus
«dem, was nur an einem Orte und ſonſt nirgends guͤl-
«tig iſt, koͤnnen aber auch keine allgemein guͤltigen Ge-
«ſetze hervorgehen.»

Ich antworte hierauf:

Es iſt allerdings wahr, daß dieſe Berechnungen ſchon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0043" n="29"/>
          <p> <hi rendition="#et">Es zeigt &#x017F;ich hier allgemein folgendes Ge&#x017F;etz:</hi> </p><lb/>
          <p>Je mehr die Fruchtbarkeit des Bodens abnimmt, de&#x017F;to<lb/>
ko&#x017F;tbarer wird die Erzeugung des Korns &#x2014; und Boden<lb/>
von geringer Fruchtbarkeit kann nur bei hohen Getreide-<lb/>
prei&#x017F;en angebauet werden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Ehe wir weiter gehen, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir zuvor einen Blick<lb/>
auf das bisher beobachtete Verfahren zuru&#x0364;ckwerfen, und<lb/>
fragen, ob aus den, von einem Stadpunkte aus, gemach-<lb/>
ten Beobachtungen, allgemein gu&#x0364;ltige Ge&#x017F;etze entwickelt<lb/>
werden ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Man kann und wird &#x017F;agen:</hi> </p><lb/>
          <p>«Die Berechnungen u&#x0364;ber die Ko&#x017F;ten der Arbeit, u&#x0364;ber<lb/>
«das Verha&#x0364;ltniß des rohen zum reinen Ertrag, mo&#x0364;gen<lb/>
«mit noch &#x017F;o großer Genauigkeit aus der Wirklichkeit<lb/>
«entnommen &#x017F;eyn: &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie doch nur fu&#x0364;r den <hi rendition="#g">einen</hi><lb/>
«Standpunkt, fu&#x0364;r dies <hi rendition="#g">eine</hi> Gut gu&#x0364;ltig. Schon auf dem<lb/>
«benachbarten Gute i&#x017F;t alles anders: hier i&#x017F;t nicht mehr<lb/>
«der&#x017F;elbe Boden, hier &#x017F;ind nicht mehr die&#x017F;elben Arbeiter.<lb/>
«Der Boden kann &#x017F;chwerer oder leichter zu bearbeiten<lb/>
«&#x017F;eyn, die Arbeiter ko&#x0364;nnen mehr oder weniger tha&#x0364;tig und<lb/>
«kra&#x0364;ftig &#x017F;eyn; der Boden &#x017F;elb&#x017F;t erfordert al&#x017F;o eine gro&#x0364;ßere<lb/>
«oder geringere Quantita&#x0364;t Arbeit, und die Arbeit &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
«kann nach Ver&#x017F;chiedenheit der arbeitenden Kra&#x0364;fte wohl-<lb/>
«feiler oder ko&#x017F;tbarer werden. Die von dem er&#x017F;ten Gute<lb/>
«entlehnten Berechnungen werden hier al&#x017F;o nirgends genau<lb/>
«zutreffen, und die Richtigkeit der&#x017F;elben i&#x017F;t ganz an den<lb/>
«Ort gebunden, von dem &#x017F;ie hervorgegangen &#x017F;ind. Aus<lb/>
«dem, was nur an <hi rendition="#g">einem</hi> Orte und &#x017F;on&#x017F;t nirgends gu&#x0364;l-<lb/>
«tig i&#x017F;t, ko&#x0364;nnen aber auch keine allgemein gu&#x0364;ltigen Ge-<lb/>
«&#x017F;etze hervorgehen.»</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Ich antworte hierauf:</hi> </p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t allerdings wahr, daß die&#x017F;e Berechnungen &#x017F;chon<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0043] Es zeigt ſich hier allgemein folgendes Geſetz: Je mehr die Fruchtbarkeit des Bodens abnimmt, deſto koſtbarer wird die Erzeugung des Korns — und Boden von geringer Fruchtbarkeit kann nur bei hohen Getreide- preiſen angebauet werden. Ehe wir weiter gehen, muͤſſen wir zuvor einen Blick auf das bisher beobachtete Verfahren zuruͤckwerfen, und fragen, ob aus den, von einem Stadpunkte aus, gemach- ten Beobachtungen, allgemein guͤltige Geſetze entwickelt werden koͤnnen. Man kann und wird ſagen: «Die Berechnungen uͤber die Koſten der Arbeit, uͤber «das Verhaͤltniß des rohen zum reinen Ertrag, moͤgen «mit noch ſo großer Genauigkeit aus der Wirklichkeit «entnommen ſeyn: ſo ſind ſie doch nur fuͤr den einen «Standpunkt, fuͤr dies eine Gut guͤltig. Schon auf dem «benachbarten Gute iſt alles anders: hier iſt nicht mehr «derſelbe Boden, hier ſind nicht mehr dieſelben Arbeiter. «Der Boden kann ſchwerer oder leichter zu bearbeiten «ſeyn, die Arbeiter koͤnnen mehr oder weniger thaͤtig und «kraͤftig ſeyn; der Boden ſelbſt erfordert alſo eine groͤßere «oder geringere Quantitaͤt Arbeit, und die Arbeit ſelbſt «kann nach Verſchiedenheit der arbeitenden Kraͤfte wohl- «feiler oder koſtbarer werden. Die von dem erſten Gute «entlehnten Berechnungen werden hier alſo nirgends genau «zutreffen, und die Richtigkeit derſelben iſt ganz an den «Ort gebunden, von dem ſie hervorgegangen ſind. Aus «dem, was nur an einem Orte und ſonſt nirgends guͤl- «tig iſt, koͤnnen aber auch keine allgemein guͤltigen Ge- «ſetze hervorgehen.» Ich antworte hierauf: Es iſt allerdings wahr, daß dieſe Berechnungen ſchon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/43
Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/43>, abgerufen am 23.11.2024.