Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

und der Wurzelgewächse eine so große Meinungsverschie-
denheit statt findet, und der Verfasser selbst erst die Re-
sultate seiner hierüber angestellten Versuche abwarten muß,
ehe er seine Ansichten dem Publikum ausführlich vorlegen
und eine Berechnung darauf gründen kann. Er begnügt
sich daher mit der Anführung einzelner Grundzüge, die,
wie ich glaube, aus der durchgeführten Berechnung her-
vorgehen würden.

Bei einer mittelmäßigen Fruchtbarkeit des Ackers
wird erst bei einem sehr hohen Kornpreis die Abschaffung
der Brache vortheilhaft seyn können: denn wenn auch die
vermehrte Arbeit durch höhere Preise bald bezahlt wird,
so ist doch der verminderte Ertrag des Winterkorns von
so großem Einfluß auf den Reinertrag, daß der vergrö-
ßerte Kornbau, etwa bis zur Hälfte der ganzen Fläche,
diesen Verlust nur schwer und nur bei sehr hohen Korn-
preisen wird decken können.

Der Werth des gewonnenen Viehfutters kann aber
zur Deckung dieses Verlustes nicht sehr viel beitragen,
indem die gewöhnliche Viehzucht zwar ein bedeutendes,
sehr in die Augen fallendes, verkäufliches Produkt liefert,
aber nur eine geringe, oder -- wie die Folge ergeben
wird -- oft gar keine Landrente abwirft.

Für Boden von geringer Fruchtbarkeit, also von nie-
derm Körnerertrag, wird die Abschaffung der Brache auch
bei den höchsten Kornpreisen nicht mehr konsequent seyn.

Betrachten wir nun aber einen Boden von sehr ho-
her Fruchtbarkeit, so ändern sich diese Verhältnisse gar sehr.

Mit der steigenden Dungkraft des Ackers steigt der
Körnerertrag bis zu einem gewissen Punkt wahrscheinlich
in gradem Verhältnisse.

Die Steigerung des Kornertrags kann aber nicht wie
die der Dungkraft unbegränzt seyn; sie findet diese Gränze
vielmehr in der Natur der Pflanze, die auch beim größ-

und der Wurzelgewaͤchſe eine ſo große Meinungsverſchie-
denheit ſtatt findet, und der Verfaſſer ſelbſt erſt die Re-
ſultate ſeiner hieruͤber angeſtellten Verſuche abwarten muß,
ehe er ſeine Anſichten dem Publikum ausfuͤhrlich vorlegen
und eine Berechnung darauf gruͤnden kann. Er begnuͤgt
ſich daher mit der Anfuͤhrung einzelner Grundzuͤge, die,
wie ich glaube, aus der durchgefuͤhrten Berechnung her-
vorgehen wuͤrden.

Bei einer mittelmaͤßigen Fruchtbarkeit des Ackers
wird erſt bei einem ſehr hohen Kornpreis die Abſchaffung
der Brache vortheilhaft ſeyn koͤnnen: denn wenn auch die
vermehrte Arbeit durch hoͤhere Preiſe bald bezahlt wird,
ſo iſt doch der verminderte Ertrag des Winterkorns von
ſo großem Einfluß auf den Reinertrag, daß der vergroͤ-
ßerte Kornbau, etwa bis zur Haͤlfte der ganzen Flaͤche,
dieſen Verluſt nur ſchwer und nur bei ſehr hohen Korn-
preiſen wird decken koͤnnen.

Der Werth des gewonnenen Viehfutters kann aber
zur Deckung dieſes Verluſtes nicht ſehr viel beitragen,
indem die gewoͤhnliche Viehzucht zwar ein bedeutendes,
ſehr in die Augen fallendes, verkaͤufliches Produkt liefert,
aber nur eine geringe, oder — wie die Folge ergeben
wird — oft gar keine Landrente abwirft.

Fuͤr Boden von geringer Fruchtbarkeit, alſo von nie-
derm Koͤrnerertrag, wird die Abſchaffung der Brache auch
bei den hoͤchſten Kornpreiſen nicht mehr konſequent ſeyn.

Betrachten wir nun aber einen Boden von ſehr ho-
her Fruchtbarkeit, ſo aͤndern ſich dieſe Verhaͤltniſſe gar ſehr.

Mit der ſteigenden Dungkraft des Ackers ſteigt der
Koͤrnerertrag bis zu einem gewiſſen Punkt wahrſcheinlich
in gradem Verhaͤltniſſe.

Die Steigerung des Kornertrags kann aber nicht wie
die der Dungkraft unbegraͤnzt ſeyn; ſie findet dieſe Graͤnze
vielmehr in der Natur der Pflanze, die auch beim groͤß-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0099" n="85"/>
und der Wurzelgewa&#x0364;ch&#x017F;e eine &#x017F;o große Meinungsver&#x017F;chie-<lb/>
denheit &#x017F;tatt findet, und der Verfa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;t die Re-<lb/>
&#x017F;ultate &#x017F;einer hieru&#x0364;ber ange&#x017F;tellten Ver&#x017F;uche abwarten muß,<lb/>
ehe er &#x017F;eine An&#x017F;ichten dem Publikum ausfu&#x0364;hrlich vorlegen<lb/>
und eine Berechnung darauf gru&#x0364;nden kann. Er begnu&#x0364;gt<lb/>
&#x017F;ich daher mit der Anfu&#x0364;hrung einzelner Grundzu&#x0364;ge, die,<lb/>
wie ich glaube, aus der durchgefu&#x0364;hrten Berechnung her-<lb/>
vorgehen wu&#x0364;rden.</p><lb/>
          <p>Bei einer mittelma&#x0364;ßigen Fruchtbarkeit des Ackers<lb/>
wird er&#x017F;t bei einem &#x017F;ehr hohen Kornpreis die Ab&#x017F;chaffung<lb/>
der Brache vortheilhaft &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen: denn wenn auch die<lb/>
vermehrte Arbeit durch ho&#x0364;here Prei&#x017F;e bald bezahlt wird,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t doch der verminderte Ertrag des Winterkorns von<lb/>
&#x017F;o großem Einfluß auf den Reinertrag, daß der vergro&#x0364;-<lb/>
ßerte Kornbau, etwa bis zur Ha&#x0364;lfte der ganzen Fla&#x0364;che,<lb/>
die&#x017F;en Verlu&#x017F;t nur &#x017F;chwer und nur bei &#x017F;ehr hohen Korn-<lb/>
prei&#x017F;en wird decken ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Der Werth des gewonnenen Viehfutters kann aber<lb/>
zur Deckung die&#x017F;es Verlu&#x017F;tes nicht &#x017F;ehr viel beitragen,<lb/>
indem die gewo&#x0364;hnliche Viehzucht zwar ein bedeutendes,<lb/>
&#x017F;ehr in die Augen fallendes, verka&#x0364;ufliches Produkt liefert,<lb/>
aber nur eine geringe, oder &#x2014; wie die Folge ergeben<lb/>
wird &#x2014; oft gar keine Landrente abwirft.</p><lb/>
          <p>Fu&#x0364;r Boden von geringer Fruchtbarkeit, al&#x017F;o von nie-<lb/>
derm Ko&#x0364;rnerertrag, wird die Ab&#x017F;chaffung der Brache auch<lb/>
bei den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Kornprei&#x017F;en nicht mehr kon&#x017F;equent &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Betrachten wir nun aber einen Boden von &#x017F;ehr ho-<lb/>
her Fruchtbarkeit, &#x017F;o a&#x0364;ndern &#x017F;ich die&#x017F;e Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e gar &#x017F;ehr.</p><lb/>
          <p>Mit der &#x017F;teigenden Dungkraft des Ackers &#x017F;teigt der<lb/>
Ko&#x0364;rnerertrag bis zu einem gewi&#x017F;&#x017F;en Punkt wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
in gradem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Die Steigerung des Kornertrags kann aber nicht wie<lb/>
die der Dungkraft unbegra&#x0364;nzt &#x017F;eyn; &#x017F;ie findet die&#x017F;e Gra&#x0364;nze<lb/>
vielmehr in der Natur der Pflanze, die auch beim gro&#x0364;ß-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0099] und der Wurzelgewaͤchſe eine ſo große Meinungsverſchie- denheit ſtatt findet, und der Verfaſſer ſelbſt erſt die Re- ſultate ſeiner hieruͤber angeſtellten Verſuche abwarten muß, ehe er ſeine Anſichten dem Publikum ausfuͤhrlich vorlegen und eine Berechnung darauf gruͤnden kann. Er begnuͤgt ſich daher mit der Anfuͤhrung einzelner Grundzuͤge, die, wie ich glaube, aus der durchgefuͤhrten Berechnung her- vorgehen wuͤrden. Bei einer mittelmaͤßigen Fruchtbarkeit des Ackers wird erſt bei einem ſehr hohen Kornpreis die Abſchaffung der Brache vortheilhaft ſeyn koͤnnen: denn wenn auch die vermehrte Arbeit durch hoͤhere Preiſe bald bezahlt wird, ſo iſt doch der verminderte Ertrag des Winterkorns von ſo großem Einfluß auf den Reinertrag, daß der vergroͤ- ßerte Kornbau, etwa bis zur Haͤlfte der ganzen Flaͤche, dieſen Verluſt nur ſchwer und nur bei ſehr hohen Korn- preiſen wird decken koͤnnen. Der Werth des gewonnenen Viehfutters kann aber zur Deckung dieſes Verluſtes nicht ſehr viel beitragen, indem die gewoͤhnliche Viehzucht zwar ein bedeutendes, ſehr in die Augen fallendes, verkaͤufliches Produkt liefert, aber nur eine geringe, oder — wie die Folge ergeben wird — oft gar keine Landrente abwirft. Fuͤr Boden von geringer Fruchtbarkeit, alſo von nie- derm Koͤrnerertrag, wird die Abſchaffung der Brache auch bei den hoͤchſten Kornpreiſen nicht mehr konſequent ſeyn. Betrachten wir nun aber einen Boden von ſehr ho- her Fruchtbarkeit, ſo aͤndern ſich dieſe Verhaͤltniſſe gar ſehr. Mit der ſteigenden Dungkraft des Ackers ſteigt der Koͤrnerertrag bis zu einem gewiſſen Punkt wahrſcheinlich in gradem Verhaͤltniſſe. Die Steigerung des Kornertrags kann aber nicht wie die der Dungkraft unbegraͤnzt ſeyn; ſie findet dieſe Graͤnze vielmehr in der Natur der Pflanze, die auch beim groͤß-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/99
Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/99>, abgerufen am 08.05.2024.