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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Zweyte Abtheilung. Erster Abschnitt.
ben. Die vom Wasser ausgeworfnen großen Schnecken-
häuser sammelt man sorgfältig auf, legt sie in großen
Haufen bey einander, und läßt sie trocknen. Aus die-
sen sowohl als jenen kleinern Schneckenhäusern brennt
man hernach Kalk, den man beym Bauen gebraucht.
Zu diesem Ende errichtet man einen Holzstoß von dün-
nen Zweigen und Sträuchen, worauf die Schnecken-
häuser gelegt und verbrannt werden. Auf der Robben-
insel
(Robben-Eyland) werden vorzüglich viele folcher
Schneckenhäuser gesammelt, und Kalk in großer Menge
daraus zum eignen Gebrauch der Compagnie gebrannt;
man gebraucht zu dieser Arbeit die dasigen Gefangnen
oder sogenannten Banditen. Andrer Kalk findet sich
eben so wenig, als Berge, die Kalk enthalten, im
ganzen Lande.

Von den Sitten und der Lebensart der Einwohner
zu Cap will ich hier nicht reden. Das eine bemerke ich
nur, daß die Mütter in dieser Stadt selten ihren Kin-
dern Ammen halten, sondern sie selbst säugen; welches
ich auch als die Ursache ansehe, warum die Weiber
hier fast durchgängig ein leichtes Wochenbette haben.

Dagegen will ich jetzt eins und das andre erzählen,
was ich in dieser Zeit meines Aufenthalts zu Cap zu sehen
Gelegenheit hatte. Das erste mag folgendes seyn. Man
brachte neun und funfzig Hottentotten, theils Männer,
theils Weiber, theils Kinder, ungefähr hundert und
funfzig Meilen weit, als Gefangne nach der Stadt.
Diese Hottentotten hatten in jenen entlegenen Gegenden
gegen die da wohnenden Kolonisten verschiedne Gewalt-
thätigkeiten ausgeübt. Ein Hottentotten-Capitain,
Nahmens Kes, hatte sie in einer großen Kluft zwischen
Bergen greifen lassen, wo sie sich versteckt, und gegen
ein wider sie ausgeschicktes Commando Bauern und Sol-

Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ben. Die vom Waſſer ausgeworfnen großen Schnecken-
haͤuſer ſammelt man ſorgfaͤltig auf, legt ſie in großen
Haufen bey einander, und laͤßt ſie trocknen. Aus die-
ſen ſowohl als jenen kleinern Schneckenhaͤuſern brennt
man hernach Kalk, den man beym Bauen gebraucht.
Zu dieſem Ende errichtet man einen Holzſtoß von duͤn-
nen Zweigen und Straͤuchen, worauf die Schnecken-
haͤuſer gelegt und verbrannt werden. Auf der Robben-
inſel
(Robben-Eyland) werden vorzuͤglich viele folcher
Schneckenhaͤuſer geſammelt, und Kalk in großer Menge
daraus zum eignen Gebrauch der Compagnie gebrannt;
man gebraucht zu dieſer Arbeit die daſigen Gefangnen
oder ſogenannten Banditen. Andrer Kalk findet ſich
eben ſo wenig, als Berge, die Kalk enthalten, im
ganzen Lande.

Von den Sitten und der Lebensart der Einwohner
zu Cap will ich hier nicht reden. Das eine bemerke ich
nur, daß die Muͤtter in dieſer Stadt ſelten ihren Kin-
dern Ammen halten, ſondern ſie ſelbſt ſaͤugen; welches
ich auch als die Urſache anſehe, warum die Weiber
hier faſt durchgaͤngig ein leichtes Wochenbette haben.

Dagegen will ich jetzt eins und das andre erzaͤhlen,
was ich in dieſer Zeit meines Aufenthalts zu Cap zu ſehen
Gelegenheit hatte. Das erſte mag folgendes ſeyn. Man
brachte neun und funfzig Hottentotten, theils Maͤnner,
theils Weiber, theils Kinder, ungefaͤhr hundert und
funfzig Meilen weit, als Gefangne nach der Stadt.
Dieſe Hottentotten hatten in jenen entlegenen Gegenden
gegen die da wohnenden Koloniſten verſchiedne Gewalt-
thaͤtigkeiten ausgeuͤbt. Ein Hottentotten-Capitain,
Nahmens Kes, hatte ſie in einer großen Kluft zwiſchen
Bergen greifen laſſen, wo ſie ſich verſteckt, und gegen
ein wider ſie ausgeſchicktes Commando Bauern und Sol-

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[116/0144] Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. ben. Die vom Waſſer ausgeworfnen großen Schnecken- haͤuſer ſammelt man ſorgfaͤltig auf, legt ſie in großen Haufen bey einander, und laͤßt ſie trocknen. Aus die- ſen ſowohl als jenen kleinern Schneckenhaͤuſern brennt man hernach Kalk, den man beym Bauen gebraucht. Zu dieſem Ende errichtet man einen Holzſtoß von duͤn- nen Zweigen und Straͤuchen, worauf die Schnecken- haͤuſer gelegt und verbrannt werden. Auf der Robben- inſel (Robben-Eyland) werden vorzuͤglich viele folcher Schneckenhaͤuſer geſammelt, und Kalk in großer Menge daraus zum eignen Gebrauch der Compagnie gebrannt; man gebraucht zu dieſer Arbeit die daſigen Gefangnen oder ſogenannten Banditen. Andrer Kalk findet ſich eben ſo wenig, als Berge, die Kalk enthalten, im ganzen Lande. Von den Sitten und der Lebensart der Einwohner zu Cap will ich hier nicht reden. Das eine bemerke ich nur, daß die Muͤtter in dieſer Stadt ſelten ihren Kin- dern Ammen halten, ſondern ſie ſelbſt ſaͤugen; welches ich auch als die Urſache anſehe, warum die Weiber hier faſt durchgaͤngig ein leichtes Wochenbette haben. Dagegen will ich jetzt eins und das andre erzaͤhlen, was ich in dieſer Zeit meines Aufenthalts zu Cap zu ſehen Gelegenheit hatte. Das erſte mag folgendes ſeyn. Man brachte neun und funfzig Hottentotten, theils Maͤnner, theils Weiber, theils Kinder, ungefaͤhr hundert und funfzig Meilen weit, als Gefangne nach der Stadt. Dieſe Hottentotten hatten in jenen entlegenen Gegenden gegen die da wohnenden Koloniſten verſchiedne Gewalt- thaͤtigkeiten ausgeuͤbt. Ein Hottentotten-Capitain, Nahmens Kes, hatte ſie in einer großen Kluft zwiſchen Bergen greifen laſſen, wo ſie ſich verſteckt, und gegen ein wider ſie ausgeſchicktes Commando Bauern und Sol-

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/144>, abgerufen am 24.11.2024.