Aus den innern Theilen des Landes kommen oft Springböcke hieher. Sie ziehen so gar ins Bockland und wohl noch etwas weiter. Dergleichen Wanderungen, die man mit den Zügen der Bergmäuse im Schwedischen Lappland vergleichen kann, geschehen von ihnen nach Ver- lauf gewisser Jahre. Sie kommen alsdann zu vielen Tausenden, gehen nach einander in einer Reihe und fres- sen da, wo sie durchkommen, alles Gras, das sich nur findet, ab. Auf diesem Zuge lassen sie sich schlechterdings durch nichts hindern. Bekommt eine Ziege unterwegs Junge, so läßt sie diese liegen. Wenn die Bauern auch unter sie schießen, so setzen sie demungeachtet ihren Weg ununterbrochen fort. Nicht einmahl durch Löwen und andre Raubthiere, die dem Haufen nachfolgen, und viel Verwüstung darunter anrichten, lassen sie sich abschrecken. Kommen sie in der Nähe eines Hofes vorbey, so bleibt auf dem Felde fast nichts für das Vieh des Eigenthümers zu fressen übrig, ja nicht einmahl Wasser zum Saufen. Die Saatfelder müssen die Landleute alsdann Tag und Nacht bewachen lassen, sonst fressen sie ihnen das Korn so weg, daß sie fast nichts übrig behalten.
Weiter kamen wir zu einer Quelle auf ebenem Fel- de, wo wir die Nacht zubrachten, und darauf über ei- nen Berg zu Paul Kerste beym Kreutzbrunnen (Kruys- Fountain). Hier fängt das mittelste Rockenland an, das von dem vorhergehenden nur durch einige Bergrücken abgesondert ist.
Als wir Nachmittags fertig waren, von hier auf- zubrechen, und unsre Pferde gesattelt hatten, begegnete mir der äußerst unangenehme Vorfall, daß eine Schlange mein Pferd, da es im Flusse unterhalb des Hofes getränkt wurde, unten in die Brust biß. Anfangs achtete ich dies zwar nicht, sondern ich setzte mich auf. Nicht lange
Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Aus den innern Theilen des Landes kommen oft Springboͤcke hieher. Sie ziehen ſo gar ins Bockland und wohl noch etwas weiter. Dergleichen Wanderungen, die man mit den Zuͤgen der Bergmaͤuſe im Schwediſchen Lappland vergleichen kann, geſchehen von ihnen nach Ver- lauf gewiſſer Jahre. Sie kommen alsdann zu vielen Tauſenden, gehen nach einander in einer Reihe und freſ- ſen da, wo ſie durchkommen, alles Gras, das ſich nur findet, ab. Auf dieſem Zuge laſſen ſie ſich ſchlechterdings durch nichts hindern. Bekommt eine Ziege unterwegs Junge, ſo laͤßt ſie dieſe liegen. Wenn die Bauern auch unter ſie ſchießen, ſo ſetzen ſie demungeachtet ihren Weg ununterbrochen fort. Nicht einmahl durch Loͤwen und andre Raubthiere, die dem Haufen nachfolgen, und viel Verwuͤſtung darunter anrichten, laſſen ſie ſich abſchrecken. Kommen ſie in der Naͤhe eines Hofes vorbey, ſo bleibt auf dem Felde faſt nichts fuͤr das Vieh des Eigenthuͤmers zu freſſen uͤbrig, ja nicht einmahl Waſſer zum Saufen. Die Saatfelder muͤſſen die Landleute alsdann Tag und Nacht bewachen laſſen, ſonſt freſſen ſie ihnen das Korn ſo weg, daß ſie faſt nichts uͤbrig behalten.
Weiter kamen wir zu einer Quelle auf ebenem Fel- de, wo wir die Nacht zubrachten, und darauf uͤber ei- nen Berg zu Paul Kerſte beym Kreutzbrunnen (Kruys- Fountain). Hier faͤngt das mittelſte Rockenland an, das von dem vorhergehenden nur durch einige Bergruͤcken abgeſondert iſt.
Als wir Nachmittags fertig waren, von hier auf- zubrechen, und unſre Pferde geſattelt hatten, begegnete mir der aͤußerſt unangenehme Vorfall, daß eine Schlange mein Pferd, da es im Fluſſe unterhalb des Hofes getraͤnkt wurde, unten in die Bruſt biß. Anfangs achtete ich dies zwar nicht, ſondern ich ſetzte mich auf. Nicht lange
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Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Aus den innern Theilen des Landes kommen oft
Springboͤcke hieher. Sie ziehen ſo gar ins Bockland und
wohl noch etwas weiter. Dergleichen Wanderungen,
die man mit den Zuͤgen der Bergmaͤuſe im Schwediſchen
Lappland vergleichen kann, geſchehen von ihnen nach Ver-
lauf gewiſſer Jahre. Sie kommen alsdann zu vielen
Tauſenden, gehen nach einander in einer Reihe und freſ-
ſen da, wo ſie durchkommen, alles Gras, das ſich nur
findet, ab. Auf dieſem Zuge laſſen ſie ſich ſchlechterdings
durch nichts hindern. Bekommt eine Ziege unterwegs
Junge, ſo laͤßt ſie dieſe liegen. Wenn die Bauern auch
unter ſie ſchießen, ſo ſetzen ſie demungeachtet ihren Weg
ununterbrochen fort. Nicht einmahl durch Loͤwen und
andre Raubthiere, die dem Haufen nachfolgen, und viel
Verwuͤſtung darunter anrichten, laſſen ſie ſich abſchrecken.
Kommen ſie in der Naͤhe eines Hofes vorbey, ſo bleibt
auf dem Felde faſt nichts fuͤr das Vieh des Eigenthuͤmers
zu freſſen uͤbrig, ja nicht einmahl Waſſer zum Saufen.
Die Saatfelder muͤſſen die Landleute alsdann Tag und
Nacht bewachen laſſen, ſonſt freſſen ſie ihnen das Korn ſo
weg, daß ſie faſt nichts uͤbrig behalten.
Weiter kamen wir zu einer Quelle auf ebenem Fel-
de, wo wir die Nacht zubrachten, und darauf uͤber ei-
nen Berg zu Paul Kerſte beym Kreutzbrunnen (Kruys-
Fountain). Hier faͤngt das mittelſte Rockenland an,
das von dem vorhergehenden nur durch einige Bergruͤcken
abgeſondert iſt.
Als wir Nachmittags fertig waren, von hier auf-
zubrechen, und unſre Pferde geſattelt hatten, begegnete
mir der aͤußerſt unangenehme Vorfall, daß eine Schlange
mein Pferd, da es im Fluſſe unterhalb des Hofes getraͤnkt
wurde, unten in die Bruſt biß. Anfangs achtete ich dies
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/486>, abgerufen am 22.11.2024.
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