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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
Krankheiten, des Todes, des Donners und alles Bö-
sen, das ihnen widerfährt, ansehen. Beym Eintritte
des Neumondes und Vollmondes tanzen sie und begehen
eine Art Freudenfest. Allein es ist nicht glaublich, daß
dies eine Religionshandlung bey ihnen sey, oder daß sie
deswegen den Mond anbeten. Viele von ihnen halten
zwar ein kleines Insekt, eine unansehnliche Heuschrecke, eine
Art des Gespenstkäfers (Mantis fausta), für ein Glück
bringendes Thier. Niemahls aber sah ich, daß sie ihm
einige Verehrung beweisen, auch habe ich es nie von an
dern erfahren. Die Beschneidung ist als eine Ceremonie,
aber gar nicht als eine auf Religion Bezug habende Sa-
che, bey mehreren gebräuchlich, und scheint seit den älte-
sten Zeiten bey ihnen eingeführt zu seyn, wiewohl sie heu-
tiges Tages unter diesem Volke nichts weniger als allge-
mein ist.

Abergläubisch sind sie übrigens in hohem Grade;
besonders glauben sie Zauberey. Wenn jemand krank
wird, stehen sie in der Meinung, er sey behext, schreyen
laut, und geben ihm viele Stöße, um ihn gesund und
am Leben zu behalten. Stirbt er, so wird noch weit hef-
tiger geschrien, die Leiche wird nach einigen Stunden
begraben, und das ganze Dorf verläßt seinen Wohnplatz
und zieht nach einem andern Orte. -- Zu gewissen Zei-
ten treiben sie auch ganze Herden Schafe durch den Rauch
mitten über einem großen Feuer, um sie vor dem An-
griffe der wilden Hunde zu sichern; ein sonderbarer und
ohne Zweifel auch abergläubischer Gebrauch.

Die Hottentotten beyderley Geschlechts heirathen
früh. Die Heirath ist auch mit keinen Schwierigkeiten
oder Umständen verbunden. Wenn der Freyer sich an-
gemeldet und die Einwilligung des Mädchens so wohl als
der Aeltern desselben erhalten hat, wird ein gewisser Tag

Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
Krankheiten, des Todes, des Donners und alles Boͤ-
ſen, das ihnen widerfaͤhrt, anſehen. Beym Eintritte
des Neumondes und Vollmondes tanzen ſie und begehen
eine Art Freudenfeſt. Allein es iſt nicht glaublich, daß
dies eine Religionshandlung bey ihnen ſey, oder daß ſie
deswegen den Mond anbeten. Viele von ihnen halten
zwar ein kleines Inſekt, eine unanſehnliche Heuſchrecke, eine
Art des Geſpenſtkaͤfers (Mantis fauſta), fuͤr ein Gluͤck
bringendes Thier. Niemahls aber ſah ich, daß ſie ihm
einige Verehrung beweiſen, auch habe ich es nie von an
dern erfahren. Die Beſchneidung iſt als eine Ceremonie,
aber gar nicht als eine auf Religion Bezug habende Sa-
che, bey mehreren gebraͤuchlich, und ſcheint ſeit den aͤlte-
ſten Zeiten bey ihnen eingefuͤhrt zu ſeyn, wiewohl ſie heu-
tiges Tages unter dieſem Volke nichts weniger als allge-
mein iſt.

Aberglaͤubiſch ſind ſie uͤbrigens in hohem Grade;
beſonders glauben ſie Zauberey. Wenn jemand krank
wird, ſtehen ſie in der Meinung, er ſey behext, ſchreyen
laut, und geben ihm viele Stoͤße, um ihn geſund und
am Leben zu behalten. Stirbt er, ſo wird noch weit hef-
tiger geſchrien, die Leiche wird nach einigen Stunden
begraben, und das ganze Dorf verlaͤßt ſeinen Wohnplatz
und zieht nach einem andern Orte. — Zu gewiſſen Zei-
ten treiben ſie auch ganze Herden Schafe durch den Rauch
mitten uͤber einem großen Feuer, um ſie vor dem An-
griffe der wilden Hunde zu ſichern; ein ſonderbarer und
ohne Zweifel auch aberglaͤubiſcher Gebrauch.

Die Hottentotten beyderley Geſchlechts heirathen
fruͤh. Die Heirath iſt auch mit keinen Schwierigkeiten
oder Umſtaͤnden verbunden. Wenn der Freyer ſich an-
gemeldet und die Einwilligung des Maͤdchens ſo wohl als
der Aeltern deſſelben erhalten hat, wird ein gewiſſer Tag

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[170/0508] Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap Krankheiten, des Todes, des Donners und alles Boͤ- ſen, das ihnen widerfaͤhrt, anſehen. Beym Eintritte des Neumondes und Vollmondes tanzen ſie und begehen eine Art Freudenfeſt. Allein es iſt nicht glaublich, daß dies eine Religionshandlung bey ihnen ſey, oder daß ſie deswegen den Mond anbeten. Viele von ihnen halten zwar ein kleines Inſekt, eine unanſehnliche Heuſchrecke, eine Art des Geſpenſtkaͤfers (Mantis fauſta), fuͤr ein Gluͤck bringendes Thier. Niemahls aber ſah ich, daß ſie ihm einige Verehrung beweiſen, auch habe ich es nie von an dern erfahren. Die Beſchneidung iſt als eine Ceremonie, aber gar nicht als eine auf Religion Bezug habende Sa- che, bey mehreren gebraͤuchlich, und ſcheint ſeit den aͤlte- ſten Zeiten bey ihnen eingefuͤhrt zu ſeyn, wiewohl ſie heu- tiges Tages unter dieſem Volke nichts weniger als allge- mein iſt. Aberglaͤubiſch ſind ſie uͤbrigens in hohem Grade; beſonders glauben ſie Zauberey. Wenn jemand krank wird, ſtehen ſie in der Meinung, er ſey behext, ſchreyen laut, und geben ihm viele Stoͤße, um ihn geſund und am Leben zu behalten. Stirbt er, ſo wird noch weit hef- tiger geſchrien, die Leiche wird nach einigen Stunden begraben, und das ganze Dorf verlaͤßt ſeinen Wohnplatz und zieht nach einem andern Orte. — Zu gewiſſen Zei- ten treiben ſie auch ganze Herden Schafe durch den Rauch mitten uͤber einem großen Feuer, um ſie vor dem An- griffe der wilden Hunde zu ſichern; ein ſonderbarer und ohne Zweifel auch aberglaͤubiſcher Gebrauch. Die Hottentotten beyderley Geſchlechts heirathen fruͤh. Die Heirath iſt auch mit keinen Schwierigkeiten oder Umſtaͤnden verbunden. Wenn der Freyer ſich an- gemeldet und die Einwilligung des Maͤdchens ſo wohl als der Aeltern deſſelben erhalten hat, wird ein gewiſſer Tag

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/508>, abgerufen am 17.06.2024.