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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.

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Aufenthalt und Reisen in Holland.

Nunmehr nahm ich auch den Amsterdamer medici-
nischen Garten, wie auch die verschiednen Hospitäler,
welche theils in, theils außer der Stadt stehen, in Au-
genschein. Der botanische Garten liegt seitwärts von der
Stadt, ist groß und schön, und hat mehrere Orangerien
und Treibhäuser, nebst einer Menge von den sogenann-
ten succulenten Gewächsen, auch viele Capsche Pflan-
zen. Die große Amerikanische Aloe stand in voller Blü-
the, und war alle Tage für Geld zu sehen. Zum Vor-
steher des Nosocomiums, das in der Stadt angelegt ist,
war Herrn Burmannus Sohn bereits an des Vaters
Stelle ernannt: dieser letztere bedarf auch seines hohen
Alters wegen wohl etwas Freyheit von Geschäften. In
dem Hause werden sieben bis achthundert Kranke unent-
geldlich versorgt. Von den Weibsleuten liegen meisten-
theils zwey in Einem Bette, und jeder Kranke hat sei-
ne Nummer. Beym Morgenbesuche wird die Nummer
eines jeden, und die Arzney für diesen Tag, auf einer
Tafel angeschrieben. Die Apotheke ist dicht dabey.
Das sogenannte Pesthaus steht eine Strecke außerhalb
der Stadt.

Die Luft war jetzt in diesem niedrigen Lande sehr
feucht und ungesund, und sah ganz dick, wie die Luft in
einer Badstube aus. Das Haar konnte man nicht oh-
ne Nadeln frisirt halten, und kein Kraut anders als mit
vieler Mühe am Feuer trocknen. Es regnete häufig,
aber fast immer war es nur ein anhaltender Staub- oder
Nebelregen. Nicht selten stieg auch ein so dicker Nebel
auf, daß viele, die sich nicht vorsahen, in die Gräben
fielen, welches sich bey solcher Gelegenheit in Amster-
dam
oft zuträgt. Manchmahl sieht man alsdann auch
dicken Nebel plötzlich den Himmel überziehen, und wenn
dieser nach kurzer Zeit allmählig niederfällt, erblickt man

Aufenthalt und Reiſen in Holland.

Nunmehr nahm ich auch den Amſterdamer medici-
niſchen Garten, wie auch die verſchiednen Hoſpitaͤler,
welche theils in, theils außer der Stadt ſtehen, in Au-
genſchein. Der botaniſche Garten liegt ſeitwaͤrts von der
Stadt, iſt groß und ſchoͤn, und hat mehrere Orangerien
und Treibhaͤuſer, nebſt einer Menge von den ſogenann-
ten ſucculenten Gewaͤchſen, auch viele Capſche Pflan-
zen. Die große Amerikaniſche Aloe ſtand in voller Bluͤ-
the, und war alle Tage fuͤr Geld zu ſehen. Zum Vor-
ſteher des Noſocomiums, das in der Stadt angelegt iſt,
war Herrn Burmannus Sohn bereits an des Vaters
Stelle ernannt: dieſer letztere bedarf auch ſeines hohen
Alters wegen wohl etwas Freyheit von Geſchaͤften. In
dem Hauſe werden ſieben bis achthundert Kranke unent-
geldlich verſorgt. Von den Weibsleuten liegen meiſten-
theils zwey in Einem Bette, und jeder Kranke hat ſei-
ne Nummer. Beym Morgenbeſuche wird die Nummer
eines jeden, und die Arzney fuͤr dieſen Tag, auf einer
Tafel angeſchrieben. Die Apotheke iſt dicht dabey.
Das ſogenannte Peſthaus ſteht eine Strecke außerhalb
der Stadt.

Die Luft war jetzt in dieſem niedrigen Lande ſehr
feucht und ungeſund, und ſah ganz dick, wie die Luft in
einer Badſtube aus. Das Haar konnte man nicht oh-
ne Nadeln friſirt halten, und kein Kraut anders als mit
vieler Muͤhe am Feuer trocknen. Es regnete haͤufig,
aber faſt immer war es nur ein anhaltender Staub- oder
Nebelregen. Nicht ſelten ſtieg auch ein ſo dicker Nebel
auf, daß viele, die ſich nicht vorſahen, in die Graͤben
fielen, welches ſich bey ſolcher Gelegenheit in Amſter-
dam
oft zutraͤgt. Manchmahl ſieht man alsdann auch
dicken Nebel ploͤtzlich den Himmel uͤberziehen, und wenn
dieſer nach kurzer Zeit allmaͤhlig niederfaͤllt, erblickt man

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[23/0051] Aufenthalt und Reiſen in Holland. Nunmehr nahm ich auch den Amſterdamer medici- niſchen Garten, wie auch die verſchiednen Hoſpitaͤler, welche theils in, theils außer der Stadt ſtehen, in Au- genſchein. Der botaniſche Garten liegt ſeitwaͤrts von der Stadt, iſt groß und ſchoͤn, und hat mehrere Orangerien und Treibhaͤuſer, nebſt einer Menge von den ſogenann- ten ſucculenten Gewaͤchſen, auch viele Capſche Pflan- zen. Die große Amerikaniſche Aloe ſtand in voller Bluͤ- the, und war alle Tage fuͤr Geld zu ſehen. Zum Vor- ſteher des Noſocomiums, das in der Stadt angelegt iſt, war Herrn Burmannus Sohn bereits an des Vaters Stelle ernannt: dieſer letztere bedarf auch ſeines hohen Alters wegen wohl etwas Freyheit von Geſchaͤften. In dem Hauſe werden ſieben bis achthundert Kranke unent- geldlich verſorgt. Von den Weibsleuten liegen meiſten- theils zwey in Einem Bette, und jeder Kranke hat ſei- ne Nummer. Beym Morgenbeſuche wird die Nummer eines jeden, und die Arzney fuͤr dieſen Tag, auf einer Tafel angeſchrieben. Die Apotheke iſt dicht dabey. Das ſogenannte Peſthaus ſteht eine Strecke außerhalb der Stadt. Die Luft war jetzt in dieſem niedrigen Lande ſehr feucht und ungeſund, und ſah ganz dick, wie die Luft in einer Badſtube aus. Das Haar konnte man nicht oh- ne Nadeln friſirt halten, und kein Kraut anders als mit vieler Muͤhe am Feuer trocknen. Es regnete haͤufig, aber faſt immer war es nur ein anhaltender Staub- oder Nebelregen. Nicht ſelten ſtieg auch ein ſo dicker Nebel auf, daß viele, die ſich nicht vorſahen, in die Graͤben fielen, welches ſich bey ſolcher Gelegenheit in Amſter- dam oft zutraͤgt. Manchmahl ſieht man alsdann auch dicken Nebel ploͤtzlich den Himmel uͤberziehen, und wenn dieſer nach kurzer Zeit allmaͤhlig niederfaͤllt, erblickt man

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/51>, abgerufen am 21.11.2024.