Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschaffenheit u. Charakter der Japaner.
nicht satt sehen: sie besehen sie unablässig vom Kopf bis
zu den Füßen, und alles was sie an sich haben, Hut,
Degen, Kleidung, Knöpfe, Tressen, Uhr, Stock,
Ringe und so weiter; sie bitten sie, in ihrer Gegenwart
zu schreiben, weil sie ihre Buchstaben, und ihre ganze
Art zu schreiben zu sehen wünschen. Eben so wißbegie-
rig sind auch in Ansehung dessen, was sich auf die Wis-
senschaften bezieht, die Gelehrten unter ihnen. Und da
sehen sie denn den Leibarzt der Gesandtschaft als den ein-
zigen Gelehrten unter den sich hier aufhaltenden Hollän-
dern, und als das Orakel an, das ihnen über alles, was
sie wissen wollen, Erläuterung geben kann. Dieser
wird denn auch nicht nur auf der Insel Dezima, sondern
auch auf der Hofreise und zu Jedo, von ihnen mit Fra-
gen stets gequält. Hauptsächlich betreffen ihre Fragen
Gegenstände aus der Mathesis, Geographie, Physik,
Pharmacie, Zoologie, Botanik und Medicin.

Die Japaner haben viel natürliche Geschicklichkeit,
alle Arten Handarbeit leicht zu lernen, und sehr gut zu
machen; auch sind sie darin sehr erfinderisch. An In-
düstrie, Fleiß und Arbeitsamkeit übertreffen sie die mei-
sten andern Völker. Sie schränken sich aber auf das
Nöthige und Nützliche ein. Ihre Kupfer- und Metall-
arbeit ist schön. Was sie von Holz verfertigen, ist sau-
ber und dauerhaft. Ihre vorzüglich gut gehärteten Sä-
belklingen, und ihre schöne lackirte Arbeit thun es allem
zuvor, was man in andern Ländern von dergleichen bis-
her hat zum Vorschein bringen können. Wie viel Sorg-
falt, Mühe und Fleiß der Landmann und Bauer auf
die möglichste Cultur und Bearbeitung seines Feldes wen-
det, wie erfinderisch und unverdrossen er in diesen Stü-
cken ist, kann schlechterdings niemand glauben oder sich
vorstellen, als wer es selbst sieht.


Beſchaffenheit u. Charakter der Japaner.
nicht ſatt ſehen: ſie beſehen ſie unablaͤſſig vom Kopf bis
zu den Fuͤßen, und alles was ſie an ſich haben, Hut,
Degen, Kleidung, Knoͤpfe, Treſſen, Uhr, Stock,
Ringe und ſo weiter; ſie bitten ſie, in ihrer Gegenwart
zu ſchreiben, weil ſie ihre Buchſtaben, und ihre ganze
Art zu ſchreiben zu ſehen wuͤnſchen. Eben ſo wißbegie-
rig ſind auch in Anſehung deſſen, was ſich auf die Wiſ-
ſenſchaften bezieht, die Gelehrten unter ihnen. Und da
ſehen ſie denn den Leibarzt der Geſandtſchaft als den ein-
zigen Gelehrten unter den ſich hier aufhaltenden Hollaͤn-
dern, und als das Orakel an, das ihnen uͤber alles, was
ſie wiſſen wollen, Erlaͤuterung geben kann. Dieſer
wird denn auch nicht nur auf der Inſel Dezima, ſondern
auch auf der Hofreiſe und zu Jedo, von ihnen mit Fra-
gen ſtets gequaͤlt. Hauptſaͤchlich betreffen ihre Fragen
Gegenſtaͤnde aus der Matheſis, Geographie, Phyſik,
Pharmacie, Zoologie, Botanik und Medicin.

Die Japaner haben viel natuͤrliche Geſchicklichkeit,
alle Arten Handarbeit leicht zu lernen, und ſehr gut zu
machen; auch ſind ſie darin ſehr erfinderiſch. An In-
duͤſtrie, Fleiß und Arbeitſamkeit uͤbertreffen ſie die mei-
ſten andern Voͤlker. Sie ſchraͤnken ſich aber auf das
Noͤthige und Nuͤtzliche ein. Ihre Kupfer- und Metall-
arbeit iſt ſchoͤn. Was ſie von Holz verfertigen, iſt ſau-
ber und dauerhaft. Ihre vorzuͤglich gut gehaͤrteten Saͤ-
belklingen, und ihre ſchoͤne lackirte Arbeit thun es allem
zuvor, was man in andern Laͤndern von dergleichen bis-
her hat zum Vorſchein bringen koͤnnen. Wie viel Sorg-
falt, Muͤhe und Fleiß der Landmann und Bauer auf
die moͤglichſte Cultur und Bearbeitung ſeines Feldes wen-
det, wie erfinderiſch und unverdroſſen er in dieſen Stuͤ-
cken iſt, kann ſchlechterdings niemand glauben oder ſich
vorſtellen, als wer es ſelbſt ſieht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0193" n="159"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Be&#x017F;chaffenheit u. Charakter der Japaner.</hi></fw><lb/>
nicht &#x017F;att &#x017F;ehen: &#x017F;ie be&#x017F;ehen &#x017F;ie unabla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig vom Kopf bis<lb/>
zu den Fu&#x0364;ßen, und alles was &#x017F;ie an &#x017F;ich haben, Hut,<lb/>
Degen, Kleidung, Kno&#x0364;pfe, Tre&#x017F;&#x017F;en, Uhr, Stock,<lb/>
Ringe und &#x017F;o weiter; &#x017F;ie bitten &#x017F;ie, in ihrer Gegenwart<lb/>
zu &#x017F;chreiben, weil &#x017F;ie ihre Buch&#x017F;taben, und ihre ganze<lb/>
Art zu &#x017F;chreiben zu &#x017F;ehen wu&#x0364;n&#x017F;chen. Eben &#x017F;o wißbegie-<lb/>
rig &#x017F;ind auch in An&#x017F;ehung de&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;ich auf die Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaften bezieht, die Gelehrten unter ihnen. Und da<lb/>
&#x017F;ehen &#x017F;ie denn den Leibarzt der Ge&#x017F;andt&#x017F;chaft als den ein-<lb/>
zigen Gelehrten unter den &#x017F;ich hier aufhaltenden Holla&#x0364;n-<lb/>
dern, und als das Orakel an, das ihnen u&#x0364;ber alles, was<lb/>
&#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;en wollen, Erla&#x0364;uterung geben kann. Die&#x017F;er<lb/>
wird denn auch nicht nur auf der In&#x017F;el <placeName>Dezima</placeName>, &#x017F;ondern<lb/>
auch auf der Hofrei&#x017F;e und zu <placeName>Jedo</placeName>, von ihnen mit Fra-<lb/>
gen &#x017F;tets gequa&#x0364;lt. Haupt&#x017F;a&#x0364;chlich betreffen ihre Fragen<lb/>
Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde aus der Mathe&#x017F;is, Geographie, Phy&#x017F;ik,<lb/>
Pharmacie, Zoologie, Botanik und Medicin.</p><lb/>
          <p>Die Japaner haben viel natu&#x0364;rliche Ge&#x017F;chicklichkeit,<lb/>
alle Arten Handarbeit leicht zu lernen, und &#x017F;ehr gut zu<lb/>
machen; auch &#x017F;ind &#x017F;ie darin &#x017F;ehr erfinderi&#x017F;ch. An In-<lb/>
du&#x0364;&#x017F;trie, Fleiß und Arbeit&#x017F;amkeit u&#x0364;bertreffen &#x017F;ie die mei-<lb/>
&#x017F;ten andern Vo&#x0364;lker. Sie &#x017F;chra&#x0364;nken &#x017F;ich aber auf das<lb/>
No&#x0364;thige und Nu&#x0364;tzliche ein. Ihre Kupfer- und Metall-<lb/>
arbeit i&#x017F;t &#x017F;cho&#x0364;n. Was &#x017F;ie von Holz verfertigen, i&#x017F;t &#x017F;au-<lb/>
ber und dauerhaft. Ihre vorzu&#x0364;glich gut geha&#x0364;rteten Sa&#x0364;-<lb/>
belklingen, und ihre &#x017F;cho&#x0364;ne lackirte Arbeit thun es allem<lb/>
zuvor, was man in andern La&#x0364;ndern von dergleichen bis-<lb/>
her hat zum Vor&#x017F;chein bringen ko&#x0364;nnen. Wie viel Sorg-<lb/>
falt, Mu&#x0364;he und Fleiß der Landmann und Bauer auf<lb/>
die mo&#x0364;glich&#x017F;te Cultur und Bearbeitung &#x017F;eines Feldes wen-<lb/>
det, wie erfinderi&#x017F;ch und unverdro&#x017F;&#x017F;en er in die&#x017F;en Stu&#x0364;-<lb/>
cken i&#x017F;t, kann &#x017F;chlechterdings niemand glauben oder &#x017F;ich<lb/>
vor&#x017F;tellen, als wer es &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ieht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0193] Beſchaffenheit u. Charakter der Japaner. nicht ſatt ſehen: ſie beſehen ſie unablaͤſſig vom Kopf bis zu den Fuͤßen, und alles was ſie an ſich haben, Hut, Degen, Kleidung, Knoͤpfe, Treſſen, Uhr, Stock, Ringe und ſo weiter; ſie bitten ſie, in ihrer Gegenwart zu ſchreiben, weil ſie ihre Buchſtaben, und ihre ganze Art zu ſchreiben zu ſehen wuͤnſchen. Eben ſo wißbegie- rig ſind auch in Anſehung deſſen, was ſich auf die Wiſ- ſenſchaften bezieht, die Gelehrten unter ihnen. Und da ſehen ſie denn den Leibarzt der Geſandtſchaft als den ein- zigen Gelehrten unter den ſich hier aufhaltenden Hollaͤn- dern, und als das Orakel an, das ihnen uͤber alles, was ſie wiſſen wollen, Erlaͤuterung geben kann. Dieſer wird denn auch nicht nur auf der Inſel Dezima, ſondern auch auf der Hofreiſe und zu Jedo, von ihnen mit Fra- gen ſtets gequaͤlt. Hauptſaͤchlich betreffen ihre Fragen Gegenſtaͤnde aus der Matheſis, Geographie, Phyſik, Pharmacie, Zoologie, Botanik und Medicin. Die Japaner haben viel natuͤrliche Geſchicklichkeit, alle Arten Handarbeit leicht zu lernen, und ſehr gut zu machen; auch ſind ſie darin ſehr erfinderiſch. An In- duͤſtrie, Fleiß und Arbeitſamkeit uͤbertreffen ſie die mei- ſten andern Voͤlker. Sie ſchraͤnken ſich aber auf das Noͤthige und Nuͤtzliche ein. Ihre Kupfer- und Metall- arbeit iſt ſchoͤn. Was ſie von Holz verfertigen, iſt ſau- ber und dauerhaft. Ihre vorzuͤglich gut gehaͤrteten Saͤ- belklingen, und ihre ſchoͤne lackirte Arbeit thun es allem zuvor, was man in andern Laͤndern von dergleichen bis- her hat zum Vorſchein bringen koͤnnen. Wie viel Sorg- falt, Muͤhe und Fleiß der Landmann und Bauer auf die moͤglichſte Cultur und Bearbeitung ſeines Feldes wen- det, wie erfinderiſch und unverdroſſen er in dieſen Stuͤ- cken iſt, kann ſchlechterdings niemand glauben oder ſich vorſtellen, als wer es ſelbſt ſieht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/193
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/193>, abgerufen am 24.11.2024.