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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

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Zustand d. Wissens. Künste u. dergl. in Japan.
sondern es soll hier mehr belustigen, als das Herz bes-
sern; mehr die Acteure bereichern, als den Zuschauern
würklich nützen.

Auch die Tanzkunst wird in Japan sehr geliebt.
Gesellschaftliche Tänze aber, bey welchen die welche
sich ein Vergnügen machen wollen, selbst tanzen, hat
man nicht, sondern nur Tänze oder pantomimische Bal-
lette, die zur Belustigung der Zuschauer aufgeführt
werden und entweder einen Liebeshandel oder eine Hel-
denthat vorstellen. Diese Art Zeitvertreib, wird vor-
züglich an Fest- und Feyertagen, auch sonst zu Ausfül-
lung müssiger Stunden, oder zur Unterhaltung der
Fremden, vorgenommen. So ließ man z. B. um uns ein
Vergnügen zu machen, Tänzerinnen holen. Diese sind
meistentheils junge und reich gekleidete Mädchen aus
öffentlichen Häusern; junge Knaben tanzen bisweilen
auch mit.

Der Hof des Dairi, zu Miako, ist eigentlich der
Ort, und zwar der einzige im ganzen Reiche, wo die
Wissenschaften und Studien förmlich, und von Mehre-
ren gemeinschaftlich, getrieben werden, also gleichsam die
Universität und Academie von Japan. Hier werden
Studirende erzogen, unterhalten und unterwiesen.
Vornehmlich wird Poesie, Landesgeschichte, Mathe-
matik, Astronomie und dergleichen gelehrt. Alle Ka-
lender werden hier gemacht; auch werden hier alle Bü-
cher, die Kalender aber zu Isie, gedruckt.

Oeffentliche Schulen, zu Unterweisung der Kinder,
sind an den meisten Orten eingerichtet. Man lehrt aber
darin hauptsächlich nur Lesen und Schreiben.

Die Erziehung kennt man hier nicht als eine
Wissenschaft oder Kunst; man übt sie aber nach desto

Thunbergs Reisen. Zweyt. Band. zweyter Th. D

Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan.
ſondern es ſoll hier mehr beluſtigen, als das Herz beſ-
ſern; mehr die Acteure bereichern, als den Zuſchauern
wuͤrklich nuͤtzen.

Auch die Tanzkunſt wird in Japan ſehr geliebt.
Geſellſchaftliche Taͤnze aber, bey welchen die welche
ſich ein Vergnuͤgen machen wollen, ſelbſt tanzen, hat
man nicht, ſondern nur Taͤnze oder pantomimiſche Bal-
lette, die zur Beluſtigung der Zuſchauer aufgefuͤhrt
werden und entweder einen Liebeshandel oder eine Hel-
denthat vorſtellen. Dieſe Art Zeitvertreib, wird vor-
zuͤglich an Feſt- und Feyertagen, auch ſonſt zu Ausfuͤl-
lung muͤſſiger Stunden, oder zur Unterhaltung der
Fremden, vorgenommen. So ließ man z. B. um uns ein
Vergnuͤgen zu machen, Taͤnzerinnen holen. Dieſe ſind
meiſtentheils junge und reich gekleidete Maͤdchen aus
oͤffentlichen Haͤuſern; junge Knaben tanzen bisweilen
auch mit.

Der Hof des Dairi, zu Miako, iſt eigentlich der
Ort, und zwar der einzige im ganzen Reiche, wo die
Wiſſenſchaften und Studien foͤrmlich, und von Mehre-
ren gemeinſchaftlich, getrieben werden, alſo gleichſam die
Univerſitaͤt und Academie von Japan. Hier werden
Studirende erzogen, unterhalten und unterwieſen.
Vornehmlich wird Poeſie, Landesgeſchichte, Mathe-
matik, Aſtronomie und dergleichen gelehrt. Alle Ka-
lender werden hier gemacht; auch werden hier alle Buͤ-
cher, die Kalender aber zu Iſie, gedruckt.

Oeffentliche Schulen, zu Unterweiſung der Kinder,
ſind an den meiſten Orten eingerichtet. Man lehrt aber
darin hauptſaͤchlich nur Leſen und Schreiben.

Die Erziehung kennt man hier nicht als eine
Wiſſenſchaft oder Kunſt; man uͤbt ſie aber nach deſto

Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. D
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[49/0339] Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan. ſondern es ſoll hier mehr beluſtigen, als das Herz beſ- ſern; mehr die Acteure bereichern, als den Zuſchauern wuͤrklich nuͤtzen. Auch die Tanzkunſt wird in Japan ſehr geliebt. Geſellſchaftliche Taͤnze aber, bey welchen die welche ſich ein Vergnuͤgen machen wollen, ſelbſt tanzen, hat man nicht, ſondern nur Taͤnze oder pantomimiſche Bal- lette, die zur Beluſtigung der Zuſchauer aufgefuͤhrt werden und entweder einen Liebeshandel oder eine Hel- denthat vorſtellen. Dieſe Art Zeitvertreib, wird vor- zuͤglich an Feſt- und Feyertagen, auch ſonſt zu Ausfuͤl- lung muͤſſiger Stunden, oder zur Unterhaltung der Fremden, vorgenommen. So ließ man z. B. um uns ein Vergnuͤgen zu machen, Taͤnzerinnen holen. Dieſe ſind meiſtentheils junge und reich gekleidete Maͤdchen aus oͤffentlichen Haͤuſern; junge Knaben tanzen bisweilen auch mit. Der Hof des Dairi, zu Miako, iſt eigentlich der Ort, und zwar der einzige im ganzen Reiche, wo die Wiſſenſchaften und Studien foͤrmlich, und von Mehre- ren gemeinſchaftlich, getrieben werden, alſo gleichſam die Univerſitaͤt und Academie von Japan. Hier werden Studirende erzogen, unterhalten und unterwieſen. Vornehmlich wird Poeſie, Landesgeſchichte, Mathe- matik, Aſtronomie und dergleichen gelehrt. Alle Ka- lender werden hier gemacht; auch werden hier alle Buͤ- cher, die Kalender aber zu Iſie, gedruckt. Oeffentliche Schulen, zu Unterweiſung der Kinder, ſind an den meiſten Orten eingerichtet. Man lehrt aber darin hauptſaͤchlich nur Leſen und Schreiben. Die Erziehung kennt man hier nicht als eine Wiſſenſchaft oder Kunſt; man uͤbt ſie aber nach deſto Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. D

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/339>, abgerufen am 24.11.2024.