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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

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Reise von Ceylon nach Holland.
seewärts zu gehen, um den Wind zu gewinnen; wir
andern Schiffe waren verbunden ihm zu folgen. In der
folgenden Nacht verloren wir das Commandeurschiff
ganz aus dem Gesichte, weshalb das Commando nun-
mehr unserm Capitain Kock übertragen wurde. Den
Morgen darauf bekamen wir es wieder zu sehen, nach zwey
Tagen aber wurde es uns abermals unsichtbar. Nach ei-
nigen Tagen kamen wir ihm sehr nahe, indem es wegen
widrigen Windes, da es sich zu sehr nach dem Lande ge-
halten hatte, jetzt die Flotte nicht erreichen konnte.
Demungeachtet war am folgenden Tag wieder nichts
von ihm zu sehen, obgleich die Nacht über wenig
Wind gewesen war. Hieraus ergab sich nun ganz klar,
daß der Commandeur gar nicht gesonnen war, bey sei-
ner Flotte zu bleiben, sondern im Gegentheil sich davon
zu trennen suchte, allem Anschein nach, um seine Zuhause-
reise destomehr beschleunigen zu können. Bisher waren
wir also, ausser widrigem Winde und Windstillen, durch
des Commandeurs Winkelzüge doppelt und dreyfach
aufgehalten worden.

Am 6sten Junius bekamen wir endlich den Süd-
ostpassatwind, und am 12ten passirten wir den nörd-
lichen Wendezirkel.

Einige Tage nachher sahen wir auf dem Wasser
etwas herum treiben, das uns wie weisse Blumen vor-
kam. Ich fischte einige davon auf, und fand, daß sie
nichts anders waren, als Enten- und Gänsemuscheln
aus dem Geschlechte der Meereicheln (Lepas anatifera
und anserifera), welche sich mir ihrem losen Stengel
oder Stiel an Stücke Bamborohr und Holz, zu Dutzen-
den und mehr, festgesetzt hatten, und jetzt auf dem Was-
ser schwammen. Wenn das Thier seine fünf Schaalen
öffnete, sah es völlig wie eine aufgebrochne Blume aus.


Q 5

Reiſe von Ceylon nach Holland.
ſeewaͤrts zu gehen, um den Wind zu gewinnen; wir
andern Schiffe waren verbunden ihm zu folgen. In der
folgenden Nacht verloren wir das Commandeurſchiff
ganz aus dem Geſichte, weshalb das Commando nun-
mehr unſerm Capitain Kock uͤbertragen wurde. Den
Morgen darauf bekamen wir es wieder zu ſehen, nach zwey
Tagen aber wurde es uns abermals unſichtbar. Nach ei-
nigen Tagen kamen wir ihm ſehr nahe, indem es wegen
widrigen Windes, da es ſich zu ſehr nach dem Lande ge-
halten hatte, jetzt die Flotte nicht erreichen konnte.
Demungeachtet war am folgenden Tag wieder nichts
von ihm zu ſehen, obgleich die Nacht uͤber wenig
Wind geweſen war. Hieraus ergab ſich nun ganz klar,
daß der Commandeur gar nicht geſonnen war, bey ſei-
ner Flotte zu bleiben, ſondern im Gegentheil ſich davon
zu trennen ſuchte, allem Anſchein nach, um ſeine Zuhauſe-
reiſe deſtomehr beſchleunigen zu koͤnnen. Bisher waren
wir alſo, auſſer widrigem Winde und Windſtillen, durch
des Commandeurs Winkelzuͤge doppelt und dreyfach
aufgehalten worden.

Am 6ſten Junius bekamen wir endlich den Suͤd-
oſtpaſſatwind, und am 12ten paſſirten wir den noͤrd-
lichen Wendezirkel.

Einige Tage nachher ſahen wir auf dem Waſſer
etwas herum treiben, das uns wie weiſſe Blumen vor-
kam. Ich fiſchte einige davon auf, und fand, daß ſie
nichts anders waren, als Enten- und Gaͤnſemuſcheln
aus dem Geſchlechte der Meereicheln (Lepas anatifera
und anſerifera), welche ſich mir ihrem loſen Stengel
oder Stiel an Stuͤcke Bamborohr und Holz, zu Dutzen-
den und mehr, feſtgeſetzt hatten, und jetzt auf dem Waſ-
ſer ſchwammen. Wenn das Thier ſeine fuͤnf Schaalen
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Q 5
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[249/0545] Reiſe von Ceylon nach Holland. ſeewaͤrts zu gehen, um den Wind zu gewinnen; wir andern Schiffe waren verbunden ihm zu folgen. In der folgenden Nacht verloren wir das Commandeurſchiff ganz aus dem Geſichte, weshalb das Commando nun- mehr unſerm Capitain Kock uͤbertragen wurde. Den Morgen darauf bekamen wir es wieder zu ſehen, nach zwey Tagen aber wurde es uns abermals unſichtbar. Nach ei- nigen Tagen kamen wir ihm ſehr nahe, indem es wegen widrigen Windes, da es ſich zu ſehr nach dem Lande ge- halten hatte, jetzt die Flotte nicht erreichen konnte. Demungeachtet war am folgenden Tag wieder nichts von ihm zu ſehen, obgleich die Nacht uͤber wenig Wind geweſen war. Hieraus ergab ſich nun ganz klar, daß der Commandeur gar nicht geſonnen war, bey ſei- ner Flotte zu bleiben, ſondern im Gegentheil ſich davon zu trennen ſuchte, allem Anſchein nach, um ſeine Zuhauſe- reiſe deſtomehr beſchleunigen zu koͤnnen. Bisher waren wir alſo, auſſer widrigem Winde und Windſtillen, durch des Commandeurs Winkelzuͤge doppelt und dreyfach aufgehalten worden. Am 6ſten Junius bekamen wir endlich den Suͤd- oſtpaſſatwind, und am 12ten paſſirten wir den noͤrd- lichen Wendezirkel. Einige Tage nachher ſahen wir auf dem Waſſer etwas herum treiben, das uns wie weiſſe Blumen vor- kam. Ich fiſchte einige davon auf, und fand, daß ſie nichts anders waren, als Enten- und Gaͤnſemuſcheln aus dem Geſchlechte der Meereicheln (Lepas anatifera und anſerifera), welche ſich mir ihrem loſen Stengel oder Stiel an Stuͤcke Bamborohr und Holz, zu Dutzen- den und mehr, feſtgeſetzt hatten, und jetzt auf dem Waſ- ſer ſchwammen. Wenn das Thier ſeine fuͤnf Schaalen oͤffnete, ſah es voͤllig wie eine aufgebrochne Blume aus. Q 5

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/545>, abgerufen am 22.11.2024.