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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mit Ihren Ansichten von der Ehe einverstanden bin. Und überhaupt ist es in Ansehung jeder Heirath eine mißliche Sache. Wenn ich nicht versprochen wäre und tausend dringende Ursachen mich zwängen, mein Wort nicht zu brechen, so würde ich meiner Neigung nach immer unverheirathet bleiben.

Der Alte wurde roth und sah vor sich nieder, dann fing er mit seinem Nachbar, nicht ohne Verlegenheit, ein anderes Gespräch an. Die neuliche Auction der Kupferstiche, sagte der Gemäldehändler, ist bei Weitem nicht so ergiebig ausgefallen, als es der Eigenthümer sich versprochen hatte. Das ist häufig mit Auctionen der Fall, warf die Tochter mit schnippischem Tone dazwischen: darum sollte sich kein Mensch damit einlassen, den nicht die äußerste Noth dazu treibt.

Dietrich war noch zu unerfahren, um den Zusammenhang dieser Gespräche einzusehen; er redete treuherzig und eifrig über die Barbarei der Auctionen, in denen oft die kostbarsten Seltenheiten übersehen, viele Kunstwerke durch die Gaffer und Handlanger beschädigt, und der Ruhm großer Meister, so wie das Gefühl ächter Bewunderer, schmerzlich verletzt würden. Dadurch gewann er die gute Meinung des Vaters, der die getrübte Miene erheiterte und ihm mit Freundlichkeit Recht gab. Sophie, welche fürchten mochte, daß ein neuer Antrag im verdeckten Wege des Kunstenthusiasmus vorgeschoben werden sollte, fragte schnell den jungen Maler, ob er

mit Ihren Ansichten von der Ehe einverstanden bin. Und überhaupt ist es in Ansehung jeder Heirath eine mißliche Sache. Wenn ich nicht versprochen wäre und tausend dringende Ursachen mich zwängen, mein Wort nicht zu brechen, so würde ich meiner Neigung nach immer unverheirathet bleiben.

Der Alte wurde roth und sah vor sich nieder, dann fing er mit seinem Nachbar, nicht ohne Verlegenheit, ein anderes Gespräch an. Die neuliche Auction der Kupferstiche, sagte der Gemäldehändler, ist bei Weitem nicht so ergiebig ausgefallen, als es der Eigenthümer sich versprochen hatte. Das ist häufig mit Auctionen der Fall, warf die Tochter mit schnippischem Tone dazwischen: darum sollte sich kein Mensch damit einlassen, den nicht die äußerste Noth dazu treibt.

Dietrich war noch zu unerfahren, um den Zusammenhang dieser Gespräche einzusehen; er redete treuherzig und eifrig über die Barbarei der Auctionen, in denen oft die kostbarsten Seltenheiten übersehen, viele Kunstwerke durch die Gaffer und Handlanger beschädigt, und der Ruhm großer Meister, so wie das Gefühl ächter Bewunderer, schmerzlich verletzt würden. Dadurch gewann er die gute Meinung des Vaters, der die getrübte Miene erheiterte und ihm mit Freundlichkeit Recht gab. Sophie, welche fürchten mochte, daß ein neuer Antrag im verdeckten Wege des Kunstenthusiasmus vorgeschoben werden sollte, fragte schnell den jungen Maler, ob er

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/39>, abgerufen am 21.11.2024.