Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

letzten Tagen seines Vaters, und unten fanden sich die Worte: diese Stücke sind jetzt -- --, weiter hatte die Hand nicht geschrieben, und selbst diese Zeile war wieder ausgestrichen worden.

Nun suchte Eduard noch eifriger, aber keine Spur. Das Licht war niedergebrannt, sein Blut war erhitzt; er warf die Bogen eilig im Zimmer umher, aber es zeigte sich Nichts. Als er ein altes vergelbtes Papier auseinander schlug, sah er zu seinem Erstaunen einen Schein, der vor vielen Jahren ausgestellt war, in welchem sich sein Vater als den Schuldner Walther's mit einer namhaften Summe bekannte. Er war nicht quittirt, aber doch nicht in den Händen des Gläubigers. Wie war dieser Umstand zu erklären? --

Er steckte ihn zu sich und rechnete aus, daß, wenn das Blatt gültig wäre, er von seinem Hause kaum noch etwas übrig behalten würde. Er betrachtete einen Beutel, den er in eine Ecke gestellt, und der dazu bestimmt war, ein für allemal noch den Familien, die er bisher im Stillen unterstützt hatte, eine ansehnliche Hülfe zu geben. -- Denn wie er im Verschwenden leichtsinnig war, so war er es auch in seinen Wohlthaten; man hätte sie auch, wenn man strenge sein wollte, Verschwendung nennen können. -- Wenn ich nur diese Summe nicht anrühren darf, damit die Elenden sich noch einmal freuen, ja ist es nachher auch eben so gut, ganz von vorn anzufangen und nur meinen Kräften zu vertrauen. Dies war vor dem Einschlafen sein letzter Gedanke.

letzten Tagen seines Vaters, und unten fanden sich die Worte: diese Stücke sind jetzt — —, weiter hatte die Hand nicht geschrieben, und selbst diese Zeile war wieder ausgestrichen worden.

Nun suchte Eduard noch eifriger, aber keine Spur. Das Licht war niedergebrannt, sein Blut war erhitzt; er warf die Bogen eilig im Zimmer umher, aber es zeigte sich Nichts. Als er ein altes vergelbtes Papier auseinander schlug, sah er zu seinem Erstaunen einen Schein, der vor vielen Jahren ausgestellt war, in welchem sich sein Vater als den Schuldner Walther's mit einer namhaften Summe bekannte. Er war nicht quittirt, aber doch nicht in den Händen des Gläubigers. Wie war dieser Umstand zu erklären? —

Er steckte ihn zu sich und rechnete aus, daß, wenn das Blatt gültig wäre, er von seinem Hause kaum noch etwas übrig behalten würde. Er betrachtete einen Beutel, den er in eine Ecke gestellt, und der dazu bestimmt war, ein für allemal noch den Familien, die er bisher im Stillen unterstützt hatte, eine ansehnliche Hülfe zu geben. — Denn wie er im Verschwenden leichtsinnig war, so war er es auch in seinen Wohlthaten; man hätte sie auch, wenn man strenge sein wollte, Verschwendung nennen können. — Wenn ich nur diese Summe nicht anrühren darf, damit die Elenden sich noch einmal freuen, ja ist es nachher auch eben so gut, ganz von vorn anzufangen und nur meinen Kräften zu vertrauen. Dies war vor dem Einschlafen sein letzter Gedanke.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="4">
        <p><pb facs="#f0067"/>
letzten Tagen seines Vaters, und unten fanden sich die Worte: diese Stücke sind jetzt                &#x2014; &#x2014;, weiter hatte die Hand nicht geschrieben, und selbst diese Zeile war wieder                ausgestrichen worden.</p><lb/>
        <p>Nun suchte Eduard noch eifriger, aber keine Spur. Das Licht war niedergebrannt, sein                Blut war erhitzt; er warf die Bogen eilig im Zimmer umher, aber es zeigte sich                Nichts. Als er ein altes vergelbtes Papier auseinander schlug, sah er zu seinem                Erstaunen einen Schein, der vor vielen Jahren ausgestellt war, in welchem sich sein                Vater als den Schuldner Walther's mit einer namhaften Summe bekannte. Er war nicht                quittirt, aber doch nicht in den Händen des Gläubigers. Wie war dieser Umstand zu                erklären? &#x2014;</p><lb/>
        <p>Er steckte ihn zu sich und rechnete aus, daß, wenn das Blatt gültig wäre, er von                seinem Hause kaum noch etwas übrig behalten würde. Er betrachtete einen Beutel, den                er in eine Ecke gestellt, und der dazu bestimmt war, ein für allemal noch den                Familien, die er bisher im Stillen unterstützt hatte, eine ansehnliche Hülfe zu                geben. &#x2014; Denn wie er im Verschwenden leichtsinnig war, so war er es auch in seinen                Wohlthaten; man hätte sie auch, wenn man strenge sein wollte, Verschwendung nennen                können. &#x2014; Wenn ich nur diese Summe nicht anrühren darf, damit die Elenden sich noch                einmal freuen, ja ist es nachher auch eben so gut, ganz von vorn anzufangen und nur                meinen Kräften zu vertrauen. Dies war vor dem Einschlafen sein letzter Gedanke.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0067] letzten Tagen seines Vaters, und unten fanden sich die Worte: diese Stücke sind jetzt — —, weiter hatte die Hand nicht geschrieben, und selbst diese Zeile war wieder ausgestrichen worden. Nun suchte Eduard noch eifriger, aber keine Spur. Das Licht war niedergebrannt, sein Blut war erhitzt; er warf die Bogen eilig im Zimmer umher, aber es zeigte sich Nichts. Als er ein altes vergelbtes Papier auseinander schlug, sah er zu seinem Erstaunen einen Schein, der vor vielen Jahren ausgestellt war, in welchem sich sein Vater als den Schuldner Walther's mit einer namhaften Summe bekannte. Er war nicht quittirt, aber doch nicht in den Händen des Gläubigers. Wie war dieser Umstand zu erklären? — Er steckte ihn zu sich und rechnete aus, daß, wenn das Blatt gültig wäre, er von seinem Hause kaum noch etwas übrig behalten würde. Er betrachtete einen Beutel, den er in eine Ecke gestellt, und der dazu bestimmt war, ein für allemal noch den Familien, die er bisher im Stillen unterstützt hatte, eine ansehnliche Hülfe zu geben. — Denn wie er im Verschwenden leichtsinnig war, so war er es auch in seinen Wohlthaten; man hätte sie auch, wenn man strenge sein wollte, Verschwendung nennen können. — Wenn ich nur diese Summe nicht anrühren darf, damit die Elenden sich noch einmal freuen, ja ist es nachher auch eben so gut, ganz von vorn anzufangen und nur meinen Kräften zu vertrauen. Dies war vor dem Einschlafen sein letzter Gedanke.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/67
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/67>, abgerufen am 04.12.2024.