Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

diesen Punkt. Was dies Papier betrifft, so kann ich Ihnen darüber schwerlich eine entscheidende Antwort geben, ob es gültig sei oder nicht. Es rührt aus einer früheren Zeit her, in der ich mit Ihrem wackern Vater mancherlei, und zuweilen verwickelte Geldgeschäfte hatte; wir halfen einander bei unseren Speculationen und Reisen aus, und der alte Herr war dazumal in früher Jugend freilich zuweilen etwas locker und wild. Er bekennt hier, mir eine ansehnliche Summe schuldig zu sein; das Blatt muß sich unter seinen Papieren verloren haben; ich weiß Nichts mehr davon, weil wir sehr viel mit einander zu berechnen hatten, und ich war denn damals auch nicht so ordentlich, wie jetzt. Indeß -- (und mit diesen Worten zerriß er das Blatt) sei diese anscheinende Forderung zernichtet; denn auf keinen Fall, auch wenn die Schuld klar wäre, könnte ich von dir, mein Sohn, diese Summe annehmen; wenigstens sollte ich dir so viel nachzahlen für jene Gemälde, die du mir viel zu wohlfeil verkauft hast. Kann ich dir überhaupt helfen, mein gutes Kind, so rechne auf mich, und Alles kann vielleicht noch gut werden.

Eduard beugte sich über seine Hand und rief: ja sei'n Sie mir Vater, ersetzen Sie mir den, den ich zu früh verloren habe! Ich verspreche es Ihnen, es ist mein fester Vorsatz, ich will ein andrer Mensch werden, ich will meine versäumte Zeit wieder einbringen; ich hoffe, der menschlichen Gesellschaft noch einmal nützlich zu werden. Aber väterlicher Rath, wohlwollende Auf-

diesen Punkt. Was dies Papier betrifft, so kann ich Ihnen darüber schwerlich eine entscheidende Antwort geben, ob es gültig sei oder nicht. Es rührt aus einer früheren Zeit her, in der ich mit Ihrem wackern Vater mancherlei, und zuweilen verwickelte Geldgeschäfte hatte; wir halfen einander bei unseren Speculationen und Reisen aus, und der alte Herr war dazumal in früher Jugend freilich zuweilen etwas locker und wild. Er bekennt hier, mir eine ansehnliche Summe schuldig zu sein; das Blatt muß sich unter seinen Papieren verloren haben; ich weiß Nichts mehr davon, weil wir sehr viel mit einander zu berechnen hatten, und ich war denn damals auch nicht so ordentlich, wie jetzt. Indeß — (und mit diesen Worten zerriß er das Blatt) sei diese anscheinende Forderung zernichtet; denn auf keinen Fall, auch wenn die Schuld klar wäre, könnte ich von dir, mein Sohn, diese Summe annehmen; wenigstens sollte ich dir so viel nachzahlen für jene Gemälde, die du mir viel zu wohlfeil verkauft hast. Kann ich dir überhaupt helfen, mein gutes Kind, so rechne auf mich, und Alles kann vielleicht noch gut werden.

Eduard beugte sich über seine Hand und rief: ja sei'n Sie mir Vater, ersetzen Sie mir den, den ich zu früh verloren habe! Ich verspreche es Ihnen, es ist mein fester Vorsatz, ich will ein andrer Mensch werden, ich will meine versäumte Zeit wieder einbringen; ich hoffe, der menschlichen Gesellschaft noch einmal nützlich zu werden. Aber väterlicher Rath, wohlwollende Auf-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="5">
        <p><pb facs="#f0077"/>
diesen Punkt. Was dies Papier betrifft, so kann ich Ihnen darüber schwerlich                eine entscheidende Antwort geben, ob es gültig sei oder nicht. Es rührt aus einer                früheren Zeit her, in der ich mit Ihrem wackern Vater mancherlei, und zuweilen                verwickelte Geldgeschäfte hatte; wir halfen einander bei unseren Speculationen und                Reisen aus, und der alte Herr war dazumal in früher Jugend freilich zuweilen etwas                locker und wild. Er bekennt hier, mir eine ansehnliche Summe schuldig zu sein; das                Blatt muß sich unter seinen Papieren verloren haben; ich weiß Nichts mehr davon, weil                wir sehr viel mit einander zu berechnen hatten, und ich war denn damals auch nicht so                ordentlich, wie jetzt. Indeß &#x2014; (und mit diesen Worten zerriß er das Blatt) sei diese                anscheinende Forderung zernichtet; denn auf keinen Fall, auch wenn die Schuld klar                wäre, könnte ich von dir, mein Sohn, diese Summe annehmen; wenigstens sollte ich dir                so viel nachzahlen für jene Gemälde, die du mir viel zu wohlfeil verkauft hast. Kann                ich dir überhaupt helfen, mein gutes Kind, so rechne auf mich, und Alles kann                vielleicht noch gut werden.</p><lb/>
        <p>Eduard beugte sich über seine Hand und rief: ja sei'n Sie mir Vater, ersetzen Sie mir                den, den ich zu früh verloren habe! Ich verspreche es Ihnen, es ist mein fester                Vorsatz, ich will ein andrer Mensch werden, ich will meine versäumte Zeit wieder                einbringen; ich hoffe, der menschlichen Gesellschaft noch einmal nützlich zu werden.                Aber väterlicher Rath, wohlwollende Auf-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0077] diesen Punkt. Was dies Papier betrifft, so kann ich Ihnen darüber schwerlich eine entscheidende Antwort geben, ob es gültig sei oder nicht. Es rührt aus einer früheren Zeit her, in der ich mit Ihrem wackern Vater mancherlei, und zuweilen verwickelte Geldgeschäfte hatte; wir halfen einander bei unseren Speculationen und Reisen aus, und der alte Herr war dazumal in früher Jugend freilich zuweilen etwas locker und wild. Er bekennt hier, mir eine ansehnliche Summe schuldig zu sein; das Blatt muß sich unter seinen Papieren verloren haben; ich weiß Nichts mehr davon, weil wir sehr viel mit einander zu berechnen hatten, und ich war denn damals auch nicht so ordentlich, wie jetzt. Indeß — (und mit diesen Worten zerriß er das Blatt) sei diese anscheinende Forderung zernichtet; denn auf keinen Fall, auch wenn die Schuld klar wäre, könnte ich von dir, mein Sohn, diese Summe annehmen; wenigstens sollte ich dir so viel nachzahlen für jene Gemälde, die du mir viel zu wohlfeil verkauft hast. Kann ich dir überhaupt helfen, mein gutes Kind, so rechne auf mich, und Alles kann vielleicht noch gut werden. Eduard beugte sich über seine Hand und rief: ja sei'n Sie mir Vater, ersetzen Sie mir den, den ich zu früh verloren habe! Ich verspreche es Ihnen, es ist mein fester Vorsatz, ich will ein andrer Mensch werden, ich will meine versäumte Zeit wieder einbringen; ich hoffe, der menschlichen Gesellschaft noch einmal nützlich zu werden. Aber väterlicher Rath, wohlwollende Auf-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/77
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/77>, abgerufen am 11.12.2024.