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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ich habe lachen müssen, daß du deinen Julio Romano so vortheilhaft verkauft hast; aber ich möchte denn doch nicht an deiner Stelle sein.

Der Alte ging auf ihn zu, sah ihn starr an und sagte: Und warum nicht, Kleiner? Wenn du nur die Gabe dazu hättest! Jeder Mensch malt und pinselt an sich herum, um sich für besser auszugeben, als er in der That ist, und für ein wunderbares, köstliches Original zu gelten, da die Meisten doch nur geschmierte Copieen von Copieen sind. Hättest du meinen Gönner das Bild nur analysiren hören, da hättest du Etwas lernen können! Nun verstehe ich erst alle die Kunstabsichten des Julio Romano; du glaubst nicht, wie viel Treffliches ich an dem Bilde übersehen hatte, wie viele Stellen seines markigen Pinsels. Ja, es ist eine Freude, einen solchen Künstler so recht zu durchdringen, und wenn man ihn ganz und in allen seinen Theilen zugleich faßt, so überschleicht uns im vollständigen Gefühl seines hohen Werthes eine wohlthätige Empfindung, als hätten wir auch an seiner Herrlichkeit einigen Antheil; denn ein Kunstwerk ganz verstehen, heißt, es gewissermaßen erschaffen. Wie großen Dank bin ich meinem erlauchten Gönner und Kenner schuldig, daß er mir auch außer dem Gelde noch eine solche Fülle von Künstlerweihe zufließen läßt.

Wenn ich ihn nicht an der Tafel hätte malen sehen, rief Eduard lächelnd aus, so könnte er mich glauben machen, das Bild sei ein ächtes!

ich habe lachen müssen, daß du deinen Julio Romano so vortheilhaft verkauft hast; aber ich möchte denn doch nicht an deiner Stelle sein.

Der Alte ging auf ihn zu, sah ihn starr an und sagte: Und warum nicht, Kleiner? Wenn du nur die Gabe dazu hättest! Jeder Mensch malt und pinselt an sich herum, um sich für besser auszugeben, als er in der That ist, und für ein wunderbares, köstliches Original zu gelten, da die Meisten doch nur geschmierte Copieen von Copieen sind. Hättest du meinen Gönner das Bild nur analysiren hören, da hättest du Etwas lernen können! Nun verstehe ich erst alle die Kunstabsichten des Julio Romano; du glaubst nicht, wie viel Treffliches ich an dem Bilde übersehen hatte, wie viele Stellen seines markigen Pinsels. Ja, es ist eine Freude, einen solchen Künstler so recht zu durchdringen, und wenn man ihn ganz und in allen seinen Theilen zugleich faßt, so überschleicht uns im vollständigen Gefühl seines hohen Werthes eine wohlthätige Empfindung, als hätten wir auch an seiner Herrlichkeit einigen Antheil; denn ein Kunstwerk ganz verstehen, heißt, es gewissermaßen erschaffen. Wie großen Dank bin ich meinem erlauchten Gönner und Kenner schuldig, daß er mir auch außer dem Gelde noch eine solche Fülle von Künstlerweihe zufließen läßt.

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[0092] ich habe lachen müssen, daß du deinen Julio Romano so vortheilhaft verkauft hast; aber ich möchte denn doch nicht an deiner Stelle sein. Der Alte ging auf ihn zu, sah ihn starr an und sagte: Und warum nicht, Kleiner? Wenn du nur die Gabe dazu hättest! Jeder Mensch malt und pinselt an sich herum, um sich für besser auszugeben, als er in der That ist, und für ein wunderbares, köstliches Original zu gelten, da die Meisten doch nur geschmierte Copieen von Copieen sind. Hättest du meinen Gönner das Bild nur analysiren hören, da hättest du Etwas lernen können! Nun verstehe ich erst alle die Kunstabsichten des Julio Romano; du glaubst nicht, wie viel Treffliches ich an dem Bilde übersehen hatte, wie viele Stellen seines markigen Pinsels. Ja, es ist eine Freude, einen solchen Künstler so recht zu durchdringen, und wenn man ihn ganz und in allen seinen Theilen zugleich faßt, so überschleicht uns im vollständigen Gefühl seines hohen Werthes eine wohlthätige Empfindung, als hätten wir auch an seiner Herrlichkeit einigen Antheil; denn ein Kunstwerk ganz verstehen, heißt, es gewissermaßen erschaffen. Wie großen Dank bin ich meinem erlauchten Gönner und Kenner schuldig, daß er mir auch außer dem Gelde noch eine solche Fülle von Künstlerweihe zufließen läßt. Wenn ich ihn nicht an der Tafel hätte malen sehen, rief Eduard lächelnd aus, so könnte er mich glauben machen, das Bild sei ein ächtes!

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/92>, abgerufen am 26.05.2024.