Es thut mir sehr leid, William, Dich in ei- ner so menschenfeindlichen Stimmung zu wissen, denn von dieser zeugt Dein ganzer neulicher Brief. -- Ich mag Dir es nicht auseinander- setzen, wie ich glaube, daß Du die Sachen an- sehn müßtest, Du würdest mich zum Theil nicht recht verstehn und theils würdest Du das an Deinem Freunde für Kälte halten, was gerade die wärmste Freundschaft aus ihm spräche: dar- um schweig' ich und tröste mich mit dem Ge- danken, daß Deine Empfindung selbst, die Dich itzt noch in so vielen Stücken unglücklich macht, Dich endlich zu jenem Standpunkte führen wird, von wo Du jede Gestalt in ihrem wahren Ver- hältnisse zum Ganzen siehst. -- Wär' ich doch bei Dir! von den Lippen des Freundes faßt man jede Idee leichter und williger, alles sieht dann freundlich aus, was in der Ferne kalt und verdrüßlich scheint. --
In Deiner Anwandelung von Schwermuth
5. Eduard Burton an William Lovell.
Bonſtreet.
Es thut mir ſehr leid, William, Dich in ei- ner ſo menſchenfeindlichen Stimmung zu wiſſen, denn von dieſer zeugt Dein ganzer neulicher Brief. — Ich mag Dir es nicht auseinander- ſetzen, wie ich glaube, daß Du die Sachen an- ſehn muͤßteſt, Du wuͤrdeſt mich zum Theil nicht recht verſtehn und theils wuͤrdeſt Du das an Deinem Freunde fuͤr Kaͤlte halten, was gerade die waͤrmſte Freundſchaft aus ihm ſpraͤche: dar- um ſchweig’ ich und troͤſte mich mit dem Ge- danken, daß Deine Empfindung ſelbſt, die Dich itzt noch in ſo vielen Stuͤcken ungluͤcklich macht, Dich endlich zu jenem Standpunkte fuͤhren wird, von wo Du jede Geſtalt in ihrem wahren Ver- haͤltniſſe zum Ganzen ſiehſt. — Waͤr’ ich doch bei Dir! von den Lippen des Freundes faßt man jede Idee leichter und williger, alles ſieht dann freundlich aus, was in der Ferne kalt und verdruͤßlich ſcheint. —
In Deiner Anwandelung von Schwermuth
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[100[98]/0108]
5.
Eduard Burton an William Lovell.
Bonſtreet.
Es thut mir ſehr leid, William, Dich in ei-
ner ſo menſchenfeindlichen Stimmung zu wiſſen,
denn von dieſer zeugt Dein ganzer neulicher
Brief. — Ich mag Dir es nicht auseinander-
ſetzen, wie ich glaube, daß Du die Sachen an-
ſehn muͤßteſt, Du wuͤrdeſt mich zum Theil nicht
recht verſtehn und theils wuͤrdeſt Du das an
Deinem Freunde fuͤr Kaͤlte halten, was gerade
die waͤrmſte Freundſchaft aus ihm ſpraͤche: dar-
um ſchweig’ ich und troͤſte mich mit dem Ge-
danken, daß Deine Empfindung ſelbſt, die Dich
itzt noch in ſo vielen Stuͤcken ungluͤcklich macht,
Dich endlich zu jenem Standpunkte fuͤhren wird,
von wo Du jede Geſtalt in ihrem wahren Ver-
haͤltniſſe zum Ganzen ſiehſt. — Waͤr’ ich doch
bei Dir! von den Lippen des Freundes faßt
man jede Idee leichter und williger, alles ſieht
dann freundlich aus, was in der Ferne kalt und
verdruͤßlich ſcheint. —
In Deiner Anwandelung von Schwermuth
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 100[98]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/108>, abgerufen am 21.11.2024.
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