Aber Du magst selbst Recht behalten; mag selbst der Frühlingsgeist entwichen seyn, der jene früheren Jahre beseelte, laß die Welt in eine trübe Dumpfheit gesunken seyn, den Himmel mit Wolken verhüllt, die uns den Verlust des Morgenrothes bereuen lassen, -- aber Du wirst nicht läugnen wollen, daß schönere Jahre kom- men werden, daß sie kommen müssen, daß sie nicht mehr so fern sind, als uns itzt jenes Zeit- alter holder Träume entfernt liegt, -- scheust Du Dich in dieser Ueberzeugung der höheren Veredlung ein kleines Opfer zu bringen? Laß es auch die schönsten Blumen der Flur seyn, sie werden der schönsten Gottheit gebracht. --
Was kümmern Dich auch die Wesen umher? Fühlst Du in Deinen Adern die Kraft des Al- ciden, o so besteige kühn den Felsen, der Dir der höchste scheint. Spürst Du in Deinem Bu- sen Raum für Gottergefühle, sammle sie sorg- fältig ein, verbinde im Wachsthume Deiner Seele alles, was Du schön und edel nennst und laß es blühen und reifen. Gegrüßt seyst Du mir dann mit diesen Schätzen, mit neuer Liebe will ich Dich dann an meinen Busen drücken und demüthig den Geist in Dir verehren, der hoch erhaben über dem meinigen flammt. --
Aber Du magſt ſelbſt Recht behalten; mag ſelbſt der Fruͤhlingsgeiſt entwichen ſeyn, der jene fruͤheren Jahre beſeelte, laß die Welt in eine truͤbe Dumpfheit geſunken ſeyn, den Himmel mit Wolken verhuͤllt, die uns den Verluſt des Morgenrothes bereuen laſſen, — aber Du wirſt nicht laͤugnen wollen, daß ſchoͤnere Jahre kom- men werden, daß ſie kommen muͤſſen, daß ſie nicht mehr ſo fern ſind, als uns itzt jenes Zeit- alter holder Traͤume entfernt liegt, — ſcheuſt Du Dich in dieſer Ueberzeugung der hoͤheren Veredlung ein kleines Opfer zu bringen? Laß es auch die ſchoͤnſten Blumen der Flur ſeyn, ſie werden der ſchoͤnſten Gottheit gebracht. —
Was kuͤmmern Dich auch die Weſen umher? Fuͤhlſt Du in Deinen Adern die Kraft des Al- ciden, o ſo beſteige kuͤhn den Felſen, der Dir der hoͤchſte ſcheint. Spuͤrſt Du in Deinem Bu- ſen Raum fuͤr Gottergefuͤhle, ſammle ſie ſorg- faͤltig ein, verbinde im Wachsthume Deiner Seele alles, was Du ſchoͤn und edel nennſt und laß es bluͤhen und reifen. Gegruͤßt ſeyſt Du mir dann mit dieſen Schaͤtzen, mit neuer Liebe will ich Dich dann an meinen Buſen druͤcken und demuͤthig den Geiſt in Dir verehren, der hoch erhaben uͤber dem meinigen flammt. —
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[103[101]/0111]
Aber Du magſt ſelbſt Recht behalten; mag
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fruͤheren Jahre beſeelte, laß die Welt in eine
truͤbe Dumpfheit geſunken ſeyn, den Himmel
mit Wolken verhuͤllt, die uns den Verluſt des
Morgenrothes bereuen laſſen, — aber Du wirſt
nicht laͤugnen wollen, daß ſchoͤnere Jahre kom-
men werden, daß ſie kommen muͤſſen, daß ſie
nicht mehr ſo fern ſind, als uns itzt jenes Zeit-
alter holder Traͤume entfernt liegt, — ſcheuſt
Du Dich in dieſer Ueberzeugung der hoͤheren
Veredlung ein kleines Opfer zu bringen? Laß
es auch die ſchoͤnſten Blumen der Flur ſeyn, ſie
werden der ſchoͤnſten Gottheit gebracht. —
Was kuͤmmern Dich auch die Weſen umher?
Fuͤhlſt Du in Deinen Adern die Kraft des Al-
ciden, o ſo beſteige kuͤhn den Felſen, der Dir
der hoͤchſte ſcheint. Spuͤrſt Du in Deinem Bu-
ſen Raum fuͤr Gottergefuͤhle, ſammle ſie ſorg-
faͤltig ein, verbinde im Wachsthume Deiner
Seele alles, was Du ſchoͤn und edel nennſt und
laß es bluͤhen und reifen. Gegruͤßt ſeyſt Du
mir dann mit dieſen Schaͤtzen, mit neuer Liebe
will ich Dich dann an meinen Buſen druͤcken
und demuͤthig den Geiſt in Dir verehren, der
hoch erhaben uͤber dem meinigen flammt. —
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 103[101]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/111>, abgerufen am 21.11.2024.
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